Der Leonberger – Gelassener Riese

Von Liane Rauch

 

Die besondere Größe dieser Rasse und ihre Ursprungsrassen stellen an den Halter eines Leonbergers ­besondere Ansprüche.

 

Ihre Majestät, die ­Kaiserin ­Elisabeth, ist seit ihrer Rückkehr aus Rom im Besitz eines ­prachtvollen Leonberger Hundes … Der neue Hund macht täglich die Fahrten in den Prater mit seiner ­Herrin mit. Der neueste Lieblingshund soll 1400 ­Silbergulden gekostet haben“, wird 1870 in einer Wiener ­Zeitung vermerkt. Es stimmt, ­Kaiserin ­Elisabeth hatte Gefallen an dieser Rasse, besaß später sogar sieben Leonberger. Ende des 19. Jahrhunderts war der Leonberger ein Hund des Adels und hoher Beamter, das normale Volk konnte sich diesen Hund nicht leisten. Kanzler Bismarck, Garibaldi und Richard Wagner waren ebenfalls Liebhaber dieser Hunde.

 

Der Anfang

 

Der Name stammt von der Stadt des Begründers der Rasse, Heinrich Essig (1808-1887), Stadtrat zu Leonberg (Baden-Württemberg, nahe Stuttgart). In welchem Jahr die Zucht begann, weiß man nicht sicher. Essig schrieb 1877 an einen ­Hundehändler in Köstritz: „Meine Hunde, die ich seit dem Jahre 1846 erziehe, sind eine gelungene Kreuzung von dem ­Neufoundländer und dem ursprünglichen Hunde vom St. Bernhardsberg, die ich seither mit dem großen Wolfshunde aus den Pyrenäen – woher die Bernhardiner stammen – ver­bessert habe; sie sind die größte Rasse langhaariger Hunde, die neben ihrer Größe noch Klugheit und Schönheit vereinigen“. Als sicher gilt, dass Essig seine Zucht mit einer schwarz-weißen Landseer-Hündin und einem langhaarigen Bernhardiner-Rüden begonnen hat. Die schwarz-weiß gefleckten Welpen aus dieser Verpaarung dienten zur Weiterzucht mit braun-weißen Bernhardinern, die Essig persönlich aus der Schweiz holte. Und die großen Pyrenäenberghunde brachten die damals sehr beliebte ­silbergraue Schattierung in die Hunde. In der Regel waren die Hunde aber weiß mit schwarzen Köpfen, noch immer sehr ähnlich dem Landseer.

 

Je weiter die Zuchtbemühungen Essigs fortschritten, desto arg­wöhnischer beobachteten die Schweizer sein Treiben. In den 1850er Jahren, die Geschichten des legendären „Barry“ waren gerade um die Welt gegangen, begann in der Schweiz das große Geschäft mit den Bernhardiner-Hunden. Konkurrenz aus dem kleinen Leonberg war nicht sonderlich erwünscht. Mit allen möglichen Mitteln wurde versucht, die neue Rasse herabzusetzen: „Was man nicht definieren kann, das sieht man gut als Leonberger an …“. Sein Spitzname „Leonhardiner“ und die skeptische Betrachtung von Richard Strebel (Kynologe, 1861-1940) – „Ich will nicht bestreiten, dass ich selber schöne Leonberger sah, aber viel ­einheitlicher Typus und etwas Originelles ist es nicht“ – waren Versuche, die Rasse schlecht zu reden. Auf Hundeausstellungen durften die Hunde schließlich nicht mehr als Leonberger, sondern nur noch als Alpenhunde bezeichnet werden und wurden einfach in den Klassen ­gerichtet, denen sie am ähnlichsten sahen. Paradebeispiel dafür war der Rüde Caesar, 1880 auf einer Ausstellung in der Kategorie Alpenhunde von Richtern einmal als Leonberger bezeichnet und in derselben Ausstellung als „ganz prächtiger, langhaariger Bernhardiner“.

 

Einheitlichkeit kehrt ein

 

1895 wurde der Internationale Klub für Leonberger Hunde ­gegründet. Erst jetzt wurde erstmals ein ­Rassestandard erarbeitet und der Klub erreichte noch im selben Jahr die ­Wiederanerkennung der Rasse.

 

Ursprüngliches Zuchtziel

 

Hätte es die großen, mächtigen, ­zotthaarigen Bauernhunde nicht schon immer gegeben, würde das ursprüngliche Zuchtziel des Leonbergers wohl dem der Sennenhunde in der Schweiz und dem Rottweiler in Deutschland am nächsten kommen. Diese Bauernhunde waren Allrounder-Rassen, die sowohl als Hof-, Schutz-, Hüte- und auch Jagdhunde eingesetzt wurden. Der Pyrenäenberghund bringt die Herdenschutzhundeigenschaften mit in den Leonberger ein. Dennoch war der Leonberger nicht für eine ganz bestimmte, spezialisierte Auf­gabe gezüchtet. Ziel war vielmehr: Der Hund sollte groß, massig, schön und eindrucksvoll sein, nicht mehr und nicht weniger.

 

Wesentliches

 

Im Standard wird er als ausgesprochen kinderfreundlicher Familienbegleithund beschrieben, der sich mit jeder Wohn- und Lebenssituation arrangiert und den man ohne Probleme überall mit hinnehmen könne. Allein die Größe von 80cm Schulterhöhe setzt hier ­Grenzen. Ein Leonberger in einer ­kleinen Wohnung mit Kindern könnte die Kapazitäten sprengen. Sein definitiv vorhandenes Schutzhunderbe verleiht so manchem Vertreter dieser Rasse den oft zitierten „eigenen Kopf“ und ein gutes Maß an Territorialverhalten. Mehr über das Wesen und die Haltung aus Sicht des Hundetrainers (Seite 29) und des Hundepsycho­logen (Seite 28).

 

Gesundheit und Zukunft

 

Wie bei allen großen und übergroßen Rassen macht vor allem die Hüftgelenks­dysplasie (HD) große Probleme. Durch die geringe Zuchtbasis nach den beiden Weltkriegen wurden auch Hunde mit HD zur Zucht eingesetzt. Die durchschnittliche Lebenserwartung des Leonbergers übersteigt kaum 7 Jahre. Eine häufige und immer wieder vorkommende Todesursache ist eine Veranlagung der Rasse zu Knochenkrebs.

 

In Deutschland und Österreich werden Leonberger inzwischen auf Polyneuropathie – eine Erkrankung des Nerven­systems – getestet. Betroffene Hunde dürfen in beiden Ländern nicht mehr zur Zucht eingesetzt werden, nicht erkrankte Hunde, die jedoch das Gen tragen, dürfen nur noch mit Polyneuropathie-freien Hunden verpaart werden. In der Schweiz gibt es meines Wissens (Stand 17. 1. 2012) ein Zuchtprogramm auf Polyneuropathie noch nicht, dort ist ein HD- und ED-Röntgen zur Zuchtzulassung ausreichend.

 

Nichts für eilige Menschen

 

Der Leonberger kann bei guter ­Erziehung und rassegerechter ­Haltung ein hervorragender Begleiter für wenig sportlich aktive Menschen sein, wie mir eine Halterin dieser Rasse über ihre Hündin sagte: „Sie will einfach nur dabei sein,
da ist sie glücklich, man darf es nur keinesfalls eilig haben …“

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