Der Maulkorb … und was er alles kann

Von Karin Joachim MA

Maulkorb tragende Hunde ­werden in der Gesellschaft häufig negativ ­wahrgenommen. Dabei wird der Maulkorb als Signal für die potenzielle Gefährlichkeit des Tieres ­interpretiert. Gleichzeitig aber wird ja so gerade seine angenommene Gefährlichkeit kontrolliert. Unter Hundehaltern gilt der Maulkorb als lästiges Übel, wenn er beispielsweise infolge einer Auflage des Ordnungsamtes getragen werden muss oder weil es die Beförderungsbedingungen der öffentlichen Verkehrsbetriebe verlangen.

Hunde, die einen Maulkorb ­tragen, erfahren ebenso wie ihre Halter oftmals eine Stigmatisierung in der Öffentlichkeit. Zu allem Überfluss wird vermutet, ein Maulkorb beeinträchtige das natürliche Verhalten des Hundes eklatant. Leider gab es bisher kaum wissenschaftliche Fakten rund um das Maulkorbtragen. Nun liegen einige sachdienliche Ergebnisse vor, die den Einfluss des Maulkorbs auf das Hunde­verhalten näher beleuchten. Eine 2012 veröffentlichte Studie (Elsing et al., s. Literatur), an der 30 Hunde aus 5 verschiedenen Hundeschulen (also Hunde von Privatpersonen) teilnahmen, analysierte den Einfluss eines angelegten Maulkorbes auf deren Verhalten und die Kommunikation mit Artgenossen. Die Hunde trugen Gittermaulkörbe, eine Voraussetzung dafür, dass andere Hunde möglichst umfassend die Gesichtsmimik erkennen können. Und ganz wichtig, damit die Tiere ausreichend Luft zum Atmen und Freiraum zum Hecheln haben.

Schränkt der Maulkorb die ­hund­liche Kommunikation ein?
Die Studie belegt, dass zu Hunden, die einen Maulkorb trugen, genauso häufig Kontakt aufgenommen wurde wie zu denen ohne. Die Haltung der Ohren war bei Hunden mit und ohne Maulkorb ähnlich. Allerdings hielten Hunde mit Maulkorb ihre Rute eher niedriger. Hingegen spielten Hunde mit Maulkorb weniger mit anderen als ohne. Als Ergebnis bleibt festzuhalten: Das hundliche Verhalten verändert sich durch das Tragen eines Maulkorbes nicht eklatant, es gibt wohl individuelle Unterschiede. Andere Hunde nehmen Maulkorbträger nicht anders wahr, sofern der Maulkorb die Gesichtsmimik gut erkennen lässt.

Verursacht das Tragen eines ­Maulkorbes beim Hund Stress?
Das Lecken über die Schnauze, die sogenannte „licking intention", die als Zeichen für Stress gewertet wird, zeigten dagegen diejenigen Hunde tendenziell häufiger, die keinen Maulkorb trugen. Als zweite Säule der Studie von 2012 wurden den Hunden mittels Wattestäbchen Speichel­proben entnommen, um den Cortisolwert zu bestimmen. Cortisol wird im Körper vermehrt in als stressig empfundenen Situationen ausgeschüttet. Da es keinen generellen Wert gibt, an dem man den Stresslevel bei Hunden festmachen kann, wurde bei jedem Hund ein Basiswert (Baseline-Wert) festgelegt. Dieser Basiswert, der in einer entspannten Situation gemessen wurde, dient dann als individueller Referenzwert. Bislang liegt noch keine Auswertung der Speichelproben vor.

Verhalten sich Hunde mit Maulkorb anders gegenüber Menschen? Hunde suchen laut der Studie von 2012 eher Kontakt zum Menschen, wenn sie einen Maulkorb tragen.

Ist das Tragen eines Maulkorbes tierschutzrelevant?
Ein Maulkorb schränkt das Verhalten des Hundes ein, insofern, dass er nicht beißen kann und keine unappetitlichen oder gar gefährlichen Dinge fressen kann. Zur Zeit liegen keine Hinweise vor, dass ein Maulkorb, der den Vierbeiner nicht behindert und an den er gut gewöhnt ist, Anlass zur Sorge geben müsste. Tierschutzrelevant ist allerdings das dauerhafte Anlegen einer Maulschlinge bzw. eines sogenannten Schlaufenmaulkorbes, die die Atmung behindern, die Wasseraufnahme sowie das Hecheln unmöglich machen und eine natürliche Kommunikation verhindern.

Ersetzt ein Maulkorb die ­Erziehung?
Nein, ein Maulkorb ist kein Erziehungsmittel. Ziel ist es immer, dem Hund Handlungsalternativen aufzuzeigen. Dies gelingt bei unsicheren Hunden oder Beißern mit Hilfe des Maulkorbes besser. Den Menschen, die einen unsicheren Hund haben oder einen, der das Beißen als Konfliktlösungsstrategie einsetzt, verhilft der Maulkorb zu einem sichereren Auftreten. Dieses Auftreten des Menschen, frei von der Sorge, der Hund könne beißen, beeinflusst wiederum das Verhalten des Hundes positiv (Stimmungsübertragung) und es kann gezielter an einer Verhaltensänderung gearbeitet werden.

Anleinen statt Maulkorb?
Ein (dauerhaftes) Führen an der ­Leine ist nicht unbedingt eine sinnvolle und tiergerechte Alternative zum ­Freilauf mit Maulkorb. Vielmehr konnte Ute Olsen (s.u.) nachweisen, dass un­sichere Hunde eher ängst­liches Verhalten an der Leine zeigen und eher Menschen oder Hunde an­knurren als ­Hunde, die häufiger Freilauf (mit Maulkorb) haben. Der Maulkorb ermöglicht Hunden also eine nahezu natürliche Kommunikation mit ­anderen Hunden.

Literatur

■ Racca, Anaïs, and Claude Baudoin. „The dog or its muzzle as a Signal of danger for humans." Journal of Veterinary Behavior: Clinical Applications and Research 4.2 (2009): 94.

■ Elsing, N., Spitzley, I und Gansloßer, U: Untersuchungen zur Auswirkung des Maulkorbtragens auf Hunde. In: U. Gansloßer (Hrsg.), Hund, Wolf & Co. Filander Verlag Fürth, 2012.

■ Udo Gansloßer und Kate Kitchenham: Forschung trifft Hund. Kosmos Verlag Stuttgart, 2012.„Ist der Maulkorb besser als sein Ruf", Gesellschaft zur Förderung Kynologischer Forschung, Info 35, Dezember 2012.

■ Ute Olsen (Diss. 2008): Zusammenhänge zwischen Hundeverhalten und unterschiedlichen Einschränkungen des Hundes durch die Leine. Diss. Veterinärmedizin Freie Universität Berlin.

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