Der Therapiehund

Von Liane Rauch

Therapeutischer Begleiter auf vier Pfoten

Es wurde wissenschaftlich bewiesen, dass Tiere einen erheblichen, positiven Einfluss auf die körperliche und geistige Gesundheit des Menschen haben. Hundehalter sind weniger oft erkältet, leiden seltener unter Übergewicht, die regelmäßigen Spaziergänge beugen Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor. Menschen, die mit Tieren leben, zeigen eine geringere Depressionsneigung, sind ausgeglichener und haben häufiger soziale Kontakte. Dieser positive Einfluss kann Therapien bei seelischen und körperlichen Krankheiten optimal begleiten. Seit neun Jahren arbeite ich mit meinen Hunden in drei Einrichtungen in der begleitenden Therapie.

Der Therapiehund und seine Aufgaben: Im Gegensatz zum Besuchshund wird der Therapiehund gezielt und aktiv in den Genesungsprozess des Patienten eingebunden. Diese Hunde müssen bei einem Einsatz selbständig agieren, Patienten immer wieder zu Bewegung oder zum Sprechen auffordern, im Notfall sogar aufwecken. Dies kann durch Pfoten oder Kopf auf die Beine des Patienten Legen, Anstupsen mit der Nase oder auch Geräusche wie Bellen oder Winseln auf Kommando geschehen.

Wir arbeiten hauptsächlich in folgenden fünf Einsatzfeldern:

• Demenzerkrankungen, z.B. Alzheimer
Alle meine Hunde arbeiten hier oft gleichzeitig mit. Wir motivieren die Patienten zu sprechen, sich zu erinnern und zu erzählen. Bei jedem Besuch binde ich Spiele in die Therapie ein, die bei den Patienten alle Sinne (Sehen, Hören, Fühlen, Riechen, Schmecken) stimulieren.

• Schlaganfallpatienten
Je nach Ausprägung der Auswirkungen müssen meine Hunde vor allem geduldig „zuhören“ können. Ist das Sprachzentrum betroffen, kann es zu ungewöhnlichen Lautäußerungen oder eben sehr langsamem Sprechen kommen. Während der dem Patienten individuell angepass­­ten Motorik-Übungen darf der Hund nicht ungeduldig werden. Um z.B. das gezielte Greifen beim Patienten zu trainieren und zu fördern, verwende ich kleine Leckerchen zum Befüllen von Spielzeugen, was am Anfang der Therapie schon mal „dauern“ kann. Da dürfen meine Hunde nicht unbeherrscht sein.

• Rückenmarksinfarkt, Lähmungen, Spasmen
Der Betroffene ist je nach Schwere der Symptome körperlich beeinträchtigt, bis hin zu mehr oder weniger ausgeprägten Lähmungen von Armen und Beinen. Mein Collie ist darauf trainiert, mit den im Rollstuhl sitzenden Patienten zu „tanzen“ (Rollie-Dog-Dance). Er motiviert die Patienten die Beine und Füße zu bewegen, die Arme zu strecken und zu beugen und den Oberkörper zu drehen. Dabei darf er weder scheu noch schreckhaft sein und muss selbständig mit dem Patienten arbeiten und diesen immer wieder aktivieren und motivieren.

• Depressionen, Burn-out, Angst und Phobien
Hunde wirken entspannend, lösen durch Streicheln ein Wohlgefühl aus und lenken ab. Bei unseren psychisch angeschlagenen Patienten setze ich am liebsten meinen kleinen Mischling Honey ein. Sie ist von ihrem Grundcharakter zurückhaltender und vorsichtiger als meine Rüden. Sie „schleicht“ sich eher dezent an die Patienten heran und kann schon auch mal eine Stunde auf dem Schoß sitzen und einfach nur „zuhören“.

