Die große Diskussion: Die Kastration von Hunden – Pro und Kontra

Von dogodu-Redaktion

Mehrere Artikel über die Kastration von Hunden aus verhaltensbiologischer sowie aus ­gesellschaftspolitischer und Tierschutzsicht haben unter WUFF-Lesern zu einer engagierten ­Diskussion geführt, der wir gerne Raum geben.

Die Verhaltensbiologie hat ­nachgewiesen, dass die ­Kastration von Rüde oder Hündin zum Zwecke einer Ver­haltensänderung nur in wenigen Ausnahmefällen gerechtfertigt ist (s. WUFF 12/2010 und 2/2011). Zudem würde eine Frühkastra­tion die normale Entwicklung des Tieres verhindern. Gegen diese verhaltens­biologische Ansicht steht die vieler Tierschützer, die aus „gesellschaftspolitischen“ und ­Tierschutzgründen durchgehend die Kastration empfehlen, in erster Linie zum ­Zwecke der Vermeidung ungewollten ­Nachwuchses und dem damit verbundenen Hundeleid (WUFF 6/2011). Und genau dies, nämlich die ­„Verhütung der ­Fortpflanzung“ (TSchG §7, Abs.2) gilt in Österreich auch als gesetzlich erlaubte Aus­nahme vom ­allgemeinen Verbot ­chirurgischer ­Eingriffe bei Tieren ohne diagnos­tische oder ­therapeutische Gründe. Ein ­ähnlicher Passus findet sich auch im ­deutschen Tierschutzgesetz – auch hier wird als Ausnahme vom Verbot des ­Amputierens von Körperteilen die „Verhinderung der unkontrollierten Fortpflanzung“ (TSchG §6, Abs.5) genannt. Dennoch wird die Rechtmäßigkeit der Kastration aus diesen Gründen in Deutschland stark ­diskutiert.

Hundehalter sind nun mit unterschiedlichen Ansichten von Verhaltensbiologen, Tierärzten, Juristen und Wissenschaftlern konfrontiert. Viele machen sich dazu ihre eigenen Gedanken, nahezu alle in der WUFF-Redaktion eingetroffenen Reaktionen sind gegen die Kastration. Recht einhellig ist die Meinung, dass die Fortpflanzungskontrolle natürlich zur Aufgabe eines verantwortungsvollen Hundehalters gehöre. Und zudem wisse man heute sehr viel mehr als früher über die Auswirkungen einer Kastration auf den hundlichen Organismus Bescheid. So meint Brita Günther aus Remscheid, dass man zum Wohle unserer Hunde diesen ­wissenschaftlichen Erkenntnissen mehr Aufmerksamkeit schenken solle, denn sie würden klar auf­zeigen, wann eine Kastration in Bezug auf Verhaltens­änderungen erfolg­ver­sprechend sei und wann nicht. Und die Kastration aus ­Tierschutzgründen zur Verhütung unkontrollierten ­Nachwuchses? Dazu die Hundehalterin aus Remscheid: „Ich bin als scheinbar seltene Spezies der ,Nicht-Blauäugigen’ sehr wohl in der Lage, die Läufigkeit meiner Hündin zu erkennen und diese auch vor einer ungewollten Trächtigkeit zu bewahren.“

Aber bedeuten läufige Hündinnen nicht ständigen Stress für Rüden und leiden Hündinnen nicht auch unter ihrer Läufigkeit? Ein eindeutiges „Nein“ kommt dazu von Kerstin ­Lübker. Die Halterin von drei intakten, also unkastrierten Hunden, einem Rüden und zwei Hündinnen, sieht bei ihren Tieren keinerlei Probleme mit Läufigkeiten. „Während der Standhitze wird halt getrennt und gut ist’s. Der Rüde Artus jammert nicht mal großartig, um nicht zu sagen, gar nicht. Weder zu Beginn noch zum Ende der Hitze der Hündinnen zeigt er ein auffälliges Verhalten. Wozu also sollte ich kastrieren lassen?“ Kerstin Lübker kennt auch andere Hundehalter mit intakten gemischten Rudeln, auch dort würde alles ohne Stress abgehen. „Wenn man nur will!“, fügt sie hinzu. Hingegen kenne sie in ihrem Dorf einige Leute, die geplant Mischlingswelpen produzieren. Hier wäre das Problem und hier sollte man ansetzen, „anstatt gleich alles zu kastrieren, was nicht bei Drei auf dem Baum ist.“ Echte ungeplante Unfälle seien eher die Ausnahme, so Kerstin Lübker. Und wenn man schon kastrieren wolle, dann „doch bitte erst dann, wenn der Hund erwachsen geworden ist! Frühkastrierte Tiere bleiben ewige Welpen, was ich als absolut nicht artgemäß finde. Dazu kommt ja noch, dass kastrierte Rüden oft sogar von Hündinnen angemacht bzw. angezickt werden.“ So kann die Halterin dreier Hunde berichten, dass sogar ihre sonst sozial sehr gut verträglichen Hündinnen kastrierte Rüden eher nicht mögen. Zudem würden v.a. ­frühkastrierte Rüden oft von intakten Rüden be­stiegen werden, was dem Sozialverhalten sehr abträglich sei.

