Die häufigsten Erkrankungen

Von Dr. vet. med. Klaus Lehmann

Werden Gelenks- und/oder Skeletterkrankungen nicht oder nicht rechtzeitig diagnostiziert und behandelt, können die betroffenen Hunde aufgrund der chronischen Schmerzen unter einer erheblichen Einschränkung ihrer Lebensqualität leiden, bzw. können sie ihre Funktion z.B. als Dienst- oder Jagdhund oder in einer Hundesportart nicht mehr erfüllen.
Eine besondere Bedeutung besitzen Gelenks- und Skeletterkrankungen bei jungen, noch wachsenden Tieren, da diese, wenn sie nicht rechtzeitig behandelt werden, oft schwere, sogar irreversible Lahmheiten und Schmerzen im Erwachsenenalter zur Folge haben können. Erblich bedingte Gelenkserkrankungen sind für den Tierarzt schon im jugendlichen Alter des Hundes diagnostizierbar, sind aber vom Tierbesitzer oft nicht rechtzeitig zu erkennen, weil daraus resultierende Schmerzen oder Lahmheiten oft erst sehr viel später auftreten können. Es ist daher Besitzern besonders von großen, schnell wachsenden Hunden zu raten, ihre Tiere bereits in einem Alter von 5 Monaten tierärztlich orthopädisch untersuchen zu lassen, was auch eine Röntgenuntersuchung der am häufigsten betroffenen Gelenke einschließt.

Gelenkserkrankungen
Eine besonders häufige, erblich bedingte Erkrankung ist die Dysplasie verschiedener Gelenke, besonders der Hüft- und Ellbogengelenke. Unter Dysplasie versteht man eine fehlerhafte Entwicklung und Ausbildung der gelenksbildenden Knochenelemente. Gelenksdysplasien sind angeboren (also schon bei der Geburt vorhanden) oder entstehen während des Wachstums und treten besonders bei großwüchsigen Rassen auf, viel seltener bei kleineren Rassen.

Hüftgelenksdysplasie
Bei der Hüftgelenksdysplasie (HD) kommt es, je nach Schweregrad,
– zur Inkongruenz des Gelenksspaltes (d.h. Oberschenkelkopf und Hüftgelenkspfanne sind nicht parallel zueinander, sondern der Gelenksspalt ist an einer Stelle weiter als an einer anderen),
– zu einer flachen Gelenkspfanne, durch die der Oberschenkelkopf weit außerhalb der Pfanne zu liegen kommt (gemessen durch den sog. Winkel nach Norberg),
– bis hin zur Deformierung des Oberschenkelkopfes.
Daraus resultieren schmerzhafte Arthrosen (degenerativer Gelenksverschleiß) der Hüftgelenke, wobei zumeist beide Hüftgelenke betroffen sind.
Die ersten für den Tierbesitzer erkennbaren Symptome treten bereits beim noch wachsenden Hund auf und bestehen in
– allgemeiner Bewegungsunlust,
– Schwierigkeiten beim Aufstehen und
– Schmerzen mit Lahmheit einer oder beider Beckengliedmaßen.

Die Diagnose HD wird durch eine klinisch-orthopädische Untersuchung in Kombination mit einer Röntgenaufnahme gestellt. Die Therapie besteht je nach Schwere der Erkrankung
– in konservativen Maßnahmen (Reduktion der körperlichen Aktivität bzw. des Körpergewichtes, entzündungshemmenden und gelenksernährenden Medikamenten) oder
– in einer (frühzeitigen) Operation, bis hin zum Einsatz einer Hüftgelenksprothese.

