Der Wolfhund

Von Anna-Caroline Hein und Hana Sanders

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Wölfe dringen immer weiter in unseren zivilisierten Lebensraum ein. Da ist der Schritt, sich einen Wolfhund als Haustier zu halten nicht mehr groß. Doch der Wolf ist und bleibt ein Wildtier. Alles über die Haltung von Wolfhunden lesen Sie in diesem Artikel.
Fakten kompakt
• Wolfhunde sind Wolf-Hund-Misch­linge mit unterschiedlich hohem genetischen Wolfsanteil.
• Ihre Haltung ist aufwändig, kompliziert und anspruchsvoll, da die Tiere scheu sind und einen starken Flucht­instinkt aufweisen.
• Es stellt sich die Frage, ob in Privat­hand eine artgerechte Haltung überhaupt möglich ist (Ausnahmen bestätigen die Regel).

Den Hund im Wolfspelz gibt es nicht. ­Mischlinge aus Wölfen und Hunden und deren ­Nachkommen sind im Allgemeinen schwer bis kaum in einer menschlichen Umgebung zu halten. Meist geht die „Wildtierromantik“ ins Auge, Ausnahmen sind selten.

Der Wunsch nach freier Natur, nach Wildheit und nach etwas Besonderem scheint bei vielen Menschen immer stärker zu werden. Wir würden nicht in einer Konsumgesellschaft leben, wenn sich nicht ­irgendwer auch diese Sehnsucht zunutze machen würde. Wo Nachfrage besteht, da entsteht Angebot. Dem Einen reichen der SUV und die groben ­Wildlederstiefel, der Andere bucht gleich die Wildwassertour oder das Hundeschlittentrecking durch Kanada. Manche gehören zu denjenigen, die sich den Traum vom Wolf im Wohnzimmer erfüllt haben. Natürlich keinen echten, keinen „reinrassigen“ Wolf. Es gibt aber Hunde, die so aussehen wie Wölfe – sogenannte Wolfhunde. Obwohl diese Tiere Mischlinge aus Wolf und Hund sind, handelt es sich dabei kaum um Direktkreuzungen (Hybriden). Die meisten der heutigen Wolfhunde haben Elterntiere, die ebenfalls Wolfhunde sind. Der reine Wolf liegt Genera­tionen zurück. Für Laien ist es schwierig, einen Wolfhund von einem echten Wolf zu unterscheiden, denn ihr wölfisches Erbe macht sich sowohl in ­ihrem Verhalten als auch in ihrer Optik bemerkbar.

Es gibt zwei von der FCI anerkannte Wolfhunderassen, den Tschechoslowakischen Wolfhund und den Saarloos Wolfhund, die einem festen Rassestandard folgen und oftmals als normale Haushunde gehalten werden können. Daneben gibt es jedoch auch diverse Mischlinge mit niedrigem bis sehr hohem Wolfsanteil, die, je nach Wolfsnähe, sowohl in ihrer Optik als auch in ihrem Verhalten kaum vom Wolf zu unterscheiden sind. Im Zusammenhang mit Wolfhunden liest man viele Vorurteile – sie seien ein „gefährlicher Trend“, „innerlich zerrissene Mischwesen aus Wolf und Hund“ und „unzähmbare Wildtiere“. Im Vergleich zu etablierten Hunderassen ist das Gefährdungspotenzial eines Wolfhundes – oder eines Wolfmischlings – für den Menschen gering. Die natürliche Vorsicht dieser Tiere, die bis zur Scheu vor Fremden führen kann, sorgt dafür, dass sie im Regelfall Flucht als bevorzugte Strategie wählen – der Ausweg führt nach hinten, nicht nach vorn. Fälle, in denen ein Wolfmischling Menschen stellt, ungebetene Gäste nicht hereinlässt oder sich zum Schutz seines Menschen eignet, sind ausgesprochen selten. Nichtsdestotrotz birgt die steigende Beliebtheit dieser Tiere Risiken und Gefahren – weniger für Menschen als viel eher für die Wolfhunde selbst. Denn das Verhalten und die Anforderungen dieser Tiere werden oftmals unterschätzt. Je größer die Nähe zum Wolf, desto weniger können sich die Tiere anpassen.

