Der Hund weiß, was er von Dir will!

Von Dr. Hans Mosser

Neue Studie beweist intentionale Kommunikation bei Hunden

Hunde sind in der Lage, uns zu einem konkreten ­Verhalten aufzufordern. Sei es, dass sie uns die ­Leine bringen, ­damit wir mit ­ihnen Gassi ­gehen, oder dass sie bei ­einer für sie unlösbaren ­Aufgabe unsere Hilfe suchen und uns dazu sogar auffordern. ­Handelt es sich dabei lediglich um ­„vermenschlichende“­ ­Interpretationen, wie dies Hundegegner gerne ­abqualifizieren? Die hier ­vorgestellte Studie an ­Hunden und Kleinkindern kann ­eine Antwort darauf geben,
wie WUFF-Herausgeber Dr. Hans Mosser zeigt.

Dass Hunde in verschiedenen ­Situationen ein Verhalten zeigen, in dem sie den Menschen anschauen oder ihre Blicke zwischen dem Menschen und einem Gegenstand/Ort wechseln („alternierendes Blickverhalten“), ist in Hundehalterkreisen bekannt und auch wissenschaftlich schon mehrfach untersucht worden.

Wir Hundehalter interpretieren das meist so, dass der Hund uns etwas zeigen will, ja mehr noch, dass er uns zu einer Handlung animieren will. Wenn mich beispielsweise mein Hund durch Sprünge oder sonstige Aufforderungen aus dem Wohnzimmer in die Küche lockt, sich dann vor den Tisch setzt, wo ein Korb mit alten harten Brotstücken steht (was er immer sehr gerne frisst), und dann abwechselnd zu mir und auf den Korb starrt, dann ist mir klar, dass der Hund die Absicht hat, mir zu zeigen, dass er einen Appetit auf das Brot hat und ich es ihm jetzt (gefälligst) geben soll.

Eigentlich handelt es sich hierbei um zwei miteinander gekoppelte Strategien des Hundes: Einerseits um ein aufmerksamkeitsheischendes („komm und folge mir in die Küche“) und andererseits um ein zielgerichtetes Verhalten („los, gib mir schon ein Stück von dem Brot“). Weil der Hund nicht auf den Küchentisch springt (zumindest nicht, wenn ­Herrchen im Haus ist), handelt es sich dabei für ihn um eine Aufgabe, die er selbst nicht lösen kann, weil er mich dazu braucht, ihm das Brot zu geben.

Hunde verhalten sich „funktionell“ wie Kinder
Dieses Verhalten nennt man in der Psychologie intentional und referen­tiell, weil es einerseits intendiert, also beabsichtigt, wie erwähnt, ein Ziel zu erreichen und sich andererseits auf einen Gegenstand bzw. Aspekt, nämlich das Brot und unsere Hilfe bezieht. Für uns Hundehalter ziemlich eindeutig, nicht aber so für die Wissenschaftler. Es könnte nämlich durchaus sein, dass dieses hundliche Verhalten zufällig so ist wie es ist, oder dass es sich der Hund aufgrund mehrerer Wiederholungen ­dieser Situation selbst antrainiert hat und nur wir es sind, die das in dem obigen Sinn so interpretieren.

In einer Studie haben ­Wissenschaftler der Universität Mailand nachzu­weisen versucht, ob es sich bei einem solchen hundlichen Blickverhalten tatsächlich um eine beabsichtigte ­Kommunikation des Hundes mit seinem Menschen, im Sinne der Aufforderung zu einer bestimmten Handlung handelt ­(Marshall-Pescini 2013). Dazu haben sie sowohl bei erwachsenen Hunden als auch bei Kleinkindern im vorsprach­lichen Alter untersucht, erstens, wie diese bei einer unlösbaren Aufgabe mit ihrem Blickverhalten reagieren, und zweitens, ob es Unterschiede gibt, ob bei dieser für sie unlösbaren Aufgabe der dabei stehende Mensch aufmerksam ist oder nicht.

Der Grund, dass man in dieser ­Studie nicht nur Hunde, sondern auch Kleinkinder im vorsprachlichen Alter unter­sucht und miteinander vergleicht, liegt darin, dass einige Theorien davon ausgehen, dass es bei Menschen und Hunden im Rahmen der Theorie der sog. konvergenten Evolution bei beiden Spezies zu ähnlichen kognitiven Entwicklungen bzw. Anpassungen gekommen ist. Stimmt das, dann müssten die Ergebnisse der Studie bei den Hunden und bei den Kleinkindern vergleichbar bzw. ähnlich sein.

