Die Sache mit dem (Hunde)Hass

Von Rosa Hackl

Hass per se ist eine nicht unkomplizierte Angelegenheit, er (der Hass) ist weit verbreitet, wenig verstanden und in modernen Gesellschaften recht gefährlich.

Die Wissenschaft geht davon aus, dass Gefühle einen bestimmten evolutionsbiologischen Nutzen haben. Angst zum Beispiel habe demnach in der menschlichen Frühzeit einen Fluchtreflex ausgelöst, der uns vor bestimmten Gefahren bewahrte. Hass dagegen mobilisierte die Kampfbereitschaft gegen Feinde. Im Gegensatz zum Evolutionsbiologen betonen Historiker und Ethnologen, dass Angst und Hass sowie Emotionen im Allgemeinen vor allem kulturell bedingt sind. Das heißt: Zu unterschiedlichen Zeiten kann Hass sich ganz unterschiedlich geäußert haben. Uffa Jensen, seines Zeichens Emotionsforscher, meint, dass heute auch eine gewisse Lust am Hassen eine Rolle spielt, das »Dampf ablassen« ist damit gemeint. Die Philosophin Judith Butler beschreibt zum Beispiel den sogenannten »Hate-Speech« als Abwehrreaktion. Eine diffuse Angst als Auslöser, die Befriedigung liegt in der Abwertung des Einen als Aufwertung des Anderen. Der Hass ist dann keine Reaktion auf eine konkrete Situation mehr, sondern eine Art abstrakter, flottierender Hass als Reaktion auf eine oft nur eingebildete Bedrohung.

»Flottierender Hass«
Diese Form des Hasses wurde im Zusammenhang mit der Aufarbeitung und Erforschung des Phänomens Nationalsozialismus definiert. Die Psychoanalytikerin Else Frenkel-Brunswick hat in diesem Kontext das Phänomen des »flottierenden Hasses« erörtert. Die Psychologen Alice Miller und Arno Gruen beschreiben ihn, den latenten, verschiebbaren Hass, als schwer aufzulösen und gefährlich, weil er sich nicht auf die Person richtet, die ihn verursacht hat, sondern auf Ersatzpersonen, die jeweils als Sündenböcke gebraucht werden.

Fromm und der Hass
Erich Fromm unterscheidet zwei Arten von Hass, eine Art beschreibt er als »gesunden Hass«, die andere Art dagegen beschreibt er als Problem.

Der »reaktive« Hass
Zu diesem sagt er: »Unter reaktivem Hass verstehe ich eine Hassreaktion, die aufgrund eines Angriffs auf mein Leben, meine Sicherheit, auf meine Ideale oder auf eine andere Person, die ich liebe oder mit der ich identifiziert bin, entsteht. Reaktiver Hass setzt immer voraus, dass jemand eine positive Einstellung zum Leben, zu anderen Menschen und zu Idealen hat. Wer stark lebensbejahend ist, wird entsprechend reagieren, wenn sein Leben bedroht ist.« Er sieht den reaktiven Hass also als »gesunden Hass«, als eine Reaktion auf einen realen Auslöser.

Der »charakterbedingte« Hass
Er wird zwar laut Fromm auf die gleiche Art und Weise wie der reaktive Hass ausgelöst, setzt aber eine ganz andere Persönlichkeitsstruktur des Individuums voraus, denn der Hass ist dieser Person als Charaktermerkmal immanent und damit ist eine Hassreaktion lediglich Ausdruck des innewohnenden Hasses. Der Hauptunterschied zum »reaktiven Hass« sei die allgemeine Bereitschaft zu hassen. Im Falle des reaktiven Hasses ist es die Situation, die den Hass erzeugt; im Falle des charakterbedingten Hasses hingegen wird eine nicht-aktivierte Feindseligkeit durch die Situation aktualisiert. Ein Mensch mit einem immanenten Hass zeigt eine besondere Art von Befriedigung und Freude, wenn er hasst, die bei reaktivem Hass fehlt. Das Aktivieren des charakterbedingten Hasses in der Bevölkerung bezeichnet Fromm als eines der wichtigsten Mittel zur Vorbereitung eines Angriffskrieges.

Der moderne Begriff des »flottierenden Hasses« ist dem »charakterbedingten«, dem «ungesunden« Hass zuzuordnen. Menschen, die eine gewisse Befriedigung im Hass finden, sind anfällig für »erzeugte Situationen«. Diese können zum Beispiel durch mediale Berichterstattung verursacht werden.

Der Hundehass
Seit einem tragischen Unfall in Wien, im September 2018, bei dem ein kleines Kind von einem Rottweiler so schwer verletzt wurde, dass es etwa zwei Wochen später im Krankenhaus verstarb, ist der Hund in einen negativen Fokus gerückt. Statt maßvoll, sprich vernünftig, zu reagieren, beschloss die Stadtregierung Wien auf Initiativantrag der SPÖ eine Verschärfung des bestehenden Hundegesetzes, Novelle 12.

