Der Shiba

Von Christiane Schober

Kleiner Japaner mit großem Herz

Eine faszinierende japanische Hunde­rasse erobert viele Herzen – auch in Europa. Der FCI-Standard beschreibt den Shiba als treu, scharfsinnig und sehr aufgeweckt. Das sagt allerdings noch nicht sehr viel über diese Rasse aus. Die langjährige Shiba-Kennerin und Mit-Autorin des neu erschienenen Shiba-Buches Christiane Schober stellt Ihnen diese Rasse vor, wie sie wirklich ist.

Noch vor einigen Jahren war der Shiba eher unbekannt. In der heutigen Zeit kann man den Anstieg an Bekanntheit und Beliebtheit dieser Rasse nicht mehr ignorieren. Wohl spätestens nach dem Kinofilm Hachiko (mit Richard Gere), in dem ein Shiba den kleinen Hachiko spielt, stiegen die Anfragen bei Züchtern und Klubs stetig an. ­Interessenten fragen, ob der Shiba der ideale Familienhund ist oder ob sich auch ein Anfänger an diese Rasse wagen kann. Ist der Shiba ein Hund für Jedermann? Was macht diese Rasse so faszinierend? Shibas sind sehr eigenständig, stur, schwer erziehbar und dürfen nie von der Leine gelassen werden – diese und andere „Mythen“ grassieren sowohl in mancher Lektüre, als auch im Internet. Das sind jedoch Aussagen, die man so nicht pauschal stehen lassen kann. Fakt ist, dass der Shiba mit seiner DNA dem Wolf sehr nahesteht. Das wirft ein ganz anderes Licht auf diese Rasse: Der Shiba ist somit eine der ursprünglichsten Rassen überhaupt! Das bedeutet umdenken – aber es funktioniert, wenn der Mensch bereit ist, sich auf diese spezielle und faszinierende Rasse einzulassen.

Und so begann es

Die Rasse Shiba (früher Shiba Inu genannt) gehört zu den ältesten Hunde­rassen der Welt. Bereits in der frühen Jomon-Ära – so etwa 10.000 bis 300 vor Christus – wurden Shibas gehalten, aber nicht nur zur Jagd, sondern auch als Haustier und Familienmitglied. Beweise hierfür sind diverse Schädelknochen, die Archäologen aus alten Jomon-Ruinen in Japan geborgen haben. Diese Funde sind mit dem Skelett des heutigen Shiba fast identisch.

Wenn der Shiba als Jagdhund eingesetzt wurde, dann vorrangig für Vögel und Kleinwild, selten auch für Großwild. Als zwischen den Jahren 1868 und 1912, in der Meiji-Zeit, die ersten englischen ­Rassen für den Jagdsport als ­Zeitvertreib von Übersee nach Japan eingeführt wurden, überschwemmten zahlreiche Setter- und Pointer-Varianten den Markt. Kreuzungen mit Shibas führten dazu, dass die Population der reinrassigen Shibas massiv zurückging. Im ersten Weltkrieg dezimierte eine Kombination aus Nahrungsmittelknappheit und einer massiven Verbreitung der Hundestaupe die Zahl der Shibas so massiv, dass (bis auf wenige Exemplare) der „Original“-Shiba eine Zeit lang beinahe ausgestorben war. Als dann im Jahre 1928, (in der Showa-Ära) Jäger und andere gebildete Leute, sowie Liebhaber dieser Rasse dieses Problem erkannten, begannen sie Rassestandards festzulegen und den Shiba durch Reinzucht wieder zu vermehren.

1937 ernannte man den Shiba in Japan zum „Naturdenkmal“. In der heutigen Zeit wird der Shiba kaum noch als Jagd-, sondern hauptsächlich als Familien- und Begleithund genutzt. Dennoch ist sein Jagdtrieb mehr oder weniger ausgeprägt.

Aussehen und Erscheinungsbild

Das allgemeine Erscheinungsbild (laut FCI-Standard) wird wie folgt ­beschrieben: „Wohlproportionierter, kleiner Hund, sehr muskulös und von gutem Knochenbau. Konstitution kräftig. Seine Bewegungen sind lebhaft, frei und schön.“ Kennt man die Rasse nicht, kann man sich darunter sicher nicht viel vorstellen. Der Laie beschreibt den Shiba meist so: „Oh, der sieht aus wie ein Fuchs, oder ist dies ein junger Husky?“ Dies trifft es eigentlich schon ganz gut. Schaut man etwas genauer hin, fallen einem vor allem die kleinen dreieckigen Augen und die leicht nach vorne getragenen kleinen Ohren, sowie die gut eingerollte oder in ­sichelförmiger Haltung getragene Rute auf. Stehen diese Merkmale im richtigen Verhältnis zueinander, entsteht der typisch japanische und harmonische Gesamteindruck.

