Der Whippet – Liebevoller Alleskönner

Von Anna Hitz

Einst Rennpferd des armen Mannes, heute stilvoller ­Begleiter, der durch keine Extravaganzen besticht, außer der, dass er sich unauffällig in Szene setzt. Ein Hund ohne Übertreibung, weder am Wesen noch am Körperbau. Ruhig und verschmust im Haus, voller ­Esprit und Einfallsreichtum, wenn von der Leine gelassen. Der Whippet beeindruckt als liebevoller Alleskönner.

Der Whippet ist ein ruhiger und verschmuster Alleskönner. Vielleicht können Liebhaber dieser Rasse ihm deshalb so schwer widerstehen und bevorzugen es, meist zwei oder doch drei dieser fröhlichen Gesellen um sich zu haben. Denn es ist ein Leichtes, sich immer und immer wieder in diese umgänglichen Hunde, die es sich nach einem ausgiebigen Spaziergang am liebsten stundenlang auf Sofas, Betten oder weichen Decken gemütlich machen, zu verlieben. Was diesen moderaten Windhunden an Größe und Wachsamkeit fehlt, machen sie mit Eleganz, Geschwindigkeit und Loyalität wieder wett. „Ich bin beeindruckt von ihrem Mangel an Arroganz, ihrem enormen Enthusiasmus, ihrem tierischen Pragmatismus", erklärte der Maler Lucian Freud, der seine Whippets liebte und ihnen auf Ölbildern ein Denkmal setzte. Den tierischen ­Pragmatismus fassen die Züchter und Kenner der Rasse Ted Walsh und Mary Lowe zusammen: „Er benötigt die Sicht, um seine Beute in der Distanz zu erkennen, Geschwindigkeit kombiniert mit Balance, um zu galoppieren und sich dabei rasch zu wenden und zu drehen, die Ausdauer für eine lange Jagd, die Fähigkeit, die Beute in der Geschwindigkeit zu schnappen, und die Kieferkraft, sie zu halten und umzubringen, wenn sie gefangen ist. Und er muss gesund sein, der lahme Hund kann nichts fangen."

Muse, Jagdhund, Liebling, ­diese ­Stichworte begleiten die Rolle des Whippets durch die Jahrhunderte. Schon seit der Antike sind ­Abbildungen mittelgroßer Windhunde bekannt. Auch galt eben diese Größe für Kenner als die beste Jagdgröße, denn sie ließ sich gut für Klein- und Großwild einsetzen. Das bemerkten im 19. Jahrhundert auch die Grubenarbeiter in Nordengland, denen wir den modernen Whippet verdanken.

Geschichte
Die Jagd und die Rennbahn ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte des muskulösen Sprinters. Wahrscheinlich hat es schon lange Windhunde in der Größe des Whippets gegeben. Schließlich war der Windhund von Beginn an vielmehr ein Phänotyp, auf den selektiert wurde, und viel weniger eine Rasse. So wurden beispielsweise früher für die Beizjagd (Jagd mit dem Falken) größere Windspiele eingesetzt. Denn wie Rüdiger Daub ausführt, variierten die Windspiele früher größenmäßig zwischen den kleinsten Exemplaren des heutigen Windspiels und dem Whippet. Wobei die größeren Exemplare zur Jagd gingen und die kleineren die Damenwelt amüsierten. Aber auch kleinere Greyhounds sind von früher bekannt und auch heute noch auf der Rennbahn zu sehen. Ein berühmtes Beispiel hierfür ist die Greyhound­hündin Coomassie, die 1877 und 1878 den Waterloo Cup gewann. Sie hatte eine Schulterhöhe von 60 Zentimetern. Whippets erreichen durchaus eine Höhe von 56 Zentimetern, auch wenn es nach dem internationalen Rassestandard nicht erwünscht ist. Zusätzlich beschreibt Daub, dass es bis zur Französischen Revolution den Gemeinen Windhund gab, der allgemein zur Hasenjagd verwendet wurde und vermutlich eine breite Größen­varietät aufwies. Interessant sind auch die Worte von Walsh und Lowe: „Es ist eine Tatsache, umso größer ein Whippet wird, desto mehr fangen sie an wie kleine Greyhounds auszu­sehen, und was noch aufschlussreicher ist, sie fangen an wie Greyhounds zu galoppieren und nicht wie Whippets. Gleichzeitig neigen, die kleineren, feineren Whippets dazu, den runden Schädel, die vorstehenden Augen und die feinen Knochen des italienischen Windspiels zu haben." Es ist durchaus anzunehmen, dass es den mittel­großen Windhund seit Beginn der Windhundegeschichte gegeben hat.

Eigentlich ein Gebrauchshund …
Der Whippet, wie wir ihn heute ­kennen, wurde etwa seit 1830 von den Grubenarbeitern in Nordengland geprägt. Diese Leute brauchten kleine, wendige und griffige Hunde, um den Kochtopf und die Geldbörse zu füllen. Ersteres bei der Hasenjagd, Letzteres beim Rattenwürgen, Kaninchenschnappen, dem Coursing und auf der Rennbahn. Diese Hunde durften nicht zu viel Platz brauchen und nicht zu teuer im Unterhalt sein. Eigen ist den Whippets aus dieser Zeit, dass sie sehr unterschiedlich aussahen. Sieht man bei einigen Abbildungen deutlich den Terrier, hat man bei anderen eher den Lurcher, den Greyhound oder das Windspiel vor Augen. Diese Kombinationen wurden wohl auch bunt gemischt. Denn nicht das Aussehen war von Interesse, sondern einzig die Leistung. Auch vermutet Hans Räber (Kynologe und Buchautor), dass der Terrier, wie auch der Bull-Terrier regelmäßig eingekreuzt wurden. Denn wie er den Zeitgenossen W.D. Drury zitiert: „Die schnellsten ­Hunde wurden durch die Kreuzung mit Greyhounds produziert, aber die, die für das Kaninchen­coursing verwendet wurden, haben in der Regel Einfluss vom Bull-Terrier oder anderem Jagdblut, um ihnen Durchhaltevermögen zu geben; denn 31 Rennen an einem Tag zu laufen ist nicht nur ein Konditionstest, sondern auch ein harter Test für den Schneid."

Der Typus der ­Hunde wandelte sich mit den Sportmoden der ­Leute. Waren zu Beginn die Terriertypen bei der Kaninchenhetze gefragt, wurde am Ende nur noch für die Rennbahn und damit auf Geschwindigkeit selektiert. Der Geschwindigkeit fiel dann auch der rauhaarige Whippet zum Opfer, den es lange gegeben hatte, der jedoch vor den Rennen kahl rasiert wurde. Die Züchter ­hielten eben die ­glatthaarigen Hunde für schneller, weshalb sie schließlich auf die Zucht der ­Rauhaare verzichteten. Ab 1890 wurde der Whippet vom Kennel Club als Rasse anerkannt und 1955 wurde er von der Fédération Cynologique Internationale aufgenommen.

Aussehen
Auf den oberflächlichen Betrachter wirkt der Whippet wenig ­spektakulär. Doch wer ihn sich genau ansieht, wird feststellen, dass es sich um ein höchst ausgewogenes Kraftpaket handelt. Denn wirklich alles an ­diesem eindrucksvollen Hund zeigt den beherzten Athleten, der mit 65 km/h als schnellster Hund im Verhältnis zu seiner Größe gilt. Heinz Weidmann (Whippetzüchter und Ausstellungsrichter) fasst den idealen Whippet so zusammen: „Er ist anatomisch ­fehlerlos, verkörpert in seiner Gesamt­erscheinung eine „ausgewogene Kombination von Muskelkraft und Stärke mit Eleganz und Grazie der Umrisslinien" und ist „für Geschwindigkeit und Leistung gebaut". Also ein kräftiger und eleganter, substanzvoller, gut und trocken bemuskelter, sportlicher Hund. Er zeigt schon auf den ersten Blick die Konstitution und das Gepräge eines Kurzstrecken-Schnellläufers. Der Whippet beeindruckt im Ganzen durch harmonische Linien und Formen sowie große Ausstrahlung sowohl im natürlichen Stand als auch in der Bewegung. Der Rumpf erscheint gleich lang oder nur geringfügig länger als die Schulterhöhe."

Der Kopf ist leicht keilförmig und lang, mit kräftigem Fang und nach hinten getragenen Rosenohren. Der Hals ist elegant und fließt harmonisch in den Rücken über. Die Lendenpartie ist leicht gebogen, was einen zusätzlichen Schub in der Vorwärtsbewegung ermöglicht. Der tiefe, schmale Brustkasten bietet viel Raum für Herz und Lunge, ohne die Aktion der Beine zu stören. Sie haben langgezogene „Hasenpfoten", die sich ausgezeichnet für den raschen Lauf eignen. Laut Rassestandard sollen die Hündinnen zwischen 44–47 Zentimeter und die Rüden 47–51 Zentimeter Schulterhöhe haben. In Nordamerika ­dürfen Rüden bis zu 57 und ­Weibchen 55 Zentimeter erreichen. Das Fell ist kurz und glatt. Alle Farben und ­Musterungen sind zulässig, sodass der Whippet auch als Hund ohne Farbe bekannt ist. Es gibt auch eine langhaarige Variante, die jedoch Silken Windsprite oder Longhaired Whippet genannt wird.

Ein Sichtjäger
Sein Gang ist äußerst pragmatisch. Der Trab raumgreifend, frei von jeder hohen Aktion. Der Galopp zeichnet sich durch zwei Schwebephasen aus, während denen sich der ganze Hund in der Luft befindet. Sie ist bei Windhunden während des langgestreckten „Sprungs" und des zusammengebogenen „Schubs" zu beobachten. Der Whippet ist, typisch Windhund, ein ausgesprochener Sichtjäger. Dafür hat er ein überdurchschnittliches Hundeauge. Dank seines schmalen Kopfes und dadurch seitlich angelegter Augen sieht er in einem Radius von 250 Grad, während im Vergleich dazu Hunde mit bulligen Gesichtern und kurzen Schnauzen in einem Radius von 200 Grad oder wir Menschen 175 Grad sehen. Aber damit nicht genug. Auch die Fovea, eine Sehgrube auf der Netzhaut, die bei Säugetieren den Bereich des schärfsten Sehens bildet, ist anders ausgebildet. Bei uns ist die Fovea rund, bei Tieren, die auf offenen Ebenen leben, ein Strich. Dieser Strich hilft den Tieren den Horizont abzuscannen. „Wissenschaftler haben herausgefunden, dass von den bisher getesteten fleischfressenden Tieren die zwei schnellsten Tiere – der Gepard und der Greyhound – die am höchsten entwickelte Fovea haben. Ihre Foveas sind dichtgelagert mit Fotorezeptoren, die ihnen eine überdurchschnittliche Sehschärfe ermöglichen." Da der Whippet nahe mit dem Greyhound verwandt ist, ist es nicht verwunderlich, dass ihm keine Katze, kein Vogel und keine Maus entgeht.

Gesundheit
Der Whippet gehört zu den gesünderen Hunderassen. Das liegt einerseits an seiner moderaten Erscheinung, die bewusst von seinen Züchtern gepflegt wird. Zum anderen daran, dass er ein echter Sportler ist, der neben seiner Karriere als Zucht- oder Ausstellungs­hund oft auch ein bewegungsintensives Hobby pflegt. Etwas, was jedem Hund nur gut tut. Außerdem ist der Whippet, bestimmt auch wegen seiner praktischen Größe und seiner unkomplizierten Art, einer der beliebtesten Windhunde in Europa, England und in den USA, was zu einer großen Population führt, die eine relativ große Zuchtbasis ermöglicht. Trotzdem hat auch der Whippet mit engen Zuchtpraktiken zu kämpfen. Eine Vorbildrolle in Sachen Zuchtprogramm übernimmt Schweden. Seit 2003 arbeitet der schwedische Whippetklub mit dem Populationsgenetiker Per-Erik Sundgren zusammen und hat dadurch eine Zuchtstrategie etabliert, die zu einem durchschnittlichen Inzuchtkoeffizienten von 2.8% geführt hat. Ein Phänomen, das beim Whippet gelegentlich zu beobachten ist, ist das Bully Whippet Syndrom. In diesem Fall baut der Hund überdurchschnittlich viele Muskeln auf. Es handelt sich hierbei um eine genetische Mutation, die sich vor allem bei reinen Rennlinien findet.

Mit üblichen gesundheitlichen Beschwerden, wie man sie bei jedem Hund findet, muss man natürlich rechnen. Doch sollten gutes Futter, frisches Wasser, ein geschützter­ ­Liegeplatz und ausreichend Bewegung es ermöglichen, 12–15 Jahre viel Freude an seinem sportlichen Be­gleiter zu haben.

Pflege
Das Fell des Whippets ist kurz und pflegeleicht. Am besten bürstet man es regelmäßig, um Schmutz und lose Haare zu entfernen. Außerdem gewöhnt sich der Hund dadurch an Berührungen am ganzen Körper, und als Besitzer bemerkt man schnell, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Die Krallen müssen regelmäßig kontrolliert und geschnitten werden. Natürlich brauchen Whippets ein hochwertiges Futter und immer frisches Wasser. Kausachen sind wie bei allen ­Hunden sehr wichtig. Neben dem ­positiven Effekt auf die Nerven (Kauen be­ruhigt) wird der Speichelfluss angeregt, was gut für die Zahnhygiene ist.

Bewegung ist ein Grundbedürfnis, und täglich ausgedehnte Spaziergänge bei jeder Witterung sind ein Muss. Bei empfindlichen Exemplaren gehören funktionale Hundemäntel zur Grundausstattung. Übergewicht schadet der Gesundheit des Whippets und ist äußerst unschön. Er ist ein Athlet und will es auch zeigen. Übrigens, ­Whippets fühlen sich in der städtischen Wohnung und im ländlichen Haus mit Garten gleichermaßen wohl. Hauptsache, es gibt warme, weiche Hundebetten und genug Gelegenheit, sich regelmäßig auszutoben.

Erziehung
Wie alle Hunde profitiert auch der Whippet von einer guten Erziehung, durch die Sie ihm eine Menge Frei­heiten schenken können. Sie gehören zu den führigeren Windhunden, die sich für unterschiedliche Hobbys begeistern können. Vielleicht liegt es daran, dass der Whippet eben nicht ganz Windhund, sondern auch zu einem Teil Terrier ist. Wobei nicht das Raubein oder der Wachhund sich durchgesetzt hat, sondern der berühmte „Will to please". Als sensibler Hund reagiert er gut auf positive Erziehungsansätze und wird sich bei übermäßiger Härte verschließen.

Auch allen Unkenrufen zum Trotz sind Windhunde nicht dumm, sondern eben Jagdhunde, die bis vor kurzem für die Jagd ohne Arbeit mit dem Menschen gezüchtet wurden und deshalb für sich selber denken können und es auch tun. Wenn Sie mit ihm ein Team bilden, werden Sie den Whippet problemlos erziehen können. Wollen Sie ihn jedoch nur von einer Position in die nächste navigieren, werden Sie ­keine Freude an diesem Hund und er nicht an Ihnen haben. Also seien Sie ein konsequenter, wie auch liebevoller Erzieher, mit dem Ihr Windhund viel Spaß haben kann. Und üben Sie von Beginn an am Rückruf, er wird Ihren Windhund aus so mancher ungewollten Situation herausholen.

Hobbys
In England galt der Whippet lange Zeit als fabelhafter Jäger, der ­Kaninchen, Hasen, Frettchen, Eichhörnchen, ­Ratten, Nerz und Fuchs auf den Leib rückte. Weshalb es sicher keine schlechte Idee ist, wenn Sie ihrem Whippet ein Hobby schenken. Denn als waschechter Jagdhund ­möchte der Whippet seine Stärken auch hin und wieder unter Beweis stellen. Rennvereine bieten für Windhunde die Ersatzjagd auf der Rennbahn oder das Coursing an. Doch Sie können diese klugen und sportlichen Hunde auch in der Hundeschule auslasten. Denn der Whippet begeistert seine Anhänger durch seine Vielseitigkeit. So findet man glänzende Athleten beim Agility, Obedience, Flyball, Frisbee und ­Longieren. Aber auch als Suchhunde können Whippets punkten.

Wer seine Freizeit mit dem Hund weniger vereinsorientiert gestalten möchte, findet in ihm einen fröhlichen Freizeitsportler, der einen als Trainingspartner zum Joggen, Wandern, zu ausgedehnten Spaziergängen, zum Langlaufen, aber auch zum Reiten gerne stundenlang begleitet und sich auch über jeden Ballwurf freut. Man sollte aber bei Aktivitäten in der freien Natur nie vergessen, dass der Whippet als typischer Sichtjäger stark reizorientiert ist und einem vorbeifliegenden Vogel, einer raschelnden Maus oder einer springenden Katze schwer bis gar nicht widerstehen kann. Sei es auf dem offenen Feld, das er liebt, oder durch Wald und Dickicht hinter Fuchs und Reh.

Nun ja – es gibt auch Whippets, die der Rennbahn ebenso wenig abge­winnen wie dem Mantrailingseminar. Sie ­wollen am liebsten einfach mit Ihnen auf dem Sofa schmusen. Denn in dieser Kate­gorie sind alle Whippets einsame ­Spitze.

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