Der Shar Pei – Eine Qualzucht?!

Von Sandra Lindberg

Der Shar Pei, oder wie aus einem einst stolzen, schönen Arbeitshund eine molossoide Couch Potato unter Qualzuchtverdacht wurde.

Hautkrankheiten, Ohrenentzündungen, Augenkrankheiten, schwere Fieberschübe, geschwollene Gelenke, Nierenerkrankungen, Allergien … Das kommt den meisten in den Sinn, wenn sie an einen Shar Pei denken. Viele Shar Pei Besitzer haben ihre Erfahrung gemacht mit der einen oder anderen dieser Erkrankungen. All diese Krankheiten sind der Grund, warum auch der Shar Pei in den Fokus von Qualzuchtvorwürfen geraten ist.

Daher sollten wir sehr offen sprechen. Über die Shar Pei spezifischen Krankheiten und die zugrunde liegenden genetischen Veränderungen, die dieses Leid erst ermöglichen. Über die unausgesprochene Vereinbarung, dieses potenzielle Leid zu dulden, verborgen hinter dem Vorwand, eine seltene Rasse zu erhalten. Über Ethik in der Shar Pei Zucht. Wir sollten über die evolutionäre Sackgasse sprechen, in die wir diese sehr alte Rasse in nur 50 Jahren Reinrassigkeitszucht geschickt haben. Auch über die gravierenden phänotypischen und genotypischen Veränderungen, die der Shar Pei in dieser Zeit erlebt hat. Vor allem müssen wir uns offen die Frage stellen, ob es überhaupt noch einen ethisch vertretbaren Ausweg und eine Zukunft für die Rasse gibt.

Der ursprünglich aus China stammende Shar Pei kam 1973 über Hongkong, zuerst in die USA, später auch nach Europa. Auf diesen Stationen hat sich der Phänotyp und der Genotyp verändert. Der ursprünglich schlanke, agile, mittelgroße und kompakte Arbeitshund, der sich vor allem durch sein extrem kurzes und harsches Fell definierte, war durch seine zusätzlich stark pigmentierte Haut ausgezeichnet an die klimatischen Bedingungen in Südchina angepasst. Ein primitiver Hund, der seine erste gravierende Veränderung ab 1900 erlebte, nachdem auch die ländlichen Außenbereiche Hongkongs an die britische Kronkolonie gefallen waren, wodurch diese Shar Pei Population für knapp 100 Jahre geografisch von China getrennt wurde. Da in China selbst fast ausschließlich lokale Hunde für die Zucht zur Verfügung standen, hat sich der Phänotyp dort nur gering verändert. In Hongkong hingegen nutzten Züchter die neu zur Verfügung stehenden europäischen Rassen wie Mastiffs, Bulldoggen und Pitbulls, um die lokalen Hunde kräftiger und aggressiver und somit gewinnbringender für den damals beliebten Hundekampf zu züchten. Die ersten Rückzüchtungsversuche begannen in den 1960er-Jahren. Dabei stellte das inzwischen hohe Aggressionspotenzial, die sehr geringe Anzahl zur Verfügung stehender Hunde und die schwierige wirtschaftliche Situation in den Außenbezirken Hongkongs die Shar Pei Enthusiasten vor große Herausforderungen.

Anfang der 1970er-Jahre bat einer der Shar Pei Züchter Hongkongs, Matgo Law, die amerikanischen Rassezuchtfreunde um Hilfe. Kurze Zeit später reisten die ersten Hunde in die USA und haben sich von dort weiter in der Welt verbreitet. Erste Gesundheitsprobleme waren schon zu diesem Zeitpunkt aufgefallen, wurden jedoch nicht dokumentiert und führten auch zu keinen züchterischen Konsequenzen. Das Aussehen hat sich in den folgenden Jahren weiter verändert. Das kurze, harsche Fell wurde länger und weicher. Die Falten, die ein Shar Pei eigentlich nur im Welpenalter hat und am erwachsenen Hund nur sehr moderat auf der Stirn und am Widerrist vorhanden sein sollten, haben so sehr gefallen, dass sie nun auch am erwachsenen Hund erwünscht waren. Neue Farben wurden ebenfalls eingezüchtet.