Das doppelte Haarkleid, bestehend aus hartem, geradem Deckhaar und weicher, dichter Unterwolle kommt in folgenden Farben vor: Rot, Schwarzloh (wird auch als black and tan bezeichnet), Sesam, Schwarz-Sesam und Rot-Sesam. Alle angeführten Farben müssen das sogenannte „Urajiro“ aufweisen. Übersetzt bedeutet „Ura“ Rückseite. Gemeint ist damit die untere Seite des Hundes. Mit „jiro“ ist eigentlich „shiro“ gemeint, was Weiß bedeutet. Die FCI-Bezeichnung „weißlich“ oder auch aufgehellt ist aber zutreffender. Der Übergang vom übrigen Fell ins „Urajiro“ sollte nicht klar abgegrenzt, sondern fließend sein. Die Farben Weiß (creme) und Pinto sind weitere vorkommende Farben beim Shiba, die jedoch nicht erwünscht sind. Rassevertreter mit diesen Farben werden für die Zucht und Ausstellung in allen FCI-Ländern gesperrt. Die Idealgröße für einen Shiba beträgt 40 cm für Rüden und 37 cm für Hündinnen. Eine Ab­weichung von +/- 1,5 cm wird toleriert. Idealgewicht für Rüden: 10 bis 14 kg, Hündinnen: 8 bis 12 kg.

Wesen

Der FCI-Standard beschreibt den Shiba als treu, scharfsinnig und sehr aufgeweckt. Verwunderlich, dass die Beschreibung eher mager ausgefallen ist, zeigt der Shiba doch sehr viele verschiedene Charakterzüge. Das hängt wohl damit zusammen, dass die Übersetzung aus dem Japanischen eher kompliziert ist. Auch die Japaner beschreiben den Charakter eines Shibas in drei ­Worten: Kan-i, Ryousei und Soboku. Sie bedeuten allerdings mehr als nur treu, scharfsinnig und aufgeweckt. Im Alltag bedeutet das kurz zusammengefasst, dass ein Shiba durch sein einzigartiges Wesen sehr viel Freude bereiten wird, aber auch stark fordern kann.

Shibas spielen sehr gern, jedoch ist die Ausdauer der Rassevertreter beim Spiel oft sehr unterschiedlich. ­Manche verlieren schon nach dem dritten geworfenen Spielball die Lust, andere wiederum spielen fast unaufhörlich. Manche apportieren niemals, sondern zerlegen das Spielzeug lieber an Ort und Stelle in kleine Einzelteile. Beim Spielen findet der scharfsinnige Shiba sehr schnell heraus, wie er das, was er will, auch bekommt. Die hohe Intelligenz und schnelle Auffassungsgabe können für den Halter zur Herausforderung werden. Man muss einfallsreich und einfühlsam zugleich sein.

Der Shiba ist sehr anschmiegsam. Er lässt sich gern kraulen, massieren und kuschelt sich so nah wie möglich an seinen Lieblingsmenschen. Oft wird ihm sogar katzenähnliches Verhalten nachgesagt, was in dieser Hinsicht durchaus zutreffend ist: Outdoor voller Tatendrang und Temperament und zu Hause die Ruhe selbst – das ist typisch Shiba. Durch seine Aufmerksamkeit ist der Shiba ein guter Wächter, ohne dabei zum Kläffer zu mutieren. Sein ­Territorium wird der Shiba zwar sehr energisch verteidigen, betritt jedoch ein Gast das Revier, schwenkt die Stimmung des Shibas sofort von aufmerksam und mutig in temperamentvoll und freundlich um. Es gibt allerdings auch Shibas, die Fremden gegenüber etwas zurückhaltend sind, was man jedoch nicht mit Ängstlichkeit verwechseln sollte. Er nimmt Fremde genau unter die Lupe und braucht einige Zeit, bis er Vertrauen aufgebaut hat. Ist das Eis aber einmal gebrochen, kann eine jahrelange ­wundervolle Freundschaft entstehen.

