Vor langer langer Zeit, als Zeus noch die Welt regierte, mussten ihm seine Untertanen, die Zyklopen, jedes Jahr eine Schafherde opfern. Eines Tages erhoben sich die einäugigen Titanen und verweigerten die Opfergabe. Ihr Anführer war der rebellische Riese Tifeo. Zeus schickte daraufhin schreckliche Unwetter, die alle Felder zerstörten, und weil es kein Futter mehr gab, mussten alle Schafe jämmerlich verhungern. Darüber erzürnt, beschloss Tifeo, mit seinen Gefolgsleuten den Olymp zu erstürmen und Zeus zu entthronen. Rasch kletterte einer auf die Schultern des anderen, und als sie die Bergspitze schon fast erklommen hatten, stieß Zeus mit einem gelangweilten Lächeln den Zyklopenturm um. Mit lautem Getöse purzelten die Riesen zurück auf die Erde und landeten im Tyrrhenischen Meer. Der vorlaute Tifeo kam dort zu Fall, wo sich heute im Golf von Neapel die Insel Ischia erhebt. Tifeo brach sich sämtliche Knochen und begann vor Zorn Feuer zu spucken und bitterlich zu weinen. Da hatte die schöne Venus Mitleid mit ihm und verwandelte seine Tränen in heilendes Thermalwasser.
So erzählen es die Ischianer, und scheinbar weint Tifeo noch heute, denn Thermalwasser fließt immer noch reichlich. Die zahlreichen Thermalquellen sind bis heute einer der Anziehungspunkte der Vulkaninsel. Ihre landschaftliche Schönheit mit den wunderbaren Stränden und lieblichen Städtchen zieht aber nicht nur kurende Touristen in ihren Bann.
Der Hauptort der Insel ist ein quicklebendiges Städtchen, das in zwei unterschiedliche Ortsteile zerfällt: Ischia Porto, der Hafenteil, und Ischia Ponte, das historische Viertel mit seinem hochaufragenden Kastell. Die Verbindungsstraße zwischen dem Hafen und Ischia Ponte ist die elegante Via Roma. Hier bummeln Touristen und Einheimische bis spät in die Nacht, kaufen ein, sitzen in den Straßencafés und genießen das südländische Treiben.
Vierbeinige Lebenskünstler
Aber da gibt es noch andere Bummler und Flanierer, Faulenzer und Lebenskünstler, die aus dem Stadtbild nicht wegzudenken sind: Die Hunde von Ischia. Eine lustige buntgemischte Schar, die dem stressgeplagten Erholungssuchenden zeigt, wie´s geht: Schlafen, Fressen, Dösen und soziale Kontakte Pflegen. Das Erfreuliche für jeden Tierfreund: Die Hunde von Ischia sind keine abgemagerten, gehetzten Streuner, wie man sie leider von Griechenland, der Türkei und Spanien kennt. Nein, ganz im Gegenteil. Die Ischianer haben ein ausgesprochen gutes und tolerantes Verhältnis zu ihren Hunden. Von ausgehungert keine Spur, die Tiere sind wohlgenährt (und betteln deshalb nicht), tragen meist sogar ein Halsband. Für gute Behandlung spricht auch die große Zahl älterer Hunde. Allein herumlaufenden Welpen begegnet man dagegen überhaupt nicht.
Hundliche Grandezza
In Ischia Porto scheint´s, als hätte jeder Laden seinen eigenen Wächter. Da sitzt der steinalte schwarze Juweliershund unbeweglich wie eine Keramikfigur im Geschäft, der Fotohund liegt regungslos unter einem Kartenständer, der Huthund hebt im besten Fall die Augenlider und der Trafikhund thront so majestätisch mitten im schmalen Eingangsportal, dass beleibtere Menschen ihre Zigaretten woanders kaufen müssen. Am Platzerl in Porto, dort, wo die Via Roma beginnt, treffen sich tagtäglich die Granden der städtischen Hundeschar. Hier werden Neuankömmlinge inspiziert, Leinenhunde – aber nur die großen – verbellt, Schoßhündchen gefliessentlich ignoriert. Ein halbes Duzend ist ständig dort unterwegs, entweder geschäftig oder dösend zwischen Cafétischen und Kleiderständern.
Überwiegend Rüden
Nicht anders in den übrigen Städtchen von Ischia. Egal, ob in Forio, wo die weltberühmten Thermalgärten des Poseidon liegen, oder im malerischen Künstlerdorf San Angelo – Hunde begegnen uns überall und bis auf wenige Ausnahmen sind es Rüden. Die Straßenhunde von Ischia sind verträglich, unbekümmert und erfinderisch. In Forio, einem lieblichen Städtchen am Meer, ist es der Brunnen am Hauptplatz, der gleichzeitig als Wasserstelle und Beobachtungsposten dient. Ungeniert nutzen die Vierbeiner jede kleine Lücke am Brunnenrand, wo fast immer Einheimische oder Touristen sitzen, um ihren Durst zu löschen. Dass dabei manch Unvorsichtiger ein wenig besabbert wird, löst höchstens schadenfrohes Gelächter aus.
Natürliches Sozialverhalten
Unter die liebenswerten Stadtstreuner mischen sich erstaunlich viele Rassehunde. Hunde kennen keine Standesdünkel und auch die Ischianer scheinen da wenig Unterschiede zu machen. So kommt es, dass manch abenteuerliche Mischung, die tagsüber herumstreunte, nach Einbruch der Dunkelheit auf der Terrasse einer hochherrschaftlichen Villa wiederzufinden ist oder der unternehmungslustige Dalmatiner vom Caféhaus abends artig neben seinem Herrchen an der Leine durch die Via Roma promenieren muss.
Es ist ein wunderbares Erlebnis, zu beobachten, wie harmonisch Hunde miteinander umgehen, wenn Menschen sich nicht einmischen und ihr natürliches Sozialverhalten nicht stören. Ihnen frühmorgens am Strand beim Spielen zuzusehen, wie sie vergnügt nebeneinander die Sandbänke entlangjagen, oder sich nachmittags von ihrem wohligen Dösen in der Sonne anstecken lassen: Das ist Italienurlaub pur für Hundeliebhaber und Genießer.
Tipp: Ischia in der Vor- oder Nachsaison besuchen. Da ist es am schönsten!