Der Verschärfung ging eine intensiv geführte öffentliche Debatte voraus. Im Zuge des öffentlichen Diskurses wurden einige Hunderassen, allen voran der Rottweiler, als »Kampfhunde« und »Gefährliche Bestien« porträtiert, die einen Maulkorb zu tragen hätten. Dass damit die Listenhunde und daher nur 6% der Hunde Wiens gemeint waren, ging in der Berichterstattung unter. Das vom Boulevard, aber auch vom ORF verwendete Wording erzeugte die (gewünschte?) Angst, die in weiterer Folge zu Hundehass führte, mit dem die Wiener Hundehalter nun zu kämpfen haben.
Der Umstand, dass sich Hundehalter gegen diese Art der öffentlichen Diskriminierung wehren und Sippenhaftung ablehnen, verstärkt den Hundehass noch zusätzlich. Die Gruppe der Hundehalter wird von einem Teil der Wiener als diffuse Bedrohung wahrgenommen, ein kleinerer Teil dieser ängstlichen Wiener empfindet es aber anscheinend auch als Befriedigung, den Hundehalter abzuwerten und zu diskriminieren.

Der Hundehalter wurde aufgrund der aktuellen Gesetzeslage und der medialen Berichterstattung zu einem leichten Opfer, denn im Augenblick ist es salonfähig, Hunde als »Köter« und »Bestien« zu bezeichnen und Hundehalter als asoziale Elemente der Gesellschaft auszugrenzen.

Es ist zu unterstellen, dass der SPÖ-Stadträtin Ulrike Sima diese Vorgänge bewusst sind und sie diese in Kauf nimmt, um ihrem Ziel einer geringen Hundepopulation in Wien einen Schritt näher zu kommen. Das Hundegesetz wurde so angelegt, dass 6% der Wiener Hunde nicht mehr tierschutzgerecht geführt werden können. Widerstand war daher erwartbar. Dieser Widerstand wird öffentlich als »Verantwortungslosigkeit« umgebrandet, denn man könne doch wohl einem Hund einen Maulkorb raufgeben. Dass Listenhunde allerdings ausschließlich mit Leine und Maulkorb geführt werden müssen und nur in kleinen Hundezonen »nackt« laufen dürfen, das blendet der gelenkte Diskurs aus. Es ist zu unterstellen, um kein Mitleid mit Hunden aufkommen zu lassen, denn die Strategie zur Reduzierung der Hunde im urbanen Raum braucht Täter, keine Opfer.

Hund sein in Wien …
Wien ist keine hundefreundliche Stadt mehr; das war sie einmal, sehr sogar. Ich bin mit Hunden aufgewachsen. Mein erster eigener Hund – ein Schäferhund, finanziert mit gespartem Taschengeld und geholt aus dem Tierschutzhaus. Ich war damals noch nicht ganz 17 Jahre alt, der Hund war 9 Monate, als wir unser gemeinsames Leben gestartet haben. Fuzzi fuhr Vespa, ging in Clubbings, badete im Donnerbrunnen und rannte leinenlos im Prater herum. Niemand nahm daran Anstoß, es war damals normal, nicht geduldet, sondern gerne toleriert. Fuzzi durfte noch in die Vorlesungen mitkommen, heute herrscht auf der Universität Hundeverbot. Sein Nachfolger Howard, ein Airedale Terrier, war ein »Sitterhund«. Auch er lief frei in der Innenstadt herum und im damals noch wirklich grünen Gürtel der Stadt. Hund Nummer 3, Snuffi, ein Dogo Argentino, klapperte im »Alten AKH«, dem heutigen Unicampus, die Lokale ab, und niemand fühlte sich gestört, im Gegenteil, er wurde gestreichelt, war oft Anlass für ein Gespräch und immer erfolgreicher Bettler. Der »arme Hund« brauchte den Schinken oder ein Stück vom Schnitzel, schließlich schaute er so hungrig drein. Im 1. Bezirk hatte er im Sommer »sein« Eisgeschäft. Sobald er in Sichtweite war, wurde eine Portion Vanilleeis vorbereitet. Die Touristen, vor allem Japaner, waren fasziniert vom Eis essenden Hund, das war gut fürs Geschäft. In den Cafés der Innenstadt war er bekannt, im »Daniel Moser« hatte er seinen Schinken schneller als ich meinen Kaffee.

Als Snuffi schon ein alter Herr war, kam eine Volksbefragung. Ich habe sie zu Beginn nicht ganz ernst genommen. Es ging unter anderem um Rasselisten, in Wien erschien es mir damals unmöglich, dass so etwas wie »Sachrassismus«, denn Hunde sind ja rechtlich eine Sache, Fuß fassen könnte. Man hatte von Deutschland gehört, dass es dort Rasselisten und Tötungen von Hunden gab, aber in Wien schien das zu diesem Zeitpunkt undenkbar. SPÖ-Stadträtin Sima setze sich vehement dafür ein, 12 willkürlich genannte Rassen auf eine Liste zu bringen. Mit einer manipulativ anmutenden Befragung gelang es ihr, ihren Willen bei der Volksbefragung durchzusetzen. Den Ernst der Lage erkannten die Hundehalter zu spät. Das war im Jahr 2010.