Ellbogengelenksdysplasie
Der Begriff Ellbogengelenksdysplasie (ED) umfasst verschiedene Gelenksfehlentwicklungen, wie
– Brüche von Knochenfortsätzen des Ellbogengelenkes (isolierter Processus anconaeus, frakturierter Processus coronoideus medialis),
– Auftreten von Gelenksknorpelschuppen (Osteochondrosis dissecans),
– Inkongruenz von Gelenksflächen und Stufenbildung zwischen den Gelenksflächen von Speiche und Elle.
Wie bei der HD sind entweder junge oder bereits erwachsene Hunde betroffen und zeigen Schmerzen und Lahmheiten an der jeweiligen Vorderextremität. Auch bei der ED ist eine frühzeitige Diagnose durch Röntgenuntersuchungen wichtig. Die Therapie richtet sich nach der jeweiligen ED-Form und reicht von konservativen bis zu operativen Maßnahmen. Bei vielen ED-Formen muss möglichst frühzeitig operiert werden, um ein lahmheitsfreies Gangbild im Erwachsenenalter des Tieres zu ermöglichen. Hier ist besonders die Arthroskopie (Gelenksspiegelung) zu empfehlen, die nur wenige Millimeter lange Hautschnitte hinterlässt und den Vorteil besitzt, dass der Hundepatient nach der OP weniger Schmerzen empfindet und sich so im Vergleich zur konventionellen Chirurgie wesentlich rascher regeneriert.

Osteochondrose
Eine weitere erblich bedingte, schon im jugendlichen Alter auftretende Erkrankung der Schulter-, Ellbogen-, Knie-, Sprung- oder Wirbelgelenke ist die sogenannte Osteochondrose (OD). Dabei entsteht eine noch mit dem gesunden Gelenksknorpel in Verbindung stehende oder völlig losgelöste Knorpelschuppe, die dann als „Gelenksmaus" bezeichnet wird. Wie bei den vorgenannten Erkrankungen treten Lahmheit und Schmerz im betroffenen Gelenk bereits im jugendlichen oder erst im erwachsenen Alter auf. Bei der OD sind eine möglichst frühzeitige Diagnose und Operation (Arthroskopie!) im Hinblick auf eine gute Prognose wichtig. Dabei wird die Knorpelschuppe aus dem Gelenk entfernt und eine Curetage des Defektbettes durchgeführt.

Patellaluxation
Die Verlagerung der Kniescheibe, d.h. eine Patellaluxation nach außen oder innen, ist in den meisten Fällen erblich bedingt. Sie tritt gehäuft bei klein- bzw. zwergwüchsigen Rassen (meist mit Verlagerung nach innen) oder bei großwüchsigen Hunderassen (Verlagerung nach außen) auf. Charakteristisches Symptom ist das zeitweilige Hochheben der betroffenen Hinterextremität und Gehen auf 3 Beinen. Die Diagnose erfolgt in erster Linie durch eine orthopädische Untersuchung. In schweren Fällen muss die Kniescheibe durch eine geeignete OP im Erwachsenenalter wieder in die richtige Bahn gebracht werden.




>>> WUFF – ÜBERSICHT


Gelenks- und Skeletterkrankungen des Hundes
in WUFF 2/2003
GELENKSERKRANKUNGEN:
– Hüftgelenksdysplasie
– Ellbogengelenksdysplasie
– Osteochondrose
– Patellaluxation
in WUFF 3/2003
– Legg-Calvé-Perthes-Erkrankung
– Gelenksentzündungen
– Arthrosen
– Gelenksverletzungen
SKELETTERKRANKUNGEN:
– Kraniomandibuläre Osteopathie
– Hypertrophe Osteodystrophie
– Panostitis eosinophilica
– Verletzungen
– Knochentumoren
– Entzündungen




>>> WUFF STELLT VOR


Der Autor

Dr. Klaus Lehmann ist ehemaliger Assistenzarzt an der Klinik für Chirurgie und Augenheilkunde der Veterinärmedizinischen Universität Wien, jetzt freiberuflich tätig im Tierambulatorium Wiener Neustadt, Tierärzte Mag. Michaela und Dr. Klaus Lehmann
Grazer Straße 46, A-2700 Wiener Neustadt.
Tel.: 02622-83003 Notfall: 0699-12622500
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