Der Norwegische Lundehund ist vor allem aus anatomischen Gründen eine kynologische Rarität und gilt mit derzeit ca. 1.200 Hunden als eine der seltensten Hunderassen der Welt. Die speziellen Eigenschaften der Rasse lassen die Hunde als eine Mischung aus Katze, Fuchs und Wolf beschreiben.
Der Lundehund gilt als Urtyp, d.h. der Hundetypus hat sich in grauer Vorzeit von einer anderen Population (wohl Finnenspitz) getrennt und sich seither nicht mehr mit irgendeiner anderen Rasse vermischt. Wann die Hunde nach Måstad, einer schwer zugänglichen kleinen Ortschaft auf der norwegischen Insel Værøy kamen, ist nicht bekannt. Man weiß nur, dass diese Hunde dort seit einigen hundert Jahren leben, und so gilt diese Ortschaft als Ursprungsort der Rasse. Eingesetzt wurden die Hunde dort und anderswo an der Küste Nordnorwegens, um selbständig die Lunde (Papageientaucher) und andere Eismeervogelarten, die auf Vogelfelsen, im Felsengeröll und in unterirdischen Niströhren brüten, zu fangen. Die dafür notwendige Selbständigkeit und Eigenwilligkeit hat sich der Lundehund bis zum heutigen Tage bewahrt.
Aufgrund des Übergangs zu besseren Fangmethoden der Seevögel und des späteren Fangverbots von Papageientauchern, die geschützt wurden, verlor man auf Værøy das Interesse an den Hunden dieser Rasse. Dies umso mehr, als die Hunde sonst auf der Insel als Kläffer galten und „Måstadköter“ genannt wurden.
Nach einer wechselvollen Geschichte, in der die Rasse zweimal durch Staupe fast ausgestorben wäre, haben ein paar Enthusiasten trotz großen Widerstands von offizieller Seite Anfang der 1960er Jahre eine planmäßige Zucht mit den wenigen noch vorhandenen Tieren (1 Hündin, 3 Rüden) begonnen.
„Anatomisches Wunder“
Die vielen anatomischen Besonderheiten des Lundehundes, die in der Summe – verglichen mit anderen Hunderassen – einzigartig sind, deuten darauf hin, dass irgendwann im Verlauf der Evolution eine oder mehrere dominante Genveränderungen stattgefunden haben (A. Meyer). Da diese Mutationen eine positive Auswirkung für die Hunde hatten, führte das für sie zu Vorteilen gegenüber den bisherigen Hunden, die schließlich nach und nach von den Lundehunden verdrängt wurden.
Anatomische Besonderheiten der Rasse
Der fuchsähnlich aussehende Lundehund ist bräunlich mit weißen Abzeichen und schwarzen Haarspitzen. Mit seiner Größe von unter 40 cm und seinem Gewicht von bis zu 9 kg gehört der sportliche Hund zu einer der kleinsten nordischen Spitzhunderassen.
Seine Beine kann er rechtwinkelig seitlich abspreizen, wodurch er beim Klettern im Geröll und Felsen (auf der Suche nach den Nistplätzen der Papageientaucher, Anm.) den Abstand v.a. zwischen den beiden Vorderläufen variieren kann. Dabei kann auch die Trittfläche so gedreht werden, dass die Pfoten voll auf der Unterlage stehen, um einen guten Halt zu gewährleisten. Beim Laufen bewegen sich die Vorderläufe nicht nur in der Laufrichtung, sondern auch quer dazu. Da die Muskeln der Vorderläufe ähnlich funktionieren wie bei der Streck- und Drehbewegung der menschlichen Hand, entsteht der rassetypische Gang: eine paddelnde, halbkreisförmig etwas nach außen gerichtete Vorwärtsbewegung. Dieser Bewegungsablauf ist anscheinend abhängig von dem Verhältnis Ober- zu Unterschenkel. Da es bisher keine gesicherten Erkenntnisse über den Muskelaufbau der Rasse gibt, ist geplant, dies zu analysieren.
Der Lundehund hat im Gegensatz zu anderen Rassen an den Vorderpfoten mindestens 6 und an den Hinterpfoten mindestens 5 Zehen. Die 5. Zehe ist voll entwickelt und mit einem Sehnen- und Muskelapparat ausgestattet, der dem des menschlichen Daumens ähnelt. Das ist vor allem beim Klettern und bei einer Vorwärtsbewegung in liegender Position vorteilhaft. Da er also mehr Zehen und Ballen als andere Hunde besitzt, hat er auch eine andere – nämlich größere – Trittfläche, was die Trittsicherheit erhöht und beim Abwärtslaufen zudem eine gute Bremswirkung ergibt.
Die Ohren werden aufrecht getragen, sind aber bei dieser Rasse lebhaft beweglich und lassen sich in eigentümlicher Weise zusammenfalten, ja sogar aktiv schließen. Das hat den Sinn zu verhindern, dass Erde oder Feuchtigkeit in den Ohrgang gelangen können. Möglicherweise wurde durch verschiedene Stellungen der Ohrmuschel auch die Richtung zur Beute angepeilt. Eines ist jedenfalls sicher: Heute dient das Verschließen der Ohrmuscheln häufig dazu, sich taub zu stellen, um nicht gehorchen zu müssen …
Eine weitere anatomische Besonderheit ist die Nackenwirbelsäule. Ihre extrem hohe Elastizität führt dazu, dass der Lundehund den Kopf bis auf den Rücken überstrecken und zurückbiegen kann. Dies hatte früher den Vorteil einer sehr großen Beweglichkeit in den Bruthöhlen der Papageientaucher. Die Hunde können sich sogar seitwärts liegend fortbewegen, z.B. um unter einem Schrank etwas zu verstecken oder es herauszuholen.
Dass bei den meisten Lundehunden die prämolaren Zähne ganz oder teilweise fehlen, ist ebenfalls einzigartig für diese Rasse. Dadurch aber ließ sich damals die lebende Beute (Vögel) tragen, ohne totgequetscht zu werden. Auch besitzt der Lundehund sehr viele Schnurrhaare (Vibrissen), d.h. Tastrezeptoren, die sehr empfindlich auf Luftbewegungen reagieren. Diese waren für das Arbeiten in den Nisthöhlen, wo es meist stockdunkel war, sehr nützlich.
Wenn es um die allgemeine Ernährung eines Lundehundes geht, muss man sich überlegen, womit die Hunde ursprünglich gefüttert wurden. Im Wesentlichen war dies Fisch, Geflügel und Kartoffeln, entweder als Essensreste der Menschen oder die Hunde haben sich das am Strand selbständig besorgt.
Da Lundehunde sehr gut hören können, können sie sehr empfindlich gegenüber Knallerei (Silvester) und Gewitter reagieren.
Vor- und Nachteile der Rasse
Wie jede Hunderasse hat auch der Lundehund seine Vorteile und seine Nachteile. Wie die meisten nordischen Spitzhunde ist er, wie schon erwähnt, ein Beller. Das Bellen hat eine hohe Frequenz und ist deshalb über weite Strecken hörbar. Man sagt, dass er damit die Frauen nachahmt, wenn diese zu früheren Zeiten sich mit Freundinnen auf der anderen Seite des Fjords unterhielten! Ein anderes Problem ist die Neugier. Aus diesem Grund werden in Norwegen im Frühjahr etliche Lundehunde von Kreuzottern gebissen, sodass dort die Besitzer meist ein Gegengift mit sich führen. Nachteilig ist bei Lundehunden auch, dass sie extrem stur sein können. Schon eine straffe Leine kann zu einer Laufverweigerung führen, die erst endet, wenn die Leine wieder locker ist.
Über die Vorteile werde ich, da es leicht als Lobhudelei aufgefasst werden kann, nicht ausdrücklich berichten, dies sollten Sie sich von Lundehundbesitzern erzählen lassen.
In Norwegen gab es vor ein paar Jahren eine Umfrage zum Thema „Wo schläft Ihr Hund?“. Die meisten Hundebesitzer gaben an, abends neben dem Bett, morgens aber im Bett! Schon damals in Måstad diente der Lundehund im Winter häufig als Wärmekissen!
Es gibt in Norwegen mehrere Lundehunde, die bei Schlittengespannen „Maskottchen“ sind. Denn obwohl der Lundehund klein ist, ist er extrem kräftig und ausdauernd. So können zwei Hunde einen Erwachsenen auf Skiern bei normalen Schneeverhältnissen und ebener Fläche ziehen.
Fazit
Jemand hat einmal gesagt, wenn man einen Lundehund besitzt, hat man eine Mischung aus einer Katze (Beweglichkeit, Putzfimmel), einem Fuchs (Schläue) und einem Wolf (Ausdauer).
HINTERGRUND
Das Lundehundsyndrom
An sich ist der Lundehund eine gesunde Rasse, er hat aber einen empfindlichen Magen-Darm-Trakt sowie eine genetisch bedingte Disposition für das sog. Lundehundsyndrom, ein Komplex von Krankheiten des Verdauungstraktes. Auch wenn es ein ernsthaftes Problem ist, so ist es nicht so dramatisch, wie gelegentlich dargestellt. Das größte Problem ist, dass die Symptome plötzlich und anscheinend ohne jede Vorwarnung und in jedem Alter auftreten können. Deshalb sind regelmäßige präventive Blutuntersuchungen völlig nutzlos, für den Hund aber ein nicht zu vernachlässigender Stressfaktor.
WUFF-INFORMATION
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Lundehund e.V. www.lundehund-ev.de
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Kontakt zum Autor: greter@pt.lu
- Update August 2016:Seit dem 02.08.2016 ist der an der TiHo Hannover entwickelte Test bezüglich des Lundehundsyndrom validiert.
http://bmcgenomics.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12864-016-2844-6