Die Listen kamen, die Diskriminierung begann. Durch einen Hundeführschein konnte man einen gelisteten Hund mit einem »normalen Hund« gleichstellen. Da Erziehung nie schadet, hatten alle meine Hunde schon vor den Rasselisten einen freiwilligen Hundeführschein gemacht. Damals hatte ich zwei Dogo Argentinos.

Die Hundedichte in Wien wurde höher, der gerettete Mix war voll im Trend. Wenn man Gutes tun wollte, dann nahm man einen Mischling aus dem Tierschutz. Damit veränderte sich der Zugang der Wiener zum Hund. Die Einen wollten retten, aber nicht erziehen, die Anderen fühlten sich gestört, und geregelt wurde das von einer Stadträtin, die von Hunden so viel Ahnung hat wie ich von Atomphysik. Bei Parks und Grünflächen tauchten plötzlich runde Tafeln mit einem rot durchgestrichenen Hund auf und die »Zonen« wurden erfunden. Hundezonen für die Hunde, Käfige für die Ballspiele, Zäune für die Kinderspielplätze, nur die Rentner durften noch frei im Park sitzen.

Wien war nicht mehr »entspannt«, jedenfalls nicht beim Thema Hund. Die Vierbeiner, die über Generationen kaum jemand gestört hatten, wurden plötzlich zum Ärgernis und zur »Gefahr«. Die Medien hatten bereits 2010 den »gefährlichen Hund« als auflagensteigernden »Kampfhund« entdeckt. Angeblich sollte es »Hundekämpfe« in Wien geben. Angenagte Schaukeln auf Kinderspielplätzen wurden als Beweis dafür präsentiert, nachgewiesen wurden solche illegalen Veranstaltungen nie. Trotzdem erzeugten diese Berichte ein Misstrauen in den Menschen. Jeder, der damals einen Terrier hielt, kann davon ein Lied singen.

2018 starb ein kleiner indischer Junge aufgrund der Attacke eines Rottweilers. Damit hatte Wien seinen »Volkan«, so hieß der kleine Junge in Hamburg, dessen Tod im Jahr 2000 die Rasselisten und die darauf folgenden Tötungen vieler Hunde verursachte. In Wien heißt die Antwort Novelle 12 des Wiener Tierhaltegesetzes. Der 2010 implementierte »Sachrassismus« kam zur Anwendung. Zur Beruhigung der Wiener Bevölkerung sollen nun 6% der Hunde Maulkorb und Leine permanent tragen. Im Kleingedruckten wird allerdings eine Erweiterung der Rasseliste, die Tötung »ex legis« bei schwerer Körperverletzung und die Tatsache, dass jeder auffällige Hund zum »Listenhund« mutiert, in Aussicht gestellt.

Die Tatsache, dass ein Hund ein Kind getötet hatte, verursachte einen Vertrauensverlust der Wiener gegenüber Hunden. Misstrauische und ängstliche Blicke sind seither nicht selten, wenn Hundehalter einen Hund mit »schlechtem Image« Gassi führen. Dazu kommt, dass 43,9% der Wiener mittlerweile Migrationshintergrund haben und viele davon nicht zu den Hundefreunden zählen. Das würde eine sensible Politik erfordern, eine die eint, aber nicht spaltet. Leider praktiziert Stadträtin Sima das genaue Gegenteil davon. Sie bevorzugt »Sachrassismus«, lehnt aber Erziehung scheinbar entschieden ab, denn Ausbildung für alle Hundehalter, zum Beispiel in Form eines Hundeführscheins, will sie nicht. Selbst die Maulkorbbefreiung eines Listenhundes durch die Absolvierung einer Prüfung wird Hundehaltern nicht verbindlich gewährt.

Für mich ergibt sich damit zum ersten Mal die Situation, dass ich meine Hunde nicht mehr tierschutzkonform führen kann, jedenfalls nicht, wenn ich mich an das ­Gesetz halte. Zum ersten Mal ist es nicht mehr möglich, durch Ausbildung die Hunde gleich zu stellen. Zum ersten Mal ist es nicht mehr möglich, der Diskriminierung einen Riegel vorzuschieben, indem man die Hunde gut erzieht. Sie passen nicht mehr in das »Wohnzimmer« von Stadträtin Ulrike Sima, sie sind unerwünscht und sie sollen verschwinden.

Eine Stadt ist aber kein »Wohnzimmer« einer Stadträtin, es ist das Zuhause jener Menschen, die in dieser Stadt leben, dazu gehören auch die Hundehalter, auch jene mit Listenhunden.

Innerhalb von knapp 9 Jahren wurde mir die Stadt weggenommen, in der ich über eine Generation gelebt habe. »Sachrassismus« und Diskriminierung ist Alltag geworden, verordnet per Hundegesetz von einer Stadtpolitik, die ich nicht als »Verwaltung« sondern eher als »Besetzung« wahrnehme. Eine Stadt voller Zonen und Verbotsflächen mit immer weniger »wildem Grün«, dafür aber voller misstrauischer Menschen, deren Misstrauen geschürt wurde von einer falschen Hundepolitik und dem damit verbundenen medialen Bild des Hundes in dieser Gesellschaft.

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