Alternative Vasektomie
Sonja Langguth aus Berlin hält einen zweijährigen Pudelrüden. Ende dieses Jahres soll eine Hündin dazu kommen. Wie denkt sie über die Kastration ihres Rüden? Sonja Langguth: „Eine Kastration wollten wir auf jeden Fall vermeiden, da wir beobachtet haben, dass insbesondere frühkastrierte Hündinnen und Rüden deutliche Wesensveränderungen im Vergleich zu ihren nichtkastrierten Artgenossen zeigen. Wir möchten, dass unsere Hunde auch geistig reifen.“ Dennoch, einen unbeabsichtigten Wurf 100%-ig auszuschließen traut sich die Berlinerin nicht zu und hat auch eine alternative Lösung zur Kastration parat, die Vasektomie: „Bei diesem Eingriff wurden bei unserem Rüden lediglich die Samenleiter durchtrennt, die Hoden blieben erhalten und Hormone werden weiterhin produziert. Die Operation verlief komplikationslos, und unser Hund war schon am nächsten Tag wieder vollkommen fit.“  Vor allem in Anbetracht der Auswirkungen, die eine Kastration auf Wesen und Gesundheit des Hundes hat, sollte sie nur in Ausnahmefällen durchgeführt werden, meint Sonja Langguth.

Die Sorge der negativen gesundheitlichen und psychischen Aus­wirkungen der Kastration bei Rüden und Hündinnen steht tatsächlich bei vielen Leserreaktionen an erster Stelle. „Ist nicht so einfach mit  ,alles raus und gut ist’s‘, denn Hündinnen, die frühkastriert werden, haben oft Haarprobleme bzw. entwickeln auch eine Inkontinenz“, sagt Kerstin Lübker und berichtet aus eigener Erfahrung: „Meine damalige Mixhündin war auf Grund medizinischer Probleme frühkastriert worden und wurde prompt inkontinent.“

Aktueller Zwischenstand der ­Diskussion
Bei überwiegender Beteiligung ­weiblicher und nur weniger männ­licher WUFF-Leser an der Diskussion wird die Kastration aus nicht-­medizinischen Gründen von Hundehalterinnen und -haltern gleichermaßen vehement abgelehnt. Das verblüfft etwas, weil bislang der Eindruck vorherrschte, dass Frauen eher für die Kastration – zumindest von Rüden – eintreten würden als Männer. Hier scheint die Wissenschaft einen Meinungsumschwung unter Hundehaltern bewirkt zu haben. Gründe für die Ablehnung der Kastration sind deren negative Auswirkungen auf Gesundheit und Verhalten. Als Maßnahme zur Ver­hinderung von unerwünschtem Nachwuchs wird einerseits an die Verantwortung des Hundehalters appelliert und andererseits die Vasektomie und/oder Teilkastration von Hündinnen empfohlen.

Die WUFF-Leserdiskussion zum ­Thema Kastration wird aufgrund des ­großen Interesses weitergeführt. Wenn Sie sich daran beteiligen ­möchten, raten wir zur vorherigen Lektüre der ­entsprechenden Artikel zur ­Kastration in WUFF 12/2010 sowie WUFF 2/2011 und 6/2011. Schreiben Sie uns Ihre Meinung und Ihre ­Erfahrungen mit kastrierten oder unkastrierten Hunden: redaktion@wuff.at.

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