Zwar ist schon bekannt, dass das hundliche Verständnis menschlicher Kommunikation etwa dem eines 2- bis 3-jährigen Kindes entspricht und dass, ähnlich wie Kinder, auch Hunde einer absichtlichen Zeigegeste des Menschen eher folgen als einer zufälligen (z.B. Lakatos 2009; Kaminsiki 2011). Doch beziehen sich diese Studien lediglich auf das Verständnis, nicht aber auf den bewussten Gebrauch solcher kommunikativen Hinweise.

Auch wenn Studien wie die erwähnten und auch andere (z.B. Virányi 2006) nachweisen, dass sich Hunde zumindest „funktionell“ ähnlich wie Kinder verhalten, so sei, sagen die Wissenschaftler aus Mailand, damit noch nicht ­bewiesen, dass diesen Verhaltens­ähnlichkeiten auch ähnliche kognitive Fähigkeiten entsprechen.

Blickwechsel als Kommunikation
Das kommunikative Verhalten, das die Mailänder in ihrer Studie nun untersuchen wollten, sind Blickwechsel des Individuums bei einer sog. „unlösbaren Aufgabe“. Frühere Untersuchungen ­haben bereits nachgewiesen, dass Hunde, wenn sie bspw. ein Objekt selbst nicht erreichen können, ihren Blick auf den Halter richten. Das wurde von ­Vielen als ein kommunikatives Verhalten interpretiert in dem Sinn, dass der Hund seinen Menschen sozusagen auffordert, etwas zu tun. Andere hingegen sind der Meinung, dass es sich hier nur um ein (selbst) antrainiertes Verhalten des Hundes handelt, der gelernt hat, dass ihm sein Mensch bspw. bei Nichterreichen eines erwünschten Objekts dieses dann doch verschafft.

Allerdings, würde der Hund mit diesem Verhalten einen Unterschied machen, ob der Mensch auch seine Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet hat oder nicht, dann würde das sehr wohl zeigen, dass er versteht, dass er sein Ziel nur erreichen kann, wenn die Person ihm Aufmerksamkeit zollt, die er dann diesbezüglich einfordern wird.

Die Hypothese
Die Wissenschaftler der Universität ­Mailand gingen nun von folgender Hypothese aus: Die Hunde werden bei einer unauflösbaren Aufgabe das erwähnte abwechselnde Blickverhalten zwischen Menschen und dem unerreichbaren erwünschten Objekt deutlich zeigen und zwar in Abhängigkeit vom Aufmerksamkeitszustand des Menschen. Eine Studie mit 53 Mensch-Hund-Paaren (19 Rüden und 34 Hündinnen zwischen 1 und 10 Jahren), die in einem normalen Haushalt leben und keine oder nur geringe Ausbildungserfahrung ­haben, sollte nun klären, ob die Hypothese stimmt oder nicht.

Ähnliches wurde mit 59 Kleinkindern zwischen 15 und 27 Monaten durchgeführt, bei denen sich dieses alternierende Blickverhalten ab dem 9.-10. Monat zu entwickeln beginnt.

Unlösbare Aufgabe
Die Versuchsanordnung bestand aus einer kleinen Holzplatte, auf der ein Spielzeug oder Leckerli (je nach Präferenz des Hundes) lag, über das ein Plastikgefäß gestellt wurde. In mehreren Versuchen wurde der Hund vom Halter animiert, das Plastikgefäß umzuwerfen, um zu seinem Ziel (Ball bzw. Leckerli) zu kommen. Zwei hintereinander erfolg­reiche Durchgänge zeigten, dass die Hunde gelernt hatten, ihr Ziel zu erreichen. Für den eigentlichen Versuch aber wurde das Plastikgefäß nun angeschraubt, sodass die Hunde es nicht umwerfen konnten. Dadurch wurde die Aufgabe, zu Ball oder Leckerli zu kommen, für sie unlösbar.

Ähnlich wurde diese Methode auch bei den Kleinkindern angewandt. Sie konnten durch das Umwerfen des Plastik­gefäßes zu einem für sie interessanten Objekt kommen (eigenes Spielzeug). Auch bei ihnen wurde dann das Plastikgefäß angeschraubt und sie so mit einer unlösbaren Aufgabe konfrontiert.

Diese Versuchsanordnung wurde nun darüber hinaus auch dahingehend variiert, dass der dabeistehende Mensch bei einem unlösbaren Versuch einmal zuschaute und bei einem anderen vom Hund abgewandt war.

Wie haben nun die Hunde und wie die Kleinkinder bei diesem für sie unlösbaren Versuch reagiert? Und hat es für sie einen Unterschied gemacht, ob der Mensch zugeschaut hat oder abgewandