Es gibt wenige Hunde, die optisch so auffallend sind wie der Weimaraner. Noch heute wird die Rasse hauptsächlich im Rahmen ihres alten Berufes, der Jagd, geführt.
Es wird diesmal ein kritischerer Beitrag werden. Kritisch den Menschen gegenüber, die sich diesen wunderschönen Vollblutjäger als Dekorations- oder Prestigeobjekt anschaffen. Kritisch den Züchtern gegenüber, die ihre Hunde an solche Halter verkaufen. Kritisch Haltern gegenüber, die glauben, ihren Weimaraner mit einem Zwei-Stunden-Spaziergang auszulasten oder den Hund am Rad „auspowern“ wollen. Diese Rasse hat anderes verdient, es sind die Aristokraten unter den Jagdhunden, die Könige der Wälder.
„Es ist zu bezweifeln, ob jemals irgendjemand daran gedacht hat, einen Hund zum Vorstehen abzurichten, hätte nicht etwa ein individueller Hund von selbst die Neigung verraten es zu tun …“, schrieb Charles Darwin 1859 in seinem Werk „Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl“. Nachweislich haben schon Jagdhunde im alten Griechenland dieses Verhalten gezeigt. Bereits um 400 v. Chr. beschreibt Xenophon in seinem Werk „Kynegetikos“ Jagdhunde, „die es nicht wagen, zu einem Hasen hin zu gehen, sondern stehen bleiben und zittern, bis der Hase sich rührt.“ Noch sieht Xenophon dies als „Fehler“ der Hunde an und man kann davon ausgehen, dass Individuen, die sich so verhielten, nicht lange überlebt haben. Schließlich waren zu dieser Zeit gänzlich andere Jagdhunde erwünscht. Zuchtauslese über Arbeitsleistung war vorrangig, Vorstehhunde gab es nicht.
Karl der Große und die Reform der Jagd
Auf den Spuren des Weimaraners müssen wir diesmal zurück in die Jahre Karls des Großen (747-814). Vor dieser Zeit hatte jeder Mann, ob Herzog, Fürst oder Bauer, das Recht, auf seinem Grund und Boden der Jagd nachzugehen. Als in der Regierungszeit Karls des Großen der Adel in Mitteleuropa immer mehr an Macht gewann, wurde der „kleine Mann“ in seinem Jagdrecht durch sogenannte Bannforste, das sind Wälder, die selbst der Eigentümer nicht mehr bejagen durfte, immer mehr eingeschränkt. Das Wild wurde in zwei Jagdarten eingeteilt. Die Großwildjagd, die nun ausschließlich dem Hochadel vorbehalten war, und die Niederwildjagd des niederen Adels. Ein Bauer hatte nun keine Rechte mehr, er musste sogar Hilfsdienste bei den großen Treibjagden ausführen und hatte die Hundemeuten der Adeligen zu füttern und zu versorgen. Selbstverständlich ohne Entlohnung.
Die Keltenbracke
Im Zuge dieser Jagdreform änderten sich nun auch die zur Jagd verwendeten Hunde. Wurden in Deutschland und Österreich bisher vor allem laut hetzende Hunde beschrieben, tauchten nun die ersten „Vorsteh-
und Vogelhunde“ auf. Hervorgegangen sind alle westlichen Brackenschläge ziemlich zweifelsfrei aus der alten „Keltenbracke“. Die Keltenbracke war ein recht großer, auf der Spur jagender Hetzhund, mit sehr langen, tief angesetzten Ohren. Zuchtziel war nun aber ein auf der Spur suchender und das Wild durch Vorstehen anzeigender Hund. Nun war das Vorstehen und „Zittern“, das Xenophon noch als Fehler beschrieb, also erwünscht. Meinen Recherchen zufolge kann man mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass auch der Weimaraner von der Keltenbracke abstammt.
Anthonis van Dyck (1599 – 1641) hinterließ uns ein Gemälde des Prinzen Rupert von der Pfalz aus dem Jahr 1631, auf dem neben dem Prinzen ein grauer Hund sitzt. Ob es sich hierbei schon um DEN Weimaraner handelt, wie wir ihn heute kennen, kann man nicht mit Sicherheit sagen. In Größe, Typ und Optik kommt der gemalte Hund dem modernen Weimaraner sehr nahe. Wie bei allen Rassen spielte damals die Fellfarbe der Jagdgebrauchshunde bei der Zuchtauswahl keine große Rolle. Selektiert wurde ausschließlich auf Arbeitsleistung. Aus diesem Grund gibt es auch keine wirklich aussagekräftigen Hinweise, ob zu dieser Zeit schon gezielt graue Hunde gezüchtet wurden. Auffällig ist aber, dass alle Herkunftstheorien des Weimaraners in engem Zusammenhang mit Königs-, Fürsten- und Herzogshäusern stehen.
Eine der Theorien zur Herkunft der Rasse besagt, dass der Weimaraner aus der Kreuzung von arabischen Windhunden mit dem St. Hubertushund im 13. Jahrhundert entstanden sein soll. Eine weitere Herkunftsgeschichte führt uns zurück in die Zeit Goethes, mit dem der Großherzog Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach um die 1790er Jahre nach Frankreich reiste und bei seiner Rückkehr nach Deutschland graue, französische Jagdhunde mitbrachte. Bekannt wurden die Hunde im ausgehenden 18. Jahrhundert als „Karl-August-Hunde“. Als leidenschaftlicher Jäger unterhielt der Großherzog selbstverständlich seine eigene Jagdhundezucht. Schlecht zu halten ist diese Theorie allerdings deswegen, weil auch in Frankreich zu dieser Zeit keine gezielte Zucht auf silbergraue Hunde stattfand. Die oft als Ursprungsrasse zitierten „Chiens gris“ des Königs Ludwig des Heiligen waren nicht silbergrau, sondern eher grauschimmel und eher langhaarig.
Eine andere Annahme der Herkunft führt nach Böhmen. Karl August soll im Zuge einer Badereise die Hunde bei den Fürsten Esterhazy und Auersperg v. Teplitz erstmals gesehen haben. Sehr angetan von deren außergewöhnlichen Jagdeigenschaften soll er mehrere gekauft und mit nach Weimar genommen haben. Stichhaltige Beweise hierfür sind, wie für die anderen Theorien auch, nirgendwo zu finden.
Kurzum: Der Weimaraner kann von so gut wie allen damaligen Vorstehhunden abstammen, bewiesen ist letztlich gar nichts. Eine gezielte Zucht auf eine bestimmte Farbe gab es definitiv nicht. Nur eines ist sicher, Urahn aller dieser Hunde ist die alte Keltenbracke.
Adel verpflichtet
Im ausgehenden 18. Jahrhundert war der Weimaraner so „elitär“ geworden, dass Kaiser Wilhelm I. sogar ein Gesetz erließ, dass nur derjenige Weimaraner halten dürfe, der mindestens in der 4. Generation adelig war. Aus der Zeit Kaiser Wilhelms I. stammen auch die ersten stichhaltigen Beweise für eine gezielte Zucht der silbernen Jagdhunde. Freiherr v. Wintzingerode-Knorr-Adelbarn züchtete in den Jahren um 1870 nachweislich silberne Weimaraner-Hunde. Zeitgleich gibt es Aufzeichnungen über die Zuchten des Jagdmalers L. Lindblohm mit seinen Rüden „Bravo II Lindblohm“ und „Hektor II Lindblohm“. Neben der Zucht des Amtsrates Pitschke ab der Zeit um 1881 unterhielt P. Wittekop aus Hachenhausen den größten Zwinger. Man kann also erst am Ende des 19. Jahrhunderts von einer gezielt auf „Farbe“ gezüchteten Vorstehhunderasse sprechen.
1880 tauchten die ersten Weimaraner bei einer Ausstellung in Berlin auf. Drei Zwinger gaben damals den Ton in der Weimaranerzucht an. Die Sanderslebener aus dem Zwinger vom Amtsrat Pitschke, die Weißenfelser aus dem Zwinger O. Bach und die Thüringer Hunde aus der Umgebung von Weimar. Bis zur Gründung des „Vereins zur Züchtung des Weimaraner Vorstehhundes“ am 20.06.1897 wurde die Rasse in der Klasse der Deutschen Kurzhaarigen Vorstehhunde gerichtet und auch als solche in die Zuchtbücher eingetragen.
Show-Weimaraner
Heute wird der Weimaraner in einer kurzhaarigen und einer langhaarigen Variante gezüchtet. Aus den USA schwappt wieder einmal ein kritisch zu sehender Trend zum „Show-Weimaraner“ nach Europa herüber. Eisenhower besaß eine Hündin mit Namen „Heidi“ und auch Frank Sinatra und Grace Kelly waren Fans dieser Rasse. Gänzlich abgewertet hat dann ein US-amerikanischer Fotograf die stolze Rasse, indem er sie in Kostüme steckte. Auch erfahrene Züchter wie Tanja Jäger sorgen sich um diese Entwicklung, Zitat: „In Amerika ist dieser Modetrend Weimaraner so verbreitet, leider auch mit vielen Beißvorfällen, dass es dort schon ein „Eden for Weimis“ gibt, mit Warnvideos; nicht sehr schön.“
Es ist für den Weimaraner zu hoffen, dass europäische Züchter nicht noch mehr auf diesen Modezug aufspringen, sondern ihre Rasse weiter als Gebrauchshund behalten. Ein Hoffnungsschimmer bleibt hier: Denn der Weimaraner kann nicht mit anderen Rassen gekreuzt werden, um durch Mischung mit sanfteren Rassen einen „ruhigeren“ Showhund zu kreieren. Die Hunde würden sofort das silberne Fell und die bernsteinfarbenen Augen verlieren.
Die langhaarige Variante
Der Österreicher Ludwig v. Mérey v. Kapos Mére (besser bekannt unter dem Pseudonym „Hegendorf“) half dem Langhaar-Weimaraner auf die Sprünge. Wurden langhaarige Hunde in den Gründerjahren des Weimaraner Vereins von den Züchtern getötet, weil sie als nicht reinrassig galten, konnte Hegendorf den Verein 1935 von der Qualität dieser Variante überzeugen und die Anerkennung und Eintragung in die Zuchtbücher erwirken. Während nun in Österreich u.a. Forstrat O. Stockmeyer langhaarige Weimaraner gezielt züchtete, wurde diese Varietät in Deutschland noch heftig bekämpft. Erst fast 30 Jahre später wurden, vor allem auf Drängen des damaligen Zuchtwartes K. Hartmann, der die Langhaarhündin
„Nina v. Brunneckerhof“ besaß, auch in Deutschland Langhaar-Weimaraner anerkannt.
Die Farbe
Beide Elterntiere müssen das von C. C. Little und E. E. Jones mit d* bezeichnete Gen zur sogenannten „Blauverdünnung“ tragen, da d rezessiv (zurücktretend) vererbt wird. Trüge ein Elternteil das für d zuständige Allel D*, wären die Welpen mit größter Wahrscheinlichkeit schwarz oder mehrfarbig. Hans Räber schreibt dazu, Zitat „Weil sich aber der Aufhellungsfaktor gegenüber dem Intensivierungsfaktor rezessiv verhält, konnte die Farbe nur auf dem Weg einer geschickten Inzucht gefestigt werden, wobei zu beachten war, dass der Aufhellungsfaktor bei fortgesetzter Inzucht zu einer schlechten Fellbildung und Anfälligkeit für Hautkrankheiten führt.“ Auch Richard Strebel schreibt bereits 1905, dass die blaue Farbe mit Nacktheit verbunden sei, sprich, den Hunden fallen die Haare aus. Erwähnt wird die Haarlosigkeit im Weimaranerstandard als ausschließender Fehler, genauso wie Hautkrankheiten oder Hautmissbildungen und Lederohren (haarlose Ohren). Es kommt also vor. Zur Gesundheit einer Rasse trägt dieses Verdünnungsgen also wirklich nicht bei.
Allein durch die Tatsache, dass alle Weimaraner das d tragen, kann es mit ziemlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass in die „moderne Population“, also ab etwa Mitte des 19. Jahrhunderts, eine andere Rasse eingekreuzt wurde. Weimaraner würden sich uns sonst nämlich als genau so bunt wie andere Rassen präsentieren. Auch hier muss man also davon ausgehen, wie bei fast allen anderen Rassen auch, dass in der neuzeitlichen Reinzucht keine anderen Rassen eingezüchtet wurden. Es war eine enge In- und Inzestzucht, die uns diese besondere Fellfarbe bescherte.
Die Eigenheiten
„Vielseitiger, leichtführiger, wesenfester und passionierter Jagdgebrauchshund mit systematischer und ausdauernder Suche; Nase von bemerkenswerter Güte. Raubzeug- und wildscharf, auch mannscharf, jedoch nicht aggressiv …“ So steht’s im Rassestandard geschrieben. Ein Widerspruch in sich: „mannscharf, jedoch nicht aggressiv“. Auch hier bezweifle ich zum wiederholten Male, dass Hunde das unterscheiden können. Schlechte Erfahrungen zeigten mir, wie „scharf“ ein Weimaraner, vor allem bei falscher Haltung werden kann.
Züchter müssten dazu verpflichtet werden, diese Rasse nur in erfahrene Hände abzugeben, die mit den Hunden das tun, wofür sie geboren wurden: jagen. Diesen Haltern muss man einfach nicht erklären, dass diese Spezialisten mehr verdient haben als ein Leben in komischen Kostümen vor einer Kamera oder als passendes Accessoire zum noblen Cabriolet. Tanja Jäger arbeitet und züchtet seit Jahren mit ihren Weimaranern, Zitat: „Als Züchter denke ich, einen Weimaraner als reinen Familienhund mit Spazierengehen, Schlafen, Schmusen zu halten, ist für diese anspruchsvolle Rasse eine Verschwendung und kann sich sehr leicht ins Negative wandeln. In einer Familie sind dann doch eher andere Rassen gut aufgehoben, nicht aber der Weimi mit seinem Schutztrieb“.
Bitte suchen Sie sich Ihren zukünftigen vierbeinigen Gefährten daher nicht nur nach der Optik aus. Natürlich sollte dem Halter sein Hund auch gefallen, doch darf das keinesfalls DAS Entscheidungskriterium sein. Leider lerne ich im Zuge meiner Arbeit als Hundetrainerin immer wieder Mensch-Hund-Gespanne kennen, die einfach nicht zusammenpassen. Selbstverständlich gibt es innerhalb jeder Rasse Ausnahmehunde.
Ich kenne wasserscheue Golden Retriever oder einen Husky, der nicht laufen will. Und ich kenne auch einen Weimaraner namens „Sam“, der nicht jagt; er rettet vielmehr junge Igel und beschützt verwaiste Eichhörnchen. Dieser Ausnahmehund kann nicht auf harten, kalten Böden oder stacheligen Teppichen liegen, er ist leidenschaftlicher DogDancer und damit wirklich zufrieden. Sam ist aber definitiv eine absolute Ausnahme. Vielleicht liegt es daran, dass er als Welpe auf einem Parkplatz verletzt ausgesetzt wurde, oder es hat ihm einfach noch niemand gesagt, dass er eigentlich ein Jagdgebrauchshund ist …