• Chorea Huntington
Bei dieser erblichen Gehirnerkrankung leiden die Patienten unter dem Verlust einer kontrollierten Muskelsteuerung. Symptome am Beginn der Krankheit sind seelische Störungen, im weiteren Verlauf verlieren die Patienten die Kontrolle über Muskeln in Armen und Beinen, später über den ganzen Körper und die Mimik. Im Laufe meiner Arbeit habe ich festgestellt, dass vor allem Patienten im Anfangsstadium erheblich entspannter sind und die Muskelkontraktionen weniger werden, wenn ein Hund eng neben oder auf dem Patienten liegt. Der Hund muss absolut ruhig liegen bleiben und darf auch bei ausgeprägten Muskelzuckungen des Patienten keine Angst zeigen.

Der Therapiehund unterscheidet sich also wesentlich vom Besuchshund. Wie die Bezeichnung „Therapie“ schon ausdrückt, muss der Einsatz des Hundes eine Verbesserung der Symptome und/oder der Krankheit bewirken. Während des Einsatzes darf der Hund keinesfalls zu irgendetwas gezwungen werden. Der Hund muss freiwillig und selbständig mit dem Patienten arbeiten. Der Halter ist in der Regel außen vor und greift nur in Ausnahmefällen korrigierend ein.

Welche Rassen sind geeignet?
In der Regel können fast alle Hunde, Rasse-unabhängig, zum Therapiehund ausgebildet werden. Wichtig ist ein großer Wille mit Menschen zusammenzuarbeiten, mit Menschen etwas zu tun. Die Motivation des Hundes mit einem Menschen zusammenzuarbeiten kann nicht an einer Rasse fest gemacht werden. Ich setze sehr unterschiedliche Rassen ein, Collie, Sheltie, Deutsche Schäferhunde, Magyar Vizsla und Mischlinge.

Auch die Einsatzgebiete hängen vom Grundcharakter des Hundes ab. Während mein Sheltie ein ausgesprochen nervenstarker kleiner Mann ist, den ich sehr gerne bei Chorea Huntington-­Patienten einsetze, kommt mein kleines Mischlings-Mädchen wegen ihres eher zurückhaltenden Naturells bei an Depressionen erkrankten Menschen zum Einsatz.

Die Ausbildung zum Therapiehund
Frauchen/Herrchen, die sich mit ihrem Hund zum Therapiehunde-Team ausbilden lassen möchten, sollten sich einige Vorkenntnisse über die gesundheitlichen Einschränkungen der Patienten, mit denen sie in Zukunft arbeiten, aneignen. Dies kann über Fachliteratur und/oder Seminare geschehen.

Für den Hund gilt:
• Zuverlässiges Ausführen der Grundkommandos
• Der Hund darf nicht ungeduldig sein
• Absolute Verträglichkeit mit anderen Hunden, ggf. auch anderen Tieren, falls die Einrichtung über eigene Haustiere verfügt
• Eine enge und vertrauensvolle Bindung und Beziehung zum Halter
• Therapiehunde dürfen auch schon mal „aufdringlich“ sein.

Ich bilde meine und andere Hunde folgendermaßen aus:

• Welpen werden langsam an die Einrichtung heran geführt, indem wir nur die Lobby/den Eingangsbereich für sehr kurze Zeit besuchen.
• Grundausbildung bis zum Alter von ca. 12 Monaten. Erst da kann man abschätzen, wie sich das Wesen des Hundes in etwa entwickelt.
• Ist der Hund 1 Jahr alt, stellen wir ihm die ersten Patienten vor. Ich lehne einen Einsatz von Hunden die jünger als 1 Jahr sind absolut ab.
• Über die nächsten Monate (je nach Veranlagung des Hundes) werden die Besuche gesteigert und verlängert.
• Mit frühestens 2 Jahren, die Entwicklung des Hundes kann nun verlässlich eingeschätzt werden, gehen meine Hunde in „echte“ Therapieeinsätze.

