Die Münchner „Kampfhunde-Mafia“ packt aus

Von Gerald Pötz

Am Abend des 24. Oktober 2000 stürmte eine schwerbewaffnete Hundertschaft der Münchner Polizei, ausgerüstet mit Schutzschilden, Schlagstöcken, Abwehrsprays und Maschinenpistolen nicht etwa eine Bank mit Geißelnehmern, sondern den weithin bekannten und hellerleuchteten Hundeübungsplatz des PSSV Neuaubing-Germering. Die dort anwesende „Bully-Gruppe“ mit 7 Hundehaltern und insgesamt 18 Hunden wurde erkennungsdienstlich erfasst. Im Polizeiaufgebot befand sich auch der öffentlich bestellte und vereidigte Hunde-Sachverständige Franz Breitsamer (Ex-Polizist), der alle Hunde im Verhalten überprüfte.

Blinder Aktionismus?
Die anfänglich aggressive Anspannung der Polizei, insbesondere der anwesenden Diensthundeführer, schlug während der 2 1/2 stündigen Überprüfung um. Einigen wurde anscheinend sofort klar, daß die hier festgestellten Hunde keinesfalls aggressiv sind. Am Ende dieser großangelegten Polizeiaktion stellte sich schließlich heraus, daß sich alle 18 Hunde ruhig, gelassen und freundlich den nächtlichen „Besuchern“ präsentierten. Obwohl in verschiedenen Tierheimen bereits Zwinger reserviert waren, konnten die Staatsmacht und der anwesende Sachverständige keinen einzigen Hund beschlagnahmen. Nachdem die Polizei den Platz wieder verlassen hatte, waren sich die Hundesportler einig, daß dieser offensichtlich blinde Aktionismus wohl keine weiteren Folgen haben würde.
Weit gefehlt: Wenige Stunden später – noch in der selben Nacht – geschah das Unglaubliche. Die Münchner Ordnungsbehörde, sowie die Polizei feierten diesen in der Sache danebengegangenen Einsatz als gelungenen bundesweiten Erstschlag gegen die illegale Ausbildung von Kampfhunden. Die minutiös geplante Großaktion gipfelte in einer ebenso organisierten und vorbereiteten Pressekonferenz. Jeder Pressevertreter erhielt das heimlich aufgezeichnete Ermittlungsvideo der Polizei, umfangreiches Fotomaterial, sowie den beigelegten Pressebericht. Auffällig war, daß Fernsehsender üblicherweise viel Geld für solche Polizeivideos zahlen müssen, was jedoch bei dieser Aktion nicht der Fall war. Die „Beweisvideos“ wurden der Presse kostenlos zugesteckt, so als ob man unbedingt wollte, daß das geschnittene und nachvertonte Polizeivideo möglichst schnell der Öffentlichkeit präsentiert wird.

Wo sind die Bestien?
Von all dem ahnten die Hundebesitzer natürlich nichts. Um so überraschter waren sie am nächsten Morgen, als die Staatsmacht nochmals martialisch ihre Macht demonstrierte. Sage und schreibe 6 Mannschaftswägen pro Hundebesitzer waren nötig, um die Stunden zuvor bereits überprüften Hunde nochmals sicherzustellen. Die Hunde wurden am Mittwoch, den 25.Oktober von 8.30 bis 16.30 Uhr auf dem Gelände der Polizeidiensthundeschule München neuerlich überprüft. Gerüchten zu Folge gab es „Weisung von oben“, die Ergebnisse verlangten. Wider polizeiliches Erwarten (und Hoffnung?) gab es in Bezug auf die Hunde neuerlich keine Beanstandung und mußten sie aus der Verwahrung wieder entlassen werden.

Was bleibt übrig?
Die Presse schnappte dieses Fressen dankend auf und berichtete darüber, ohne nachzurecherchieren. Blind übernahmen die Reporter die Aussagen aus dem Pressebericht des Polizeipräsidiums München, in dem es beispielsweise heißt: „Unzulässige Ausbildungsmethoden dienten dazu, ihre Pitbulls, Alanos und Bullterrier mannscharf zu machen.“ „Bundesweit erstmalig wurde hier eine illegale Ausbildung von Kampfhunden in größerem Umfang aufgedeckt.“ „Ebenso wurde umfangreiches Beweismaterial, wie Gegenstände die zum unerlaubten Abrichten von Hunden dienen, sichergestellt.“
Beim Beweismaterial befanden sich z.B. Beinmanschetten, also keine Zivilschutzkleidung, sondern für den Hund klar erkennbarer Beuteobjekte. Auch mit Steinen befüllte Kanister, die auch auf vielen anderen Hundeplätzen dazu dienen, den Hund abzulenken und zu beeindrucken, sowie Peitschen, die lediglich zur Knallerzeugung dienen, wie im Hundesport üblich, wurden sichergestellt. Daß die Peitschen nur zur Knallerzeugung verwendet werden, wurde der Presse interessanterweise verschwiegen.
Unter Beachtung aller bekannten Aspekte bleibt nun nichts mehr übrig, was man den Hundeführern und ihren Vierbeinern anlasten könnte. Auch nach intensiven Bemühungen (siehe „Weisung von oben“) konnte bisher weder ein Verstoß gegen die bayerische Kampfhundeverordnung noch gegen das Tierschutzgesetz nachgewiesen werden. Was auf jeden Fall bleibt, ist eine Rufschädigung der seriösen Hundesportler und ein Loch im Staatsbudget für einen unnötigen Polizei-Großeinsatz, bei dem Manche nun zu fragen beginnen, ob dieser nicht möglicherweise inszeniert sei und wenn ja, aus welchen Gründen?