Von der Wildtierromantik zum ­Hundeleben
Nach dem Kauf solcher Tiere erleben die Neu-Wolfhundbesitzer häufig ihr blaues Wunder: die erste Zeit ist hart – und sie scheint nicht leichter zu werden. Der Traum vom Wolf bringt oftmals große Schwierigkeiten mit sich. Natürlich gibt es auch Menschen, die ­Probleme mit ihrem Beagle haben, doch bei einem Wolfhund spielen die Probleme oft in einer anderen Liga. Einen Hund, der mit 17 Monaten immer noch nicht wirklich stubenrein ist, hat man sich so nicht vorgestellt. Auch das Gehege, das nun nötig ist, aber nur bis maximal 1,80 Höhe bewilligt wird, damit es das Wohnbild nicht stört, war nicht geplant. Nachdem auch die Nachbarn keine Lust mehr auf tägliches Wolfsgeheul haben und die Wohnung bereits völlig angekaut und vollgekotet ist, steht sogar ein Umzug an. „Man braucht einfach etwas Galgenhumor bei diesen Tieren“, von ­Züchtern und Haltern hört man das immer wieder. Von jenen Züchtern, die damals auf dem halbzerfressenen Ledersofa mit diesen süßen, kleinen Welpen saßen – die erwachsenen Tiere waren draußen, im Gehege.

Mit dem wolfsähnlichen Aussehen geht oftmals ein wolfstypisches Verhalten einher – je mehr ein Wolfhund einem Wolf phänotypisch ähnelt, desto wahrscheinlicher ist es, dass auch sein Verhaltensrepertoire eher dem eines Wolfes entspricht; den Hund im Wolfspelz gibt es nicht. Neben den Wolfhunden, um die es in diesem Artikel geht, gibt es auch Rassewolfhunde. Die zwei eingangs erwähnten, FCI-anerkannten Wolfhunderassen haben ein klares Zuchtziel, eine einheitliche Optik, ein dem Rassestandard entsprechendes Verhalten und unterliegen einer klaren Überprüfung des zuständigen Landesverbandes. Im Gegensatz zu diesen Rassen gibt es für alle anderen Wolfhunde keinen Rassestandard. Es sind Mischlinge aus verschiedenen Wolfhunden, Wolfsunterarten und optisch möglichst wölfisch aussehenden Hunden. Es gibt keinen Verein, der die Gesundheit und das Wesen dieser Tiere überprüft.

Der Wolfhund fürs Wohnzimmer wird häufig zum Gehegetier
Wer sich einen Hund wünscht, der optisch nicht vom Wolf zu unterscheiden ist, sucht nach einem sogenannten „Amerikanischen Wolfhund“, einem sog. „High Content“. Das sind genetisch hochprozentige Wolfhunde, die nur noch einen geringen Hundeanteil aufweisen. Diese Wolfhunde sind Mischlinge aus verschiedenen Wolfs­unterarten, häufig aus dem Grauwolf, auch Timber­wolf genannt, Polarwolf, Hudson Bay Wolf und British Columbia Wolf, sowie aus verschiedenen Hunderassen, ­häufig nordischen Hunden wie Siberian ­Huskies, Alaskan Malamutes, aber auch aus Schäferhunden und Hütehunden. Auch bei den Amerikanischen Wolfhunden gibt es erhebliche Unterschiede: genetisch niedrigprozentige Hunde, Wolfhunde im mittleren Prozentbereich und „High Contents“, die sich genetisch, optisch und verhaltensspezifisch kaum von Wölfen unterscheiden.

Der Wolfsanteil bestimmt grundsätzlich die Intensität und Häufigkeit der wölfischen sowie hündischen Merkmale, jedoch kann auch ein ­niedrigprozentiges Tier – bedingt durch Sozialisation und Genetik – in seinem Verhalten wölfischer und daher schwieriger zu handhaben sein als ein hochprozentiger Wolfhund. Ein hochprozentiger Wolfhund, der unter ähnlichen Bedingungen gezüchtet und aufgezogen wurde wie ein niedrigprozentiger Wolfhund zeigt allerdings grundsätzlich deutlich ­wölfischere Attribute in Optik und Verhalten.

Je hochprozentiger das Tier, desto wahrscheinlicher lässt es sich nicht an einen normalen menschlichen Alltag gewöhnen. Sie speicheln oder erbrechen bei Autofahrten, fühlen sich sichtlich unwohl in unbekannten Umgebungen und verhalten sich bei ­Begegnungen mit fremden Menschen ängstlich bis ­panisch. Ab der Geschlechtsreife kommt es insbesondere bei männlichen höher­prozentigen Wolfhunden ­während der Wintermonate zur saisonalen ­Aggression, dem sogenannten „Winter-­Wolf-Syndrom“, auch die Unverträglichkeit gegenüber Artgenossen ist häufig. Im Gegensatz zu Hunden orientieren sich Wölfe und andere Wildcaniden nicht an dem Menschen, sondern ver­suchen, eigene Konfliktlösungsstrategien zu entwickeln. Unerwünschtes Verhalten ist bei höherprozentigen Wolfhunden durch konsequentes, gutes Training nur bedingt beeinflussbar, der Wolfhund lässt sich in seinen Veranlagungen nicht verändern.