Heute ist SPAID (Shar Pei Autoinflammatory Disease) die bekannteste und meistgefürchtete Diagnose für Shar Pei Besitzer. Bei dieser autoentzündlichen Erkrankung leiden betroffene Hunde unter wiederkehrenden, sehr hohen Fieberschüben sowie entzündeten Gelenken, Ohren und Haut. Die Symptome entwickeln sich sehr plötzlich, oft in weniger als einer Stunde. Ein Shar Pei mit Fieberschub wirkt meist deutlich krank und ist oft nicht einmal in der Lage aufzustehen. Dazu kann er zusätzlich unter Bauchschmerzen, Atembeschwerden, leichter Übelkeit sowie Durchfall leiden. Das Hauptproblem dieser Entzündungen sind dabei nicht diese den Hund schwer belastenden offensichtlichen Symptome, sondern die nicht sichtbaren, in den Organen stattfindenden Prozesse. Betroffene Shar Pei lagern Eiweißbruchstücke in ihren Organen ab, die dadurch dauerhaft geschädigt werden. Diese, als Amyloidose bekannte Erkrankung, führt bei vielen Shar Pei relativ früh zum Tod durch Nierenversagen.

Nicht jeder von SPAID betroffene Shar Pei zeigt jedoch immer alle Symptome und wird von außen oft nicht als krank wahrgenommen, da Ohren- und Hautentzündungen leider als normaler Zustand der Rasse angesehen werden. Einige Shar Pei, die in jungen Jahren an einem Nierenversagen gestorben sind, zeigten niemals offensichtliche schwere SPAID Symptome. Viele Hunde leiden sehr still und unerkannt.

Alles Ausreden?
Diesem Leid liegen genetische Veränderungen zugrunde, die wir kennen und auf die wir seit einigen Jahren testen können. Wir können einfache und doppelte Merkmalsträger sowie reinerbige Hunde erkennen und haben somit das erforderliche Handwerkszeug, um weiteres Leiden zu verhindern, da nur Merkmalsträger erkranken können. Doch genau das ist nicht passiert. Stattdessen versuchen uns Kampagnen mit Slogans wie »Kontrollierte Rassehundezucht ist keine Qualzucht« glauben zu machen, dass Gesundheit den höchsten Stellenwert hat. Wie kann das sein, wenn weiterhin mit genetischen Merkmalsträgern gezüchtet wird und somit potenzielles Leid schlichtweg geduldet wird?

Die häufig von Züchtern angegebenen Gründe sind vielfältig. Der tragischste Grund ist die Tatsache, dass weniger als 10% aller bisher auf SPAID getesteten Hunde reinerbig, also keine Merkmalsträger sind. Die Verharmlosung der Züchter ist ein weiterer Faktor, der schwer wiegt. So hört man nicht selten, dass die in der Zucht stehenden Hunde zwar Merkmalsträger sind, jedoch keinerlei Symptome zeigen und aus gesunden und langlebigen Linien stammen. Ein weiteres, von Züchtern angeführtes Argument ist, dass ja vor allem auch Umweltbedingungen für die Ausbildung von SPAID Symptomen verantwortlich sind und es somit am Halter selbst liegt, falls ein Hund erkrankt.

Oft wird auch gesagt, dass eine Zucht mit reinerbigen Hunden die genetische Vielfalt der Hunde zu sehr eingrenzen würde und so weitere Krankheiten begünstigt. Eine genetische Vielfalt, die von vornherein schon kaum vorhanden ist, stammen doch fast alle Shar Pei hier von sehr wenigen Hunden aus Hongkong ab. In den letzten Jahren gibt es auch Züchter, die weiter mit Merkmalsträgern züchten, mit dem Ziel, mehr reinerbige Welpen zu erhalten. Doch auch bei diesen Übergangsgenerationen wird ebenso potenzielles Leid geduldet, da so auch weiterhin nicht reinerbige Welpen geboren werden. So wundert es auch nicht, dass auf keiner Zuchtklub-Webseite im deutschsprachigen Raum auf die gravierenden Gesundheitsprobleme hingewiesen wird.

Shar Pei in genetischer Sackgasse
Wir müssen uns dringend mit dem Thema Ethik in der Shar Pei Zucht auseinandersetzen. Wir müssen anerkennen, dass die Qualzuchtvorwürfe gerechtfertigt sind, solange wir mit Merkmalsträgern züchten, deren Nachkommen aufgrund der Ausprägung dieser Merkmale Schmerzen, Leiden, Schäden oder Angst erleiden können. Wir haben den Shar Pei in eine genetische Sackgasse geschickt, aus der es kaum einen ethisch vertretbaren Ausweg mehr gibt.