Therapiehund übers Wochenende
Immer wieder bin ich entsetzt, wenn ich Angebote wie „In einer Woche zum Therapiehund-Team“ lese, die dann auch noch mit einem angeblichen Zertifikat abgeschlossen werden können. Die Kosten für solch eine Pseudoausbildung variieren von wenigen Hundert Euro bis hin zu mehreren Tausend Euro. Anbieter solcher Ausbildungen über diesen viel zu kurzen Zeitraum sind nicht seriös. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, was mit Hunden passieren kann, die keine solide Ausbildung genossen haben.

Wie lange können Hunde diesen Beruf ausüben?
Eine Altersbeschränkung gibt es hier nicht. Ist der Hund gesund, agil und hat Freude an seiner Aufgabe, kann er bis in ein hohes zweistelliges Alter zu Einsätzen gehen. Ich hoffe sehr, dass ich im letzten und in diesem Artikel den Unterschied zwischen Besuchshund und Therapiehund verdeutlichen konnte. In den letzten Jahren wurde die Ausbildung zum „Therapiehund“ fast schon zur „Mode“.

Für die Zukunft würde ich mir, als ­Therapiehunde-Halter und Ausbilder, eine bessere Regelung zur Ausbildung und zum Einsatz der Mensch-Hund-Therapie-Teams wünschen. Abgesehen von einer Handvoll seriöser Ausbildungsstätten und/oder Vereinen gibt es in Deutschland für diesen Bereich noch keine kontrollierten und anerkannten Ausbildungsstätten. Dies sollte sich ­meiner Meinung nach schnellstens ­ändern.

Berufsbild Therapiehund

Welche Rassen sind für diese Ausbildung geeignet?
Rassezugehörigkeit nicht maßgeblich. Gerne eingesetzt werden z.B. Border Collie, Collie, Sheltie, Labrador, Golden Retriever und alle Hunde, die gerne und konzentriert mit Menschen zusammen arbeiten wollen.

Welche Voraussetzungen sollte der Hund mitbringen, um diesen Beruf auszuüben?
Nervenstark, nicht schreckhaft, belastbar, Lärm-unempfindlich, menschenbezogen, keine Angst vor Berührungen, aktiv und eher temperamentvoller als der Besuchshund. Ein Therapiehund arbeitet häufig „alleine“, das heißt, der Halter greift höchstens korrigierend ein. Der Hund muss also ausgeprägte Eigeninitiative zeigen und auch ohne Halter motiviert und konzentriert mit den Patienten arbeiten können.

Wie lange dauert die Ausbildung?
Ich bilde folgendermaßen aus:
• Welpen langsam an die Einrichtung heran führen
• Grundausbildung, absolut zuverlässiges Ausführen aller Grundkommandos auch bei starker Ablenkung
• Ab dem Alter von 1 Jahr wird der Hund langsam an einzelne Patienten herangeführt.
• Erste „echte“ Einsätze frühestens im Alter von 2 Jahren

Welche Ausbildung muss der Halter absolvieren?
Als Therapiehundführer sollte man sich Grundwissen u.a. über neurologische Erkrankungen, Depressionserkrankungen, Schlaganfälle, Infarkte, Schädel-Hirn-Traumata aneignen. Es ist kein ausführliches medizinisches Studium nötig, jedoch ein großer Wille, sich über diese Erkrankungen gutes Wissen anzueignen.

Wie viel kostet diese Ausbildung?
Ausbildungen, die kürzer als wenigstens 1 Jahr sind und/oder mehrere Tausend Euro kosten, sind auf ihre Seriosität zu prüfen. Nach der Ausbildung sollte der Hund trotzdem immer wieder langsam und behutsam an neue Patienten herangeführt werden, auch zum Wohl und Schutz des Patienten.

Wie lange kann der Hund diesen Beruf ausüben?
So lange die Hunde körperlich und geistig fit sind, bis in ein hohes Alter.

Pdf zu diesem Artikel: der_therapiehund

 

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