Erste Hunde bereits begutachtet
Drei der „Kampfhunde-Bestien“, die die Polizei bei diesem Überfall zu finden hoffte, wurden von einem Hundegutachter am 25.Oktober 2000 in der Nähe der Diensthundestaffel der Münchner Polizei überprüft. Bei genauester Überprüfung der Hundes in allen Bereichen und Reizlagen kam der Gutachter zum Ergebnis, daß es sich bei diesen Hunden um keine Kampfhunde im Sinne von Art. 37 Abs.1 LStVG (gesteigert aggressiv durch Ausbildung) handelt. Die Hunde wurden sowohl am Schutzärmel als auch am Vollanzug getestet und es konnte keinerlei Aggression gegenüber Menschen festgestellt werden. Die anderen Hunde werden in den nächsten Tagen überprüft und werden vermutlich ein ähnliches Ergebnis bringen. Nun muss man noch einmal ganz laut fragen, wo sind denn nun die „Killerbestien“ und vor allem auch, wem nützte diese mutmaßliche Inszenierung?

Cui bono – Wem nützt es?
Diese Frage stellen sich alle Beteiligten und mittlerweile auch die Presse. Die örtliche und somit an sich zuständig Polizeidienststelle in München-Pasing wusste angeblich gar nichts von dieser Sache. Im Zuge der Recherchen durch WUFF hörten wir immer wieder, es handle sich um einen „Regierungsauftrag“. Beim Durchforsten der Zeitungsberichte der vergangenen Monate fielen mir dann plötzlich Parallelen zwischen innenpolitischen Skandalen und Kampfhunde-Berichten auf, die natürlich – zunächst – rein spekulativ sind. So musste sich beispielsweise Bayerns Ministerpräsident E. Stoiber am Tag nach der „Kampfhunderazzia“ vor dem Untersuchungsausschuss zu den LWS-Verlusten (Landeswohnungs- und Städtebaugesellschaft) äußern. Natürlich fanden an diesem Tag die Medien die „Kampfhunderazzia“ interessanter als den LWS-Skandal; vor allem doch, wo das Münchner Polizeipräsidium der Presse alles so schön vorbereitet hatte. Und jetzt wird es spannend, denn im Zuge der Recherchen bin ich auf weitere zahlreiche derartige „Zufälle“ gestossen. Mehr darüber, wenn diese ausrecherchiert sind.

Zum Gegenschlag
Womit die Staatsmacht wohl nicht gerechnet hatte war, daß die Münchner „Kampfhundemafia“ sich plötzlich direkt der Presse stellte und sogar eine Pressekonferenz am Hundeplatz veranstaltete. In den Presseunterlagen der Hundesportgruppe fand ich u.a. folgende Fakten und Fragen:

– Die auf besagtem Hundeplatz durchgeführten Übungen verstießen in keiner Weise gegen die allgemeinen Richtlinien für den deutschen Hundesport. Es wurde jederzeit nur mit deutlich sichtbarer Schutzbekleidung gearbeitet. Keiner der Hunde wurde jemals „auf den Mann“ dressiert.
– Der betroffene Verein sowie die beschuldigten Personen arbeiten mit Wissen der zuständigen Behörden in gleicher Weise seit nunmehr 6 Jahren.
– Keiner der auf dem Hundeplatz bzw. von den betroffenen Personen geführten Hunde ist jemals wegen gesteigerter Aggressivität auffällig geworden.
– Was sollte das Ergebnis der Aktion sein und wo sind die angeblich „abgerichteten Bestien“?
– Welches Interesse besteht auf Seiten der Behörden, gezielt weitere Ängste vor sog. „Kampfhunden“ in der Bevölkerung zu verbreiten?
– Wer hat die Polizeivideos so (bewusst?) unsachgemäß interpretiert?

Die „Bully-Gruppe“ hat mit ihren Hunden in verantwortungsvoller Weise Gehorsams- und Sozialisierungsübungen gemacht, was natürlich im Polizeibericht nicht erwähnt wurde. Vielmehr wurden einzelne Schutzdienstszenen im Video aus dem Zusammenhang gerissen und (gezielt?) falsch kommentiert und zusammengeschnitten. Auf diesem Hundeplatz in München-Pasing wurde Hundesport betrieben, wie auf hunderten anderen Hundeplätzen auch. Nachdem hier jedoch nicht nur Schäferhunde trainierten, sondern sogenannte Kampfhunde nach der bayerischen Landeshundeverordnung, bot sich diese Szene möglicherweise herrlich als Ablenkungstaktik für einen innenpolitischen Skandal (siehe oben) an.

Geplante Horrorkampagne?
Mit Erschrecken stellten die betroffenen Hundebesitzer fest, wie brillant vorbereitet die Polizei der Medienlandschaft zum richtigen Zeitpunkt, dramaturgisch bis ins Detail ausformuliert, wertende druckreife Vorlagen für eine erneute Horrorkampagne gegen Hunde, Hundesport und Schutzhundeausbildung lieferte. Nachdem die bayerische Landesregierung eine Novellierung der Verordnung über die Haltung „gefährlicher Hunde“ angekündigt hat, scheint hier ein taktisches Meisterwerk der Ablenkung und Stimmungsmache ungehindert seinen Lauf zu nehmen. Ist es den bayerischen Politikern in den letzten Monaten zu ruhig um das Thema Kampfhunde geworden?
Der Freistaat Bayern hat mit dieser mutmaßlich selbstinszenierten, beängstigenden Aktion zu beweisen versucht, daß die „Politiker in der Lederhos’n“ in der Diskussion über die Haltung von „gefährlichen Hunden“ die Nase vorn haben.



>>> WUFF – INFORMATION


Info über kuriose Hundegutachten
www.der-hundegutachter.de

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