Sobald den Haltern bewusst wird, dass das wölfische Verhalten sich nur geringfügig bessert und ihnen die nächsten 15 Jahre ein Leben voller Einschränkungen, finanziellen und freizeitlichen Einbußen bevorsteht, stehen viele dieser Tiere vor der Ab­gabe. Einige dieser Wolfhunde landen in der Wolfhundnothilfe „Camchatca“ bei Anna-­Caroline Hein. Derzeit leben dort sowohl Rasse­wolfhunde – die allerdings häufig leichter vermittelbar sind – als auch Wolfhunde im niedrigen, mittleren und sogar im sehr hohen ­Prozentbereich. Manche dieser Wolfhunde sind unvermittelbar, sie haben dort ihren Dauer­platz gefunden – draußen im ausbruchssicheren Gehege, Freilauf auf der eigenen Hundewiese. An Spaziergänge oder ein Leben im Haus ist meist nicht zu denken – zu viel Stress für die Tiere, die bei unbekannten Reizen panisch werden, die sich einkoten und um sich ­beißen, die das ganze Haus zerlegen und überall markieren – auch vor Türen und Fenstern machen sie keinen Halt. Die Voraussetzungen, ein scheues Tier so zu halten, dass es seine eigene Hunde­wiese hat, haben Privathalter in der Regel nicht. Auch die Vergesellschaftung mit Artgenossen ist schwierig. Wolfhunde sind nicht nur häufig unverträglich, sondern auch wählerisch.

Die meisten Tiere, die bei Anna-­Caroline Hein landen, kommen von Haltern, die sich verschätzt haben, oder direkt von Vermehrern, deren Tiere zu scheu oder zu schwierig waren. Auch dort zeigt sich das komplette Verhaltensrepertoire der Wolfhunde: Von Ausbruchsver­suchen über Angriffe auf gleichgeschlechtliche Hunde, Verwüstungen im Haus, durchgebissene Türen, demolierte Fenster bis zu riesigen ­Löchern im ­Gehegeboden, denn die Tiere graben gern.

Wer ein erfülltes Zusammenleben möchte, muss sich an den Wolfhund anpassen können
Unter Privathaltern gibt es auch gute Beispiele – nicht nur von Menschen, die sich niedrigprozentige Wolfhunde, die den größten Anteil der Wolfhunde in Deutschland ausmachen, halten, ­sondern auch bei den Besitzern von „High Contents“. Tiere, die mit einem Partner in einer abgelegenen Gegend ­leben, welche, die sogar für Film- und Fotoaufnahmen zur Verfügung stehen und die außergewöhnlich offen sind. Doch Wolf-Hund-Mischlinge, die am ­Alltag teilnehmen oder sogar ganz ­normal im Haus leben, sind Aus­nahmen.

Auch bei informierten und vorbereiteten Haltern gibt es Schwierigkeiten – sei es, dass der Traum vom Wolfhund mit einem überraschend scheuen Tier endet oder dass der finanzielle und private Druck nicht mehr aushaltbar ist. Dennoch gibt es immer wieder Menschen, die sich darauf – erfolgreich – einlassen, weil sie sich von der anmutigen Optik, aber auch von dem besonderen ­Wesen dieser Tiere angesprochen fühlen. Ins­besondere niedrigprozentige Tiere nehmen mitunter augenscheinlich ­normal am Alltag teil, sie leben in der Stadt, können ableinbar sein, spielen freudig mit anderen Hunden und sind integriert; doch auch das Leben mit solchen Hunden bedeutet Kompromisse, denn viele davon sind ängstlich oder können nicht allein bleiben.

Wolfhunde sind in vielerlei Hinsicht ein Luxusgut – sowohl die Anschaffungskosten als auch die Haltungskosten sind meist hoch und liegen weit über dem, was ein normaler Hund im Laufe seines Lebens kostet. Ein gutes Einkommen oder große Rücklagen, Arbeit von zu Hause aus, Interessen, die sich eher weniger auf das soziale Miteinander mit Menschen beziehen, und die Bereitschaft, mit einem Hund zu leben, der nicht zum Kuscheln ins Bett oder auf das Sofa kommt, sondern sich draußen im Gehege seine Streicheleinheiten holt, sind von großem Vorteil. Gelingt das Zusammenleben nicht, ist die Unterbringung in einer Auffangstation die Ausnahme, denn davon gibt es nur wenige. Das Leben mit ihnen bedeutet eine größtmögliche Anpassung an die Tiere, gerade sehr wolfsnahe Wolfhunde können sich in der Regel nicht an den Menschen anpassen.

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