Der Wandel der Hunderassen

Von Dr. Hans Räber

Besonders eindrucksvoll ist der Rassenwandel beim Bernhardiner. Der berühmte Barry (Abb.) war zwar ein großer, aber normal gebauter und beweglicher Hund, der rund 15 Jahre alt wurde. Derart hochbetagte Bernhardiner sind heute kaum noch zu finden. Die ersten Hunde, die um 1660 als Wachhunde aufs Hospiz kamen, waren sog. „Küherhunde" aus den Walliser-Tälern. Es waren relativ große Hunde, deren Schädel nur unwesentlich vom Schädel eines Grauwolfes abwichen (Küherhund). Der Schädel des berühmten Barry zeigt nun schon eine deutliche Verkürzung des Oberkiefers, doch der Zahnschluss ist noch normal. Einsichtige Züchter, wie z.B. Heinrich Schuhmacher in Bern, wollten am alten Barry-Typ festhalten. Doch die Engländer, die damals horrende Preise für einen Bernhardiner bezahlten, kreuzten schwere Mastiffs ein, um Hunde mit möglichst „ausdrucksvollen" Köpfen zu erhalten, und damit setzte eine unerwünschte Schädeldeformation ein. Der Stopp wurde ausgeprägter, das Nasenbein immer kürzer und der Vorbiss immer ausgeprägter. Die Gegenüberstellung des Barryschädels mit dem Schädel eines modernen Hundes veranschaulicht, wie weit sich der heutige Bemhardiner vom alten Typ entfernt hat. Dass damit schwerwiegende Deformationen im Kieferbereich vorprogrammiert waren, nahmen die Züchter in Kauf. Die Zahnverankerung wurde schlecht, und bei extremer Verkürzung des Nasenbeins kam es zu einem unverhältnismäßigen Vorbiss.

Asymmetrische Schädel (siehe Abb.) sind keine Seltenheit, aber am lebenden Hund kaum sichtbar und deshalb toleriert. Der Rückweg zu einer vernünftigen Kopfform wird heute beschritten, aber die Sünden der Väter sind auch hier von nachhaltiger Wirkung. Der Standard gestattet immer noch einen Knick im unteren Augenlid, und der Rasseklub wollte bei der Neufassung des Standards unbedingt an einem „rautenförmigen" Auge festhalten, konnte dann aber überzeugt werden, dass das nichts anderes heißt als ein geduldetes erbliches Ektropium. Diese Extremformen sind m.E. gar nicht nötig, um den Bemhardiner als Rasse zu charakterisieren. Ich meine, auch ein solcher Hund (s. Abb.) ist unverkennbar ein Bemhardiner.

Bloodhound: Chronische Bindehautentzündung
Extrem wird dann das hängende Augenlid beim Bloodhound, bei dem es ausdrücklich als Rassenmerkmal im Standard aufgeführt wird (Abb.). Doch auch hier gibt es heute bereits Stämme mit einem normalen Lidschluss, freilich haben diese Hunde dann nicht mehr derart wulstige Stirnfalten, wie sie heute noch bei vielen Züchtern als unabdingbares Rassenmerkmal gelten. Bloodhoundbesitzer bestreiten, dass die chronische Entzündung der Bindehaut dem Hund Schmerzen verursache, er sei daran gewöhnt. Nun habe ich mich längstens an meine chronischen Rückenschmerzen gewöhnt, aber schmerzhaft sind sie trotzdem. Man sollte eben die Hunde fragen können!

Englische Bulldogge
Eine recht unglückliche Entwicklung hat die Englische Bulldogge durchgemacht. Sicher trauert niemand den einstigen „Bull-Baitings" nach, doch die Hunde waren damals beweglich und ausdauernd, wie uns das Bild der beiden Bulldoggen Crib und Rose (Abb.) zeigt, die als die Stammeltern der heutigen Bulldogs gelten. Noch 1930 war der Bulldog ein recht beweglicher Hund mit einem zwar schon kurzen, aber im Einklang mit der Körperform stehenden Schädel. Ein Hund mit dieser Schädelform hat heute auf einer Ausstellung keine Chancen mehr. Die Abbildung zeigt, wie ein heutiger Siegerhund aussehen muss. Dem kurzen Gesichtsteil entspricht dann eine starke Faltenbildung im Gesicht.

