Der Mitarbeiter des Monats

Von Sophie Strodtbeck

Flexibilität im Arbeitsleben ist für ein berufliches Weiterkommen heutzutage unerlässlich.
Diese Erfahrung musste auch Herr Meier machen und wechselte ­dieses Jahr mit seinem Frauchen, der Tierärztin Sophie Strodtbeck, vom Großtierdoktor h.c. zum kompetenten Berater auf dem Gebiet der Tierernährung.

Anfang des Jahres habe ich mich entschieden, Kuhstall und VW-Bus als Arbeitsplatz gegen ein Büro in der Service­abteilung eines Herstellers für Tiernahrung einzu­tauschen. Und Herr Meier wurde genötigt, mit zu tauschen, obwohl er bis dato ein rundum zufriedenes Leben als Praxisfahrtbegleiter und „Arzthelfer“ geführt hatte und überraschenderweise sogar Liebling der Bauern und Bäuerinnen war.
Wehe ich kam mal ohne ihn! „Wo ist denn der Herr Doktor heute?“ wurde ich dann enttäuscht gefragt – jetzt weiß ich also auch, was der Kerl macht, wenn er mal wieder alleine auf Tour ist: ein FERNstudium, und inzwischen hat er es offenbar bis zum Doktortitel gebracht – ob in Forst- oder Ernährungswissenschaften, will er mir allerdings bis heute nicht ­verraten …

­Meiers Einstand im neuen Job Egal, jedenfalls hat auch Herr Dr. ­Meier sich inzwischen beruflich verändert und ist zum (Chef)Sekretär ernannt worden, bzw. hat sich selbst dazu ernannt. Und weil so was gefeiert werden muss, hat Meier gleich am ersten Tag den Kopierer begossen, bzw. markiert – unter den Augen meiner neuen Chefin, die mir gerade erzählt hatte, dass der Kopierer den Wert eines Kleinwagens habe.

Während mir sofort das Wort ­„Probezeit“ und auch die Preise für einen Dogsitter durch den Kopf schossen und ich knallrot anlief, hat Prinz Charming einfach mal schnell seine Stirn in Falten gelegt, seinen unwiderstehlichsten Beagleblick ­aufgesetzt, und die Sache war vergessen. Oh Mann, diese Fähigkeit hätte ich auch gerne – dafür ­würde ich sogar Falten auf der Stirn in Kauf ­nehmen! Und wenn die Spezies Mensch diese Art der Konflikt­lösung bzw. -­vermeidung beherrschen ­würde, wäre die Welt wahrscheinlich ein ­bisschen heiler.

Frühstück to go
Nach diesem feucht- (und mehr oder weniger) fröhlichen Einstieg machte sich auch bei Herrn Meier schnell eine gewisse Routine im Berufsalltag breit. Was heißt Berufsalltag? Der Herr von und zu ist sowieso der Meinung, dass wir die 30 km einfach täglich nur auf uns nehmen, um ihm sein kulinarisches Verwöhn- und Wellness­programm zukommen zu lassen.
Und das sieht folgendermaßen aus: In der Früh, wenn sein Frauchen, bzw. seine Chauffeurin, sich erst mal bei der Stechuhr melden muss, darf der Herr angebunden vor der Produktionshalle warten. Und dann rollt schon das erste Highlight an – der große LKW, der aus seiner Sicht das Essen auf Rädern bringt. Während ich noch wochenlang grübelte, was der Beagle auf einmal an Getreideschrot findet, hat Meier natürlich schon am ersten Tag geschnallt, dass es sich um hochwertige Rohstoffe ­tierischen Ursprungs handelt. Und er ist bis ­heute der festen Überzeugung, dass der Lastwagen nur seinetwegen kommt. Immerhin kennen ihn inzwischen sämtliche Fahrer namentlich und er wird freudig begrüßt – und hofft täglich, dass was daneben geht.

Full-time-Job mit straffem ­Tagesplan
Und jeden Morgen aufs Neue (täglich grüßt das Beagletier!) geht danach der große Kampf los, der Kampf um die mühsam trainierte, und inzwischen an anderen Orten eigentlich funktionierende Leinenführigkeit. In den ­ersten Tagen wunderte bzw. ärgerte ich mich noch, dass mir ständig irgendwelche Gabelstaplerfahrer hinterher pfiffen, wenn ich meine gefühlten 100 kg Beagle über den Hof zog – aber weit gefehlt, es waren nicht meine weiblichen Reize, sondern der reizende ­Beagle, dem sogar die stärksten Männer verfallen zu sein scheinen. Sobald es mir dann endlich gelingt, ihn auf allen Vieren ins Büro zu ziehen, steht dort das Empfangskomitee, natürlich inklusive Begrüßungsbuffet, schon bereit. Wenn er dann einmal quer über alle Schöße (zum Glück konnte ich ihm die Schreibtische ausreden!) ­gesprungen ist und sich die obligatorischen ­Streicheleinheiten und Leckerlis abgeholt hat, bleibt Zeit für die Begrüßung seiner Liebsten: Bella, eine knapp ­einjährige hübsche Labrador­lady, mit der dann erst mal wildes Toben angesagt ist.

