Der Spitz … Lebendige Alarmanlage?

Von Liane Rauch

Mythen in der Hundewelt

Es wird ja immer behauptet, der Spitz sei der hartnäckigste Kläffer unter den Hunderassen. Sicher bellt der Spitz sehr gerne. Er sollte das ja auch tun, schließlich diente er als lebendige Alarmanlage. Wahrheit oder Mythos? Oder gibt es Hunderassen, die den Spitz sogar übertreffen?

„Du weißt aber schon, dass der ständig kläfft?“ Wäre dieser Mythos richtig, wäre Sheila „Vorzeige-Spitz“. Sheila begegnete mir das erste Mal im Alter von 4 ­Monaten. Sie war damals schon eine sehr selbst­bewusste kleine Persönlichkeit. Mit hoch erhobener Rute, aufgestellten Ohren und stimmgewaltig trat sie uns gegenüber. Und das „Gegenübertreten“ meine ich wörtlich.

Heute ist Sheila 12 Jahre alt, wurde und wird sehr verwöhnt und macht dem Vorurteil Bell-Spitz alle Ehre. ­Radfahrer, Rollerskater, Kinder und vor allem andere Hunde werden lautstark verbellt. Besucher in IHREM Haus, die ihr nicht so „zusagen“, werden in die Fersen gezwickt und unter Protest durchs ganze Haus verfolgt. Doch ist das immer so?

Nicht nur der Spitz war lebendige Alarmanlage
Um die Veranlagung des gesteigerten Bellens zu verstehen, muss auch hier das ursprüngliche Zuchtziel ­beachtet werden. Der Spitz, im Mittelalter „Mist­beller“ genannt, wurde auf Höfen ge­halten und kam seiner Aufgabe, Alarm bei Eindringlingen zu geben, gewissenhaft nach. Der sogenannte Fuhrmannsspitz begleitete Kutschen und Fuhr­werke, und der sogenannte Schifferspitz war auf Fischerbooten und im Hafen stimmgewaltig tätig.

Gesundes Misstrauen Fremden gegenüber und auch schon mal beherztes „Zuschnappen“ wurde von diesen kleinen, unerschrockenen Hunden im Mittelalter erwartet. Egal in welchen Aufgabenbereichen, ob Hof, Kutsche oder Schiff, es wurden nur die Tiere miteinander verpaart, die am ­lautesten bellten. Dieses Verhalten wurde früher bei weitem nicht nur vom Spitz verlangt. Der Appenzeller Sennenhund und der Entlebucher Sennenhund sind die Schweizer Pendants zum Deutschen Spitz. Und diese beiden Rassen können den Spitz an Stimmgewalt um einiges übertreffen.

Auch die britischen Hütehunde sind ausgesprochene Sprachkünstler. Allen voran Collie und Sheltie hatten unter anderem eine Wachfunktion bei den Herden und können ausdauernd die Ohren ihrer Halter strapazieren. In Insiderkreisen ist „Belltie“ die inoffizielle Rassebezeichnung des Shelties.

Und nicht vergessen darf man die hundlichen Alarmanlagen par ­excellence: Die Herdenschutzhunde. Da kann es schon mal vorkommen, dass die Hunde ohne jeglichen Grund die ganze Nacht mit dem Mond sprechen.

Heute ist Bellen unerwünscht
Heute sind ruhige Hunde erwünscht. In unseren immer enger besiedelten Orten ist es nicht erwünscht, dass Spitzi im 5. Stock des Wohnhauses jede Fahrt des Lifts lautstark kommentiert. Ganz abgesehen davon, dass dies nicht nur Spitze tun. Der Mensch akzeptiert zwar, wenn der Hausgärtner eine Stunde mit dem Laubbläser sein Unwesen treibt, wenn ein Hund bellt, kann das im schlimmsten Fall leider sogar vor ­Gericht enden.

Bellen aberziehen?
Das werden Sie wohl leider nicht schaffen. Genetik, also angeborene Verhaltensweise, kann nicht aberzogen werden. Genau wie Jagdhunden der Jagdtrieb und Hütehunden der Hütetrieb nicht aberzogen werden kann, wird der Spitz immer eine höhere Bell­bereitschaft zeigen als z.B. sogenannte Gesellschafts­hunde, die nie auf eine bestimmte Aufgabe selektiert wurden. Verhaltensweisen in kontrollierte ­Bahnen lenken geht aber sehr wohl.