Trotz der Tatsache, dass von vielen Züchtern Anstrengungen unternommen wurden, den Shiba vom ursprünglichen Jagdhund mehr in Richtung Familien-­Begleithund zu züchten, sind Shibas mehrheitlich leidenschaftliche Jäger. Alles, was vor ihnen flieht, wird mit großer Hartnäckigkeit verfolgt. Nicht selten werden kleinere Tiere (Mäuse etc.) auch getötet und mit Wonne gefressen. Der Shiba ist sehr aufmerksam – es reicht die Bewegung eines Grashalms, das Piepsen einer Maus oder der Geruch eines Fuchses und schon ist er am Start. Beginnt man jedoch bereits im Welpenalter, den „Jagdtrieb“ in eine andere Richtung umzulenken und trainiert dies und den so wichtigen Abruf konsequent, so hat man gute Chancen, dass man seinen Shiba auch mal frei ­laufen lassen kann. Genauso ist es beim Thema Erziehung – liebevolle ­Konsequenz und eine gesunde Portion Humor, dann kann man auch einem Shiba vieles beibringen. Die Grundeinstellung mancher ­Rassen ist: „Was kann ich für dich tun?“, während sich der Shiba eher denkt: „…und was tust du für MICH?“ Dieses manchmal leicht arrogant wirkende Verhalten macht diese Rasse aber auch so faszinierend.

Nun gehört aber zum Wesen eines Hundes auch sein Verhalten gegenüber Artgenossen, was leider gerade beim Shiba zum Problem werden kann. Vor allem gegenüber gleichgeschlechtlichen Artgenossen zeigen sich einige ­Shibas gerne dominant. Hierbei kann der mutige Charakter des Hundes für seinen Halter (in so einer Situation) eher unangenehm werden, da sich diese Shibas jedem Herausforderer stellen, egal wie groß oder alt dieser ist. Etliche Hundeschulen vermitteln, dass man solche Situationen mit guter Sozialisierung – also Aufzucht, Welpen-Spielstunden und Erziehung – komplett in den Griff bekommt. Es ist zwar zutreffend, dass all das sehr wichtige Erfahrungen in der Entwicklung des Shibas sein sollten, aber eine Garantie, dass der Shiba (ausschließlich) damit artgenossenverträglich wird, gibt es leider nicht. Man sollte nicht den Fehler begehen, den Shiba mit Druck und Dominanz „kleinkriegen“ zu wollen, denn dann schaltet er meist wirklich auf stur. Hier sind viel Ruhe und Einfühlungsvermögen gefragt.

Pflege

Eine sehr positive Eigenschaft des Shibas ist, dass er sehr reinlich ist. Sein Fell ist fast geruchsneutral und schmutzabweisend, dennoch benötigt es eine gewisse Pflege. Der unkastrierte Shiba befindet sich zweimal pro Jahr im Fellwechsel. In dieser Phase sollte er regelmäßig gebürstet werden, um ihn bei der Entfernung des locker gewordenen Haarwerks zu unterstützen. Dies beschleunigt die Fellwechsel-Phase und tut dem Shiba gut, denn abgestoßene Unterwolle kann unangenehm jucken. Hierfür reicht eine speziell für dieses Fell geeignete Bürste oder ein Kamm. Shiba-Halter haben meist ihr Lieblingswerkzeug, man sollte beim Züchter oder Shiba-Kenner nach deren Favoriten bezüglich Bürste oder Kamm/Striegel fragen. Kämme, die ein integriertes ­Messer haben (z.B. Furminator), sind für das Shiba Fell absolut ungeeignet. Was man bedenken sollte: Kastrierte Hunde haaren das ganze Jahr! In der Zeit ohne Fellwechsel sollte man den Shiba eher selten bürsten. Streicheleinheiten sind oft die beste Pflege für Fell und Psyche. Ohren, Augen und Zähne sollten selbstverständlich gelegentlich kontrolliert und wenn nötig gereinigt werden. Ansonsten kann man einen Shiba als eher pflegeleicht bezeichnen, außer es geht darum seine Krallen zu schneiden, oder ein Tierarzt Besuch wird nötig. In Situationen, in denen ein Shiba massiv festgehalten wird, werden Sie sich wundern über „so viel Power“ von scheinbar so „wenig Hund“, wenn es darum geht, sich aus der Fixation zu befreien.

Wie gesund ist die Rasse Shiba?

