Die Herzkrankheit DCM beim Dobermann

Von Ruth Stolzewski

In WUFF 2/2017 wurde der Dobermann vorgestellt. Bei diesem Porträt wurde mehr auf das Wesen und die Abstammung eingegangen und weniger auf die Gesundheit der Rasse. Da die Dilatative Kardio­myopathie (DCM) – eine erbliche Herzkrankheit – beim Dobermann so stark verbreitet ist, widmet WUFF hier diesem Thema einen eigenen Artikel.

Die Dilatative Kardiomyopathie (DCM) ist eine erbliche Herzkrankheit, die vor allem bei größeren Hunderassen vorkommt. Es handelt sich um eine Herzmuskelschwäche, die unheilbar ist und deren tödlicher Verlauf mit Medikamenten nur verzögert werden kann. Am häufigsten betroffen ist der Dobermann, was durch zahlreiche Studien weltweit umfassend belegt wurde. In Deutschland wird in der Tierkardiologie der Ludwig-Maximilans-Universität München seit über 10 Jahren unter der Leitung von Dr. Gerhard Wess an der DCM beim Dobermann geforscht. Es wurden bereits über 2800 Untersuchungen durchgeführt: „Somit haben wir mehr Dobermänner untersucht als sonst jemand auf der Welt. Wenn man unsere Ergebnisse auf das komplette Dobermannleben umrechnet, kamen wir darauf, dass die Prävalenz beim Dobermann bei 58 Prozent liegt. D.h. jeder 2. Dobermann wird im Laufe seines Lebens diese Krankheit ent­wickeln. Und diese Zahlen sind identisch mit denen in den USA oder in Kanada.“ (Dr. Gerhard Wess)

Rechtzeitig erkennen
Diagnostiziert wird die DCM durch einen Herzultraschall. Da beim Dobermann eine besondere Form dieser Krankheit, die sogenannte arrhythmogene DCM, vorkommt, die sich vor allem durch Herzrhythmusstörungen ankündigt, ist für eine sichere Diagnose auch ein 24-Stunden-EKG erforderlich. Die DCM ist zwar genetisch bedingt, aber nicht angeboren. D.h. sie ist beim Welpen oder Junghund noch nicht sichtbar und tritt erst im Laufe des Lebens auf, meist zwischen dem 3. und 6. Lebensjahr. Darum ist es notwendig, den Hund regelmäßig, am besten einmal im Jahr, untersuchen zu lassen. Für den Halter ist die DCM meist erst zu erkennen, wenn es zu spät ist, in der sogenannten „klinischen Phase“. Ihr geht eine lange okkulte Phase voraus, in der das Herz noch in der Lage ist, seine Pumpschwäche zu kompensieren. Je früher die DCM diagnostiziert und mit Medikamenten behandelt wird, desto länger kann der erkrankte Hund mit ihr überleben.

Angst ist ständiger Begleiter
Wenn der Hund bereits einen ­deutlichen Leistungsabfall, Husten, Ohnmachtsanfälle und Wasser in der Lunge (Lungenödem) zeigt, ist die Prognose schlecht und eine Euthanasie angeraten, um einen qualvollen Tod zu verhindern. Beim Dobermann ist aufgrund der rassetypischen Herzrhythmusstörungen auch der plötzliche Herztod durch Vorhof­flimmern häufig. D.h. der Hund fällt von einer auf die andere Sekunde plötzlich tot um. Für die betroffenen Halter stellt diese Krankheit eine besondere Belastung dar. „Emotional ist es so, dass es nicht einen Tag gibt, wo man nicht über diese Krankheit nachdenkt. Die Angst fährt immer mit. Bei jedem Spaziergang. Man bewegt sich auch nicht mehr so weit weg vom Auto, falls der Hund umfällt.“ erzählt Pia Barlach, die ihre Dobermann-Hündin Winona von der Horringhauser Höh (DV/VDH-Zucht) im Januar 2015 wegen DCM einschläfern lassen musste. Ihr Dobermann-Rüde „German vom Havelland“ (DV/VDH-Zucht) wurde dann im Mai 2016 im Alter von 6 Jahren ebenfalls mit DCM diagnostiziert. Neben der psychischen Belastung erwarten den Halter auch hohe Kosten von mehreren Hundert Euro im Monat für die Medikamente und die regelmäßigen Nachuntersuchungen.

Was sagt der Dobermann-Verein?
Ungeachtet all dieser Fakten und des Leids zahlloser Hunde und ihrer Halter wird die DCM vom standardführenden Dobermann-Verein e.V. (DV), der dem Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) angegliedert ist, ignoriert. Eine kurzzeitige Herzultraschallpflicht für Zuchthunde von 2006 – 2008 wurde frühzeitig abgebrochen entgegen der Empfehlungen von Dr. Wess und Dr. Kresken, dem Leiter des Collegium-Cardiologicum (Dachverband deutscher Tierkardiologen). Zwei weitere Studien wurden seitdem angekündigt aber entweder nie veröffentlicht oder nie begonnen. Auch der VDH, in dessen Zuchtordnung eigentlich klar formuliert ist, dass „Rassehunde-Zuchtvereine, in deren Zuchtbestand erbliche, angeborene oder erworbene Herzerkrankungen oder auftretende Herzveränderungen vorkommen, die zuchthygienische Maßnahmen erfordern, (…) zur Erstellung eines verbindlichen Untersuchungs- und Bekämpfungsprogramms verpflichtet“ sind, ist bisher seiner Verpflichtung als „Der Beste Freund des Hundes“ (laut Eigenwerbung) nicht nachgekommen.