Nicht mitbellen
Ein noch immer häufig gemachter Fehler ist, dass der Halter mitbellt. Da wird Spitzi lautstark zur Ruhe aufgefordert. Der Halter wird immer lauter, der Hund wird immer lauter und dies endet meist in einer Krawall-artigen Spirale. ­Sprechen Sie, wenn überhaupt, lieber leise mit Ihrem Hund. Je ruhiger Sie sind, desto genauer muss Ihnen Ihr Hund zuhören und wird automatisch auch leiser. Funktioniert bei Mensch und Hund.

Sei-still-Kommando aufbauen und vor allem belohnen
Ein Kommando für das Stillsein wird ­genau so aufgebaut wie ein Sitz oder Platz. Wählen Sie ein Wort, das Ihnen schnell von den Lippen geht und das Sie kurz und bündig aussprechen können. Bei uns heißt es einfach „Schluss“. Dieses Wort kann man eindeutig und prägnant aussprechen.

Verwenden Sie das Wort in einem ­Augenblick, in dem Ihr Hund ruhig ist und belohnen Sie ihn dafür. Meist läuft es so ab, dass, wenn der Hund dann ruhig ist, keine Bestätigung vom Halter kommt. Ist der Hund leise, gehen die meisten Halter einfach weg. Das Stillsein wird aber nicht funktionieren, wenn der Hund nicht lernt, dass es sich lohnt.

Kontrolliert „abbellen“ lassen
Das hat bei meiner äußerst „gesprächigen“ Colliehündin gut geholfen. Ich habe ihr das Bellen auf Kommando beigebracht. Nach kürzester Zeit hatte sie gelernt, dass sich Bellen nur dann lohnt, wenn Frauchen es auch wünscht. So konnte ich ihr „Sprach-Bedürfnis“ kontrolliert befriedigen, genau wie die Dummy-Arbeit bei Jagdhunden den Jagdtrieb steuern kann.

Lucky – Büro- und Seminarspitz
Maria Müller ist mit ihrem 2,5 Jahre alten Zwergspitz Lucky bei den Hundefreunden Cham e.V. aktiv: „Lucky war 6 Monate alt, als ich ihn vom Tierheim Nürnberg übernahm. Er stammt aus der Beschlagnahme eines illegalen Hundetransportes. Junghundekurs und Erziehungskurs haben wir mit Erfolg abgelegt. Wir machen Agility zum Spaß, ohne Turnierambitionen. Lucky zeigt überhaupt kein übersteigertes Bellverhalten. Selbst wenn er in der Hundeschule am Rand des Platzes warten muss, verhält er sich ganz still. Im Gegensatz zu so manchen anderen Hunden. Lucky begleitet mich immer mit ins Büro und auf Seminarreisen, ins Hotel und sogar in den Seminarraum. Würde er dem Mythos Dauer-Kläffer entsprechen, wäre dies nicht möglich. Auch zu Hause ist Lucky still. Natürlich bellt er auch mal, wenn er im Garten etwas „Fremdes“ entdeckt, aber das sollte ja wohl jedem Hund genehmigt werden …“ .

Familienspitz Bobby
Nicole Weigel über Bobby: „Bobby, unser Großspitz, ist jetzt 3 Jahre alt. Wir haben ihn von einem bayerischen Züchter im Alter von 5 Monaten übernommen. Von Anfang an haben wir mit Bobby am Abbruchsignal „Aus“ gearbeitet. Am Anfang auch im Garten an der Leine, um ihn so schnell wie möglich fürs Stillsein belohnen zu können. Bobby lernt sehr schnell, kleine Tricks machen ihm viel Spaß und das Abrufen draußen funktioniert auch bei Wild­begegnungen einwandfrei. An das Stillsein müssen wir ihn manchmal erinnern. Zu 90% funktioniert die Korrektur mit dem Abbruchkommando aber in allen Situationen. Einen komplett „stummen“ Hund wollten wir auch nicht haben, so ein bisschen aufpassen und Alarm schlagen soll er ja dann schon …“

Der Spitz – Lebendige Alarmanlage?
Oskar, einen roten Mittelspitz, und Midas, einen Wolfsspitz, konnte ich neben vielen anderen Spitzen in meinen Kursen in Oberammergau kennenlernen. Beide bestätigten den Mythos „du-weißt-aber-schon-dass-der-ständig-kläfft“ ­absolut nicht. Die Spitze waren durch die Bank „stiller“ als so mancher Aussie, Collie und allen voran der Sheltie.

Pdf zu diesem Artikel: mythen_spitz

 

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