Schlimmer als die Verkürzung des Gesichtsteils des Schädels ist der Schädelumfang. Der Standard verlangt einen Kopfumfang, der der Schulterhöhe des Hundes entsprechen soll. Ein solcher Hund hat aber zur Zeit im Richterring keine Aussicht auf einen Titel. Ein Internationaler Champion der letzten Jahre hatte im konkreten Fall bei einer Schulterhöhe von 39 cm einen Kopfumfang von 57 cm! Dass bei solchen Köpfen und dem relativ schmalen Becken der Kaiserschnitt vorprogrammiert ist, verwundert kaum. Es sind heute auf dem Kontinent Bestrebungen im Gange, hier wieder zu einer vertretbaren Anatomie zurückzukehren. Wie ich mich jedoch auf der Cruft’s Dog Show überzeugen konnte, hält man in England nicht viel von einer solchen Rückkehr.

Bordeaux-Dogge
Eine ähnliche Entwicklung wie die Englische Bulldogge machte auch die Bordeaux-Dogge durch. Der Hund „Turk" (Abb), heute im Rothschild-Museum in Windsor ausgestellt, hatte einen zwar etwas verkürzten Gesichtsschädel, aber noch ein weitgehend normales Gebiss. Heute sieht das wesentlich anders aus. Das Gesicht ist extrem kurz geworden, und entsprechend katastrophal ist bei etlichen Hunden das Gebiss (Abb.).

Bassethound
Ein weiteres Beispiel einer ungesunden Überbetonung rassetypischer Merkmale ist der Bassethound. Die ersten Bassets, die von Frankreich nach England kamen, waren Hunde vom Typ des Basset-artésien normand (Abb.). Diese beweglichen Jagdhunde wurden nun mit Bloodhounds gekreuzt – fragen Sie mich nicht, wie das in der Praxis vor sich ging -, und das Ergebnis ist der heutige Basset, der in einer einigermaßen vernünftigen Form noch durchaus seinen Platz haben kann, aber ob der Hund mit seinen Hautwülsten an den Sprunggelenken und an den Vorderläufen Freude hat, wage ich zu bezweifeln. Massiv verändert wurde ebenfalls der Kopf. Aus dem gesunden Kopf des französischen Bassets wurde der faltige Kopf des Bassethounds (Abb.) mit den hängenden Augenlidern und den überlangen Ohren.

Der Chow Chow
Ein gutes Beispiel dafür ist der Chow Chow. Noch in den dreißiger Jahren hatte der Schädel eines Siegerhundes einen ernsten aber sympathischen Gesichtsausdruck. Ab 1950 wird der Schädel des Chow Chows sichtbar kürzer (Abb.), und damit ging eine wesentliche Veränderung des Gesichtsausdrucks Hand in Hand. Auch wenn man mir seitens eines Chow Chow-Richters attestiert hat, ich verstünde von Hunden nicht viel und insbesondere vom Chow Chow schon gar nichts, so wage ich doch zu bezweifeln, ob der Hund in der Abb. mit der Interpretation der Standardforderungen „Ernster Gesichtsausdruck" einverstanden ist.

Faltenbildung meist mit Hautkrankheiten kombiniert
Unter Beschuss geraten ist ebenfalls der Shar Pei. Ich meine, die Nilpferdschnauze und die kleinen, nach vorne geklappten Ohren charakterisieren ihn völlig genügend als eine eigenständige Rasse. Vernünftig gezüchtet, ist er ein durchaus normal gebauter und gesunder Hund (Abb.). Weil er aber zur Hautfaltenbildung neigt, haben unverantwortliche Richter daraus ein Rassenmerkmal gemacht. Über den Geschmack lässt sich streiten, aber über die mit einer derartigen Faltenbildung verbundenen Hautkrankheiten schweigt man sich aus.

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