Auch in China hat der Shar Pei einige turbulente Zeiten erlebt. Viele historische Ereignisse des letzten Jahrhunderts haben den Shar Pei dort fast aussterben lassen. Einzig in und um die kleine Stadt Dali, im Südwesten von Guangzhou, überlebte der Shar Pei und wird bis heute mit Stolz nach alter Tradition gezüchtet. Dieser primitive und ursprüngliche Typ Shar Pei ist heute als Dali Shar Pei bekannt. Ihm wurde 2019 der Status als immaterielles Kulturerbe der Stadt Dali verliehen. Die reale Situation in China ist jedoch viel tragischer. Denn auch in China hat sich der aus Hongkong stammende Shar Pei-Typ seit den 1990er-Jahren mit all seinen Krankheiten sehr verbreitet. Das Züchten mit diesen Hunden wurde viele Jahre stark propagiert und hat dazu geführt, dass der ursprüngliche Shar Pei in vielen Regionen inzwischen fast unbekannt ist.

Der Dali Shar Pei Klub, der in den 90er-Jahren mit dem Ziel gegründet wurde, den ursprünglichen Shar Pei zu schützen, zählte 2022 gerade einmal noch knapp 200 Hunde in der Region. Shar Pei, die weit von jedem Qualzuchtvorwurf entfernt sind, jedoch aufgrund der aktuellen wirtschaftlich schwierigen Situation in eine sehr ungewisse Zukunft blicken. Diese kleine Population wird den hiesigen Shar Pei nicht aus der Sackgasse führen. Hier wäre es nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, in China würde es das Ende einer uralten, kulturell geschätzten Rasse bedeuten.

Hat der Shar Pei noch eine Chance?
Der traurige Zustand, in dem sich der Shar Pei hier befindet, seit er im Rahmen der »kontrollierten Rassehundezucht« gezüchtet wird, ist unser Werk. Wir tragen dafür die volle Verantwortung. Würden wir tatsächlich die Gesundheit der Rasse an erster Stelle stellen und aufhören, die offensichtlichen Probleme unter den Teppich zu kehren oder schön zu reden, wäre das ein erster großer Schritt. Wenn wir aufhören würden, auf weitere Testmöglichkeiten zu hoffen, die uns vielleicht doch versichern, wie toll und gesund unsere Hunde sind, sondern alle vorhandenen Möglichkeiten effektiv und konsequent zu nutzen, wäre das ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. Wenn Züchter jetzt sofort die Notbremse ziehen würden, hätte der Shar Pei sogar eventuell eine Chance.

Doch zuerst müssen wir anerkennen, dass der Shar Pei inzwischen eine Qualzucht ist, denn einzelne Ausnahmen ändern nicht den Zustand der gesamten Population. Wir müssen aufhören, SPAID und alle weiteren rassetypischen Probleme zu verharmlosen. Wir müssen aufhören, Hunde auf Ausstellungen zu beklatschen, deren Nasenlöcher inzwischen nur noch kleine Schlitze sind und deren Hautfalten sogar über den Gelenken an den Beinen hängen. Wir müssen aufhören, die Zucht von Welpen zu tolerieren, die ihre Augen kaum selbstständig öffnen können und deren Falten um die Augen vernäht werden müssen, damit nicht schon im Alter von wenigen Wochen ein Rolllied die Hornhaut schädigt.

Wir reden uns und anderen ein, durch »kontrollierte Rassehundezucht« eine seltene, alte Rasse zu bewahren, die jedoch kaum noch etwas mit ihrem Ursprung verbindet. Außer dem Namen hat die bei uns bekannte molossoide Couch Potato nicht mehr viel gemein mit dem einst stolzen, schönen Arbeitshund der Landbevölkerung im Süden Chinas. Es liegt in unserer Verantwortung, was wir an zukünftige Generationen von Züchtern und Hundehaltern übergeben.

Die Autorin

Sandra Lindberg hat viele Jahre in China gelebt und dort den Shar Pei schätzen und lieben gelernt. Heute lebt sie mit ihrem Mann, vier Shar Pei und einem weiteren chinesischen Hund in der Schweiz. Der Schutz des vom Aussterben bedrohten ursprünglichen Shar Pei in China liegt ihr sehr am Herzen. In ihrer Position als Internationale Sprecherin für den Dali Shar Pei Club in China erarbeitet sie mit wissenschaftlicher Hilfe Strategien, um diesen Schutz zu gewährleisten. Für sie ist der Shar Pei mehr als nur ein Hund, er ist ein lebendiges Stück chinesischer Kultur.
www.SharPei.ch

 

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