Ein Tierschutz-Skandal?
Im Jahr 2013 startete Pia Barlach eine große Aufklärungskampagne unterstützt von Privathaltern und kleinen Züchtern, um auf die Häufigkeit der DCM beim Dobermann hinzuweisen und Druck auf die ­Zuchtverantwortlichen auszuüben. Es wurden zwei Filme auf Youtube veröffentlicht, die für jeden kostenlos zu sehen sind (siehe Info­ unten). Seitenlange Listen erkrankter und verstorbener Dobermänner kursieren im Internet. Auch Christoph Jung, der Autor des „Schwarzbuch Hund“, hat in seinem Petwatch Blog mehrfach über die DCM beim Dobermann berichtet: „Das ist eigentlich ein Tierschutz-Skandal, wo man sich gar nicht vorstellen kann, dass so etwas in Deutschland, einem Land, das Tierschutz hochhält, Realität ist. Und zwar sehenden Auges, von Fachleuten eindeutig beschrieben. Aber da wird nichts unternommen, auch nicht von den Behörden, das ist für mich nicht nachvollziehbar.“ Und sogar der ­bekannte TV-Hundetrainer Martin Rütter hat sich in seiner Sendung „Der Hundeprofi unterwegs“ im November 2016 mit dem Thema beschäftigt.

Auch ein Forschungsprojekt an der ­Tierärztlichen Hochschule Hannover zur Entwicklung eines Gentests ­(www.dobimann.de) wurde von den Privatleuten rund um Pia Barlach initiiert. Es wird weder vom DV noch vom VDH unterstützt. Viele Halter wenden sich mittlerweile von dieser Hunderasse ab, da sie es nicht verkraften würden, noch einen herzkranken Dobermann zu haben. Und auch die verantwortungsbewussten Züchter geben nach und nach auf, da sie ohne die Unterstützung des Vereins und ihrer Züchterkollegen der Krankheit nicht Herr werden können. Daher ist es nicht erstaunlich, dass die Zahl der im VDH geborenen Dobermann-Welpen immer weiter zurückgeht und sich fast halbiert hat in den letzten 5 Jahren (Quelle: VDH-Welpenstatistik).

Der Österreichische Dobermann Klub (ÖDK) ignoriert das Thema zumindest nicht. Immerhin schreibt er in seiner Zuchtordnung einen Herzultraschall und ein 24-Stunden-EKG für Hunde vor dem Zuchteinsatz (ab 15 bzw. 18 Monate) und dann im Alter von 5 Jahren vor und die Ergebnisse – auch die erkrankter Hunde – werden zumindest zum Teil auf der Webseite veröffentlicht (www.dobermann.at). Doch da es keine Beschränkung der Deckakte für Rüden gibt und der Abstand zwischen den Untersuchungen bis zu 4 Jahren betragen darf, sind diese Maßnahmen nicht ausreichend. Alle Zuchthunde müssten mindestens alle 2 Jahre – auch nach dem Zuchteinsatz – untersucht werden und der Einsatz alter, gesunder Rüden müsste forciert werden. Doch bei einer Prävalenz der DCM von über 50% würden so viele Dobermänner aus der Zucht fallen, dass der ohnedies schon eingeschränkte Genpool dieser Hunderasse so verarmen würde, dass negative Folgen durch eine noch stärkere Inzuchtdepression zu erwarten wären.

Letztendlich wird der Dobermann wohl nur durch die Einkreuzung anderer Hunderassen und ein gut durchdachtes und wissenschaftlich betreutes Zuchtprogramm zu retten sein. Doch davon ist der Dobermann aufgrund der Blockade­haltung der Zuchtverantwort­lichen leider meilenweit entfernt.

Hintergrund

Das sagen die Klubs
Dobermann-Verein e.V. (DV)
Der standardführende Dobermann­Verein, der dem Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) angeschlossen ist. Von ihm kam trotz zweimaliger Kontaktaufnahme keine Reaktion zum Thema DCM.
Österr. Dobermannklub (ÖDK)
Inge Eberstaller, die Präsidentin des Öst. Dobermannklubs zu WUFF: „Der ÖDK hat sich dieses Problems angenommen und bis Ende 2016 die Herzuntersuchungen finanziell stark unterstützt und forciert. Unser wichtigster Weg ist, die Zuchttiere zu untersuchen (steht in der Zuchtvorschrift) und keinesfalls wissentlich DCM-befallene Dobermänner in die Zucht aufzunehmen. Wir ­erwarten diesbezüglich auch deutlichere Maßnahmen vom Mutterland der Rasse, nämlich Deutschland, welches zuchtmäßig weltweit Einfluss nehmen kann.“ Außerdem schreibt Frau Eberstaller, dass von ihren eigenen 10 Dobis in Folge seit über 40 Jahren keiner unter 9 – 10 Jahren aufgrund von Herzproblemen verstarb.

Pdf zu diesem Artikel: krankheit_dcm

 

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