Die allermeisten Shibas verfügen über eine sehr robuste Gesundheit und erfreuen sich einer hohen Lebenserwartung von bis zu 15 Jahren. Ideale Voraussetzungen beim Züchter und beim Hundehalter erhöhen die Chance auf einen gesunden Hund zusätzlich. Ideal beim Züchter bedeutet, dass die Elterntiere auf erbliche Krankheiten untersucht wurden und gesund sind. Zudem müssen die Aufzuchtbedingungen für die Welpen hygienisch und möglichst stressfrei sein. Die Gewähr dafür erhalten Sie nur bei einer Zuchtstätte, die durch den offiziellen Rasseklub des Landes kontrolliert und überwacht wird. Ideal beim Hundehalter bedeutet, dass der Welpe nicht überfordert werden darf. So sollte er zum Beispiel die ersten 6 Monate keine Treppen steigen oder nicht allzu heftig mit größeren Hunden spielen, da die Gelenke, Muskeln und Sehnen noch empfindlicher sind als bei einem schon stabileren Junghund. Auch die richtige und ausgewogene Ernährung spielt natürlich beim heranwachsenden Shiba eine große Rolle.
Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen können auch beim Shiba Krankheiten und genetische Defekte auftreten. ­Allergien, ­hervorgerufen durch Hausstaub, Grasmilben oder Futter, konnten schon beobachtet werden. Hüftgelenkdysplasie (HD, Fehlentwicklung des Hüftgelenks), Patella Luxation (PL, Herausrutschen der Kniescheibe), Glaukom (grüner Star, erhöhter Augeninnendruck) oder Brachydaktylie (Fehlbildung verkürzte Zehen) sind beim Shiba bekannt. Aus diesem Grund wird von seriösen Züchtern ausschließlich mit kontrollierten Hunden gezüchtet, um das Risiko einer Erkrankung soweit wie möglich zu minimieren!

Anmerkung: Der Shiba gehört zu den Hunderassen mit erhöhtem Narkoserisiko. Dies ist nicht etwa genetisch bedingt, sondern darin begründet, dass viele Shibas beim Tierarzt großen Stress haben. Sprechen Sie daher Ihren Tierarzt unbedingt darauf an und versuchen Sie, Stress möglichst zu vermeiden.

Shiba – ein Hund für Jedermann?

Sicherlich ist es hilfreich, bereits Erfahrungen mit dieser Rasse gemacht zu haben, dennoch haben wir immer wieder festgestellt, dass Menschen die bereit sind sich zu 100% auf diesen Hund einzulassen, auch als Anfänger ihre Aufgabe gut meistern können. Dies bedeutet: Sie brauchen viel Einfühlungsvermögen, Geduld und Liebe. Da der Shiba sehr gerne im Freien ist und es liebt mit seinem Menschen ausgedehnte Spaziergänge zu unter­nehmen, ist diese Rasse gut für sportliche und jung gebliebene Menschen geeignet. Der Shiba möchte möglichst viel bei seinem „Rudel“ sein und ist daher ungeeignet für Workaholics, die nur zu ­bestimmten Zeiten für ihn da sind. Ob Ihr Shiba eine ­Agility-Karriere machen wird, ist Ansichtssache. Wenn es rein um den Spaß als Team zu arbeiten geht, dann wird der Shiba freudig dabei sein. Wenn es allerdings um Pflicht inklusive Geschwindigkeits­rekorde geht, dann verzichtet der Shiba dankend. Durch sein Wesen kann man sehr viel aus ­diesem Hund herausstreicheln – wohl aber nicht erzwingen. Für Familien mit Kindern ist der Shiba nur bedingt geeignet. Shiba-Welpen ­können durch ihr sensibles Wesen schnell verängstigt reagieren. Kleine Kinder, die herumtollen, Spielzeug werfen oder schreien, überfordern ihn sehr schnell. Shiba-Welpen sind wiederum sehr rau im Umgang und überfordern ihrerseits kleine Kinder. Größere Kinder (ab ca. 7 Jahren), die mit dem Shiba spielen, Kunststücke üben oder bereits spazieren gehen können, sind aber für beide eine Bereicherung. Obwohl der Shiba, sobald er im Freien ist, gerne alles jagt, was sich bewegt, ist er mit andern Haus­tieren wie Katzen, Kaninchen oder Vögeln nach behutsamer Zusammenführung meist problemlos zu halten. Nicht selten entwickeln sich tolle Freundschaften.

Fazit

Zusammenfassend kann gesagt werden: Freuen Sie sich auf einen kleinen bis mittelgroßen, temperamentvollen, robusten Hund, der Sie freudig begrüßt und gerne etwas mit Ihnen unternimmt. Seien Sie sich aber dessen bewusst, dass er sehr jagdfreudig, selbstständig, dominant und Fremden gegenüber zurückhaltend sein kann. Wenn Sie bereit sind, viel Zeit mit Ihrem Shiba zu verbringen, und es Ihnen nichts ausmacht Ihren Liebling öfter mal an der Leine zu führen, so kann der Shiba ein idealer Begleiter für Sie sein. Aber Vorsicht: Es besteht absolute Suchtgefahr, denn wenn Sie einmal vom Shibafieber ­infiziert sind, dann heißt es auch für Sie: Einmal Shiba – immer Shiba!

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