Zum Glück stört sich bei einer Tier­ernährungsberatung am Telefon ­niemand an gelegentlichem Gebell, bzw. verliebtem, zärtlichem Hunde­säuseln im Hintergrund – ganz im Gegenteil. Weil Bella aber leider nur halbtags arbeitet und dann irgendwann Feierabend hat, ist danach genug Zeit für einen ausgiebigen und erholsamen Mittagsschlaf in ­stabiler Seitenlage – einen gemütlichen Schoß dafür findet er trotz seiner 15 kg immer. Und falls ihn zwischendurch der Hunger weckt, weiß er ganz genau, an welchen Schreib­tischen (eigentlich an allen!) er seine ­berühmte Beaglestirn in besagte Falten legen muss, damit umgehend der Napf gefüllt wird. Sollte das ausnahmsweise mal nicht ausreichen, singt er ein Ständchen – worüber sich wiederum die Menschen am anderen Ende der Telefonstrippe freuen. Vielleicht sollte man zur Umsatz­steigerung ein Band laufen lassen, wenn Meier mal im Urlaub ist …
Gegen Nachmittag treibt ihn dann seine innere Uhr zur Türe, um auf die Chefin zu warten, die ihm seinen täglichen Apfelbutzen bringt. Er hegt natürlich keinerlei Zweifel daran, dass sie den Apfel nur isst, um ihm den Butzen geben zu können!
Herr „Ich, Ich, Ich“ glaubt wahrscheinlich sogar, dass die Evolution Hasen nur zu seiner persönlichen Belustigung geschaffen hat. Mangelndes Selbstbewusstsein kann man ihm wahrlich nicht vorwerfen!

Betriebsinspektion zur ­Qualitätssicherung?
Ab und zu bietet der Arbeitsalltag auch ganz besondere Schmankerl, nicht nur kulinarische. So hat vor kurzem der Postbote vor lauter entzücktem „Mei, des isch aber ganz a Liaber!“ vergessen, die Türe wieder zu schließen, und der „ganz Liabe“ hat schneller das Weite gesucht als ich schauen konnte. Bis ich das Telefonat, das ich gerade führte, abgewimmelt hatte und hinterher kam, hatte er sich schon komplett in Luft aufgelöst – eine Disziplin, in der die Beagles im Allgemeinen wahre Meister sind, Meier auch im Besonderen. Nach kurzen, aber wüsten Beschimpfungen des Postboten, stellvertretend für den abwesenden Herrn Meier, stellte ich mich innerlich auf einen sehr langen Abend im Büro ein, denn auch meine letzte Hoffnung, ihn bei der Anlieferungsstelle der Rohstoffe wieder einsammeln zu können, erwies sich leider als Wunschvorstellung. Also machte ich mich auf die Suche (Andra, Beagle Nr. 2 und ausgebildete Meier-Trailerin, war an dem Tag leider nicht dabei) und erkundete dabei ganz neue Ecken des Betriebsgeländes, immer noch wild fluchend und inzwischen schon überlegend, unter welchem Schreibtisch man wohl am bequemsten übernachten könnte. Als ich meine Schimpftiraden kurz unterbrach, hörte ich sie auf einmal wieder, die wohlbekannten Pfiffe und Ent­zückungsrufe. Also immer den Ohren nach, wieder Hoffnung für eine ­erholsame Nacht im eigenen Bett schöpfend. Und siehe da, in der Schlange vor dem Werksverkauf fand sich Herr Meier – säuberlich eingereiht, denn als wohlerzogener Beagle drängelt man sich schließlich nicht vor! Mit verklärtem Blick und Herzchen in den Augen war er beim Anblick von Futtersäcken bis unter das Dach und soweit das ­Hundeauge reicht wahrscheinlich der festen Überzeugung, dass er im Beagle­paradies gelandet ist – oder wollte er nur zwecks Qualitätssicherung ­inkognito ein paar Stichproben besorgen? Nach erfolgter Vertreibung aus dem Paradies durch sofortiges Beenden der eigenmächtigen Betriebsführung beschloss ich, für diesen Tag schnell das Weite zu suchen. Nicht nur ich, sondern auch Herr Meier ­träumte in dieser Nacht selig – wovon er ­träumte, ist wohl nicht allzu schwer zu erraten.

Mitarbeiter des Monats
Während der ersten Wochen im Büro habe ich allerdings auch zu Hause wieder ziemlich mit ihm und seinem Sturkopf kämpfen müssen, weil er der Meinung war, dass auch hier das ­Hypnotisieren und Anbellen des ­Napfes zur sofortigen Füllung des ­selbigen führt. Aber inzwischen weiß er sehr wohl, was wo geht und wo nicht, und weiß sich anständig zu benehmen – sofern man beim Beagle überhaupt von Anstand reden kann … Und solange er das weiß, soll er sein Büroleben und seinen Chefstatus ruhig weiterhin genießen, wenn es ihn und meine Kolleginnen glücklich macht und dem Betriebsklima zuträglich ist. Und das ist es, abgesehen von der Betriebsklimaerwärmung durch die berühmt-berüchtigte Meier-­Flatulenz. Aber sogar das wird ihm natürlich nachgesehen, solange er dabei die Stirn in Falten legt …
Wenn er so weiter macht, ist ihm jedenfalls der Titel „Mitarbeiter des Monats“ bis zu seiner Rente sicher!

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