Des Pudels Kern

Von Dr. Hans Mosser

Pudel scheinen auf Menschen immer schon eine ganz ­besondere ­Faszination ausgeübt zu haben. Ob auf den deutschen Philosophen ­Arthur Schopenhauer, den sein Pudel Butz stets begleitete, und den er als den besseren Menschen ansah, oder Johann Wolfgang v. Goethe, der Mephisto in Gestalt eines schwarzen Pudels dem Dr. Faust begegnen ließ. ­Diskussionen über Pudelschuren verstellen nicht selten den Blick auf das wahre Wesen des Pudels, auf des Pudels Kern, der in folgendem Porträt zu Tage treten soll.

„Den Pudel zu beschreiben erscheint unnötig, da er so ausgezeichnet ist, dass jedermann ihn kennt.“ So beschreibt Alfred Edmund Brehm (1829–1884), Verfasser des nach ihm benannten Tierlexikons „Brehms Tierleben“, den Pudel. Dann zitiert Brehm in seinem Werk aus einem Buch des tierschutzengagierten Schweizer Pfarrers und Professors Peter Scheitlin, der über den Pudel schreibt: „Schon körperlich ist er zu allen Künsten vorzugsweise geeignet. Tanzen kann er von selbst lernen; denn seine halbmenschliche Natur treibt ihn, sich an seinem Herrn aufzurichten, auf zwei Beine zu stellen und aufrecht zu gehen.“ Und später weiter: „Der Pudel ist der geachtetste und auch beliebteste Hund, weil er der gutmütigste ist.“ (Scheitlin 1840)

Scheitlin schreibt in seinem Buch in ­großer Begeisterung vom Pudel, der zu seiner Zeit, also etwa um die Mitte des 19. Jahrhunderts, offensichtlich ein ­äußerst beliebter Hund von hohem Ansehen war. Diese hohe Popularität führte dazu, dass der Pudel damals zum ­Synonym für Hunde überhaupt wurde. Und dies wiederum wird wohl die ­Ursache sein, dass sein Rassename starke „Pfotenabdrücke“ im deutschen Sprachschatz hinterlassen hat. Aus­drücke wie „ein begossener Pudel“, „pudelnass“, „Pudelmütze“ sind Teil ­unserer Alltagssprache, und durch ­Johann Wolfgang v. Goethe kam der Pudel auch zu dichterischen Ehren. In Goethes Drama „Faust“ ließ er ­Mephisto als schwarzen Pudel auftreten. Als dieser sich schließlich in Fausts  Studierzimmer offenbart und aus dem Pudel der Teufel wird, ruft Faust überrascht aus: „Das also war des Pudels Kern!“

Auch im Wienerischen kommt der Pudel vor: So steht der Ausdruck „sich aufpudeln“ für sich aufregen, sich wichtig machen, sich auf die Hinterbeine stellen, wobei Letzteres der Pudel ja tatsächlich ausnehmend gerne tut.

Der „begossene Pudel“ stammt wohl aus der Zeit, wo Pudel bzw. pudel­ähnliche Hunde als Wasserhunde zur Jagd benutzt wurden. Vergleicht man einen nassen Labrador Retriever mit einem nassen Pudel, dann versteht man wahrscheinlich den Ausdruck „pudelnass“ besser. In einer wissenschaftlichen Arbeit über den ph-Wert und den Fettgehalt von Hunden, wobei u.a. Labrador und Pudel untersucht wurden, zeigt sich, dass der Pudel über deutlich weniger (wasserabstoßendes) Hautfett verfügt (Dunstan 2002). Dadurch dürfte offenbar des Pudels Fell viel leichter durchdringend nass werden können als das anderer Hunde.

Von Wasser leitet sich mehr oder weniger auch der Name der Rasse ab. ­„Pfudel“ ist ein altdeutsches Wort für Teich oder Wasserpfütze – so sagte man zu einem Froschteich früher auch Froschpfudel (Räber 1991).

Über den Ursprung des Pudels
In vielen Sekundärquellen zum Pudel wird darauf hingewiesen, dass der Name Pudel zumindest bereits 1779 aufgetaucht sei, als der Zoologe Pater Christopher Kluk in seinem Buch über Tierkunde einen zottigen Hund folgendermaßen beschrieben habe: ”…die Pudel, meist mittelgroß, zottig, sind sehr kluge Hunde mit fast menschlicher Intelligenz. Kein anderer Hund kann es mit ihm beim Hüten der Herde aufnehmen.”

Der Berner Zoologe Theophil Studer beschäftigte sich in seinem Buch „Die prähistorischen Hunde in ihren Be­ziehungen zu den gegenwärtigen Rassen“ wie kaum ein anderer intensiv mit der Herkunft des Pudels und kam zu dem Schluss, dass er aus einer Kreuzung zotthaariger Hütehunde mit Jagdhunden entstanden sei (Studer 1901). Mit dieser Ansicht Studers gehen nahezu alle nachfolgenden zoologischen und kynologischen Generationen konform. Stets verwiesen wird aber auch auf die Verwandtschaft mit Wasserhunden, für welche ein gelocktes Fell ­charakteristisch ist. So soll der Pudel auf den Portugiesischen Wasserhund zurückzuführen oder zumindest mit ihm nahe verwandt sein, der früher als Helfer der Fischer an der Algarve seine Dienste verrichtete.

Obwohl viele Kynologen der Meinung sind, dass der Pudel in Deutschland entstanden sei, gilt für den Weltdachverband kynologischer Vereine (FCI) der Pudel als „Franzose“. Dies deswegen, weil der französische Wasserhund Barbet als einer der Vorläufer des Pudels angesehen wird. Barbets, die sich ihrerseits aus den Portugiesischen Wasserhunden entwickelt haben sollen, gab es in Europa seit dem Mittelalter, und der Rassename Barbet ist seit dem 16. Jahrhundert bekannt. Heute gibt es nur mehr wenige Exemplare dieser Rasse, die aber – wie auch der Portugiesische Wasserhund – immer noch unter dem Dach der FCI gezüchtet wird.

Besonderheit der Haare des Pudels
Dass Pudel im Gegensatz zu anderen Hunderassen nicht „haaren“, also keinen Fellwechsel kennen sollen, bezeichnete der große Kynologe und seinerzeitige WUFF-Autor Hans Räber als Unsinn. Den Hund, der sein Haar nicht wechselt, gäbe es nicht, so Räber: „So wechselt auch der Pudel sein Fell, aber wegen seiner besonderen Haarstruktur bleibt das abgestoßene Haar im Pelz hängen und würde bei mangelnder Pflege bald mit dem gesunden Haar verfilzen“ ­(Räber 2001). Auf diese Weise sei ja auch der sog. Schnürenpudel entstanden. Die „Schnüre“ würden sich dadurch bilden, dass das Althaar nicht ausfällt, sondern sich mit dem nachkommenden neuen spiralförmigen Haar verzahnt. Damit es dabei zu keiner Verfilzung kommt, ­müsse dieser Vorgang pflegerisch be­gleitet werden (Haltenorth 1958).

Dagegen sprechen neuere Forschungen davon, dass aufgrund einer genetischen Variante das Haar des Pudels ähnlich dem des Menschen sei und ständig wachsen würde (Credille 2000). Daher ist das regelmäßige Scheren des Pudels und die Pflege seines Haarkleids von großer Bedeutung, andernfalls es zu einer Verfilzung des Fells kommt.

„Der Pudel ist meist halbgeschoren“
Bei der Pudelschur scheiden sich die Geister. Für die Einen Ausdruck not­wendiger Pflege, für die Anderen un­nötiger modischer Unfug, der den Hund der Lächerlichkeit preisgibt. Tatsächlich aber ist die Schur des Pudels keine Modeerscheinung unserer Tage, sondern hat historische Wurzeln. Die sog. ­Löwenschur, bei welcher das Fell nur der hinteren Hälfte des Hundes abgeschoren wird – von den ­Hinterbeinen bis zu den Rippen –, findet sich auf vielen historischen Zeichnungen. Auch der Dichter Wilhelm Busch kennt den Pudel so und dichtet in seinem „Naturgeschichtlichen Alphabet“ beim Buchstaben P: „Der Papagei hat keine Ohren, der Pudel ist meist halbgeschoren.“ Die o.a. Löwenschur ist nur eine von vielen Schur-Varianten des Pudels, eine Darstellung der verschiedenen ­Schuren würde den Rahmen dieses Porträts sprengen, daher wird auf die umfassende Pudel­literatur verwiesen.

Vier Größen und fünf Farben
Den Pudel gibt es in vier Größen­varianten: Den Großpudel (Schulterhöhe über 45 – 62 cm), vielerorts auch ­Königspudel genannt, sowie den Kleinpudel (über 35 – 45 cm), den Zwergpudel (über 28 – 35 cm) und den Toy-Pudel ­(unter 28 cm, idealerweise 25 cm groß). ­Während die früheren Wasserhunde, mit denen der Pudel, wie schon erwähnt, verwandt sein soll, fast ausschließlich schwarz ­gelockte Hunde sind, gibt es den ­Pudel lt. FCI-Standard neben der Farbe Schwarz auch in Weiß, Braun, Silbergrau und Apricot.

Pudelklubs und Pudelfreunde
Der älteste deutschsprachige und ­Europas größter Verein für den ­Pudel ist der 124 Jahre alte Deutsche ­Pudel-Klub (DPK), der aus einem 1893 erfolgten Zusammenschluss einiger Pudelzüchter in München entstand. Seine Obfrau für Öffentlichkeitsarbeit, Heidrun Holland, von WUFF um eine knappe ­Beschreibung der für sie charakteristischen Pudelmerkmale gebeten, kommt ins Schwärmen: „Der Pudel ist originell, sehr gelehrig, stets wachsam und besticht durch seine anmutige, stolze Erscheinung, die in der Bewegung durch sein tänzelndes Gangwerk noch mehr zur Geltung kommt. Seine dunklen mandelförmigen Augen vermitteln einen munteren Eindruck voll Feuer und Intelligenz.“

Pudel scheinen in ganz besonderer Weise auf den Menschen bezogen zu sein. Dieser Umstand zieht sich durch die gesamte einschlägige Literatur. So wird der schon eingangs zitierte Aspekt der „halbmenschlichen Natur“ des Pudels (Scheitlin 1860) durch Heidrun Holland unterstrichen, die einen weiteren derartigen Aspekt des Pudels betont, nämlich „seine nahezu hellseherische Fähigkeit, sich der Stimmung seines Menschen anzupassen“, so Holland. Die Begeisterung für die Rasse ist der Presseobfrau des Deutschen Pudel-Klubs wahrlich nicht abzusprechen, genauso wenig wie die offenkundige Freude, mit der sich der Deutsche Pudel-Kub für seine Rasse einsetzt.

Pflege eines Pudels
Wer sich für die Aufnahme eines Pudels in seine Familie interessiert, sollte einige Voraussetzungen mitbringen. Denn, wie viele Pudelhalter erklären und wie sich schon aus dem Kapitel über das Haarkleid des Pudels ableiten lässt, bedarf der Pudel einer regelmäßigen Pflege. Rund alle 8 Wochen sollte ein Pudel geschoren werden und mindestens einmal wöchentlich gründlich gebürstet und gekämmt, betont Heidrun Holland, die selbst Pudel züchtet. Da sich ansonsten das Haarkleid des Pudels verfilzt, was weder angenehm für den Hund noch schön für den Halter ist, ist eine regelmäßige Pflege beim Pudel besonders ernst zu nehmen. Pudelklubs und Pudelfreunde, die man im Internet in diversen Foren oder in der Literatur findet, informieren neue Pudelinteressenten stets gerne.

Gesundheit
Der Pudel gehört zu den langlebigsten Hunderassen. Das durchschnittliche Alter liegt bei etwa 15 Jahren. Es gibt Vertreter, die noch älter werden. Typische erbbedingte Pudelkrankheiten würde es nicht geben, betonen Züchter und Vereinsfunktionäre, wenngleich sich in der veterinärmedizinischen Literatur einige Arbeiten über bestimmte Erkrankungen des Pudels finden. So zum Beispiel die Sebadenitis, eine entzündliche Erkrankung der Talgdrüsen mit Haarausfall und Schuppenbildung. Dabei soll es sich um eine Auto-Immunerkrankung handeln, die neben dem Pudel auch noch den Akita Inu und den Magyar Viszla häufiger betrifft als andere Rassen. Und wohl nicht ohne Grund ist für DPK-Züchter genauso wie für solche, die im ADP züchten, Pflicht, die Hunde vor einer Verwendung in der Zucht auf PRA, Patellaluxation sowie bei Großpudeln auf Hüftdysplasie zu untersuchen. Die PRA (progressive Retinaatrophie) ist eine Erkrankung der Netzhaut, die letztlich zur Erblindung führt, von der auch viele andere Rassen betroffen sein können. Die Patella-Luxation (Verrenkung der Kniescheibe) ist eine erbliche Krankheit, die bei vielen Kleinhunderassen auftritt, wovon auch die kleinen Pudelrassen nicht verschont sind, so wie die Hüft­dysplasie bei großen Rassen.

Auch wenn es in der Rassehundezucht trotz bester Bedingungen keine Garantie für absolute Gesundheit geben kann, so hat jeder Welpenkäufer dennoch bei seriösen Züchtern, die ihre Hunde entsprechend untersuchen lassen und nur gesunde Tiere in der Zucht einsetzen, die größte Chance, einen gesunden Pudel zu erwerben.

„Frisurenmodel“ oder echter Hund?
Aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit in Kombination mit ihrer großen Gelehrigkeit waren Pudel früher aus keinem Zirkus wegzudenken, Kunststücke von Zirkus-Pudeln waren legendär. Auch wenn sich die Diskussionen über den Pudel in der Hundewelt heute häufig auf das Thema Pudelschuren reduzieren, sollte nicht übersehen werden, dass der Pudel letztlich Eigenschaften als „Arbeitshund“ in sich vereint. „Er ist ein faszinierender Allrounder, der auch als Leistungshund lange Tradition und außergewöhnliche Qualitäten an den Tag legt“, betonte WUFF-Redakteurin Andrea Specht vor vielen Jahren in einem Artikel über die Großpudeldame Julchen. Julchen hatte mediale Berühmtheit erlangt, als sie dreimal vom Verein für Deutsche Schäferhunde den Wanderpreis für den „Besten Schäferhund“ errang. Anfangs von den anderen Hundesportlern noch belächelt, stahl die Pudeldame den Deutschen Schäferhunden bald die Show.

Ins selbe Horn stößt auch Pudelzüchterin und DPK-Presseobfrau Heidrun ­Holland: „Der Pudel ist – ob Toy-, Zwerg-, Klein- oder Großpudel – keineswegs ein Schoßhund, sondern möchte sinnvoll und ausgiebig beschäftigt werden“ und betont, dass er im Hunde­sport ein absoluter Allrounder sei. Und tatsächlich finden sich Pudel auch in den verschiedensten Disziplinen, ob Breitensport, Agility, Flyball oder sogar – wie Großpudeldame Julchen – im Schutzhundesport.

Des Pudels Kern
In der Zusammenfassung der Ergebnisse aller Recherchen bei den verschiedensten Quellen kommt unter dem wolligen – in welcher Form auch immer geschorenen – Haarkleid ein Hund zutage, der gefordert sein will und Bewegung braucht. Und es zeigt sich eine Hundeseele, „menschenähnlich“ wie manche sagen, jedenfalls von hoher Intelligenz, sprichwörtlicher Gelehrigkeit und großer Sensibilität.

Als körperlicher Aufenthaltsort von ­Mephisto wurde der Pudel durch ­Goethes Faust weltberühmt, doch soll hier – quasi als Fazit des Porträts – betont werden, dass dieser mephisto­phelische Aufenthalt eben ein nur temporärer sein konnte, denn zu gut ist die Seele des Pudels, um dauer­hafter Platz des Bösen sein zu können. Und so warten wir noch auf das Werk eines Dichters, in dem die Seele des Pudels sich als Hort eines Engelswesens ­offenbart …

Pdf zu diesem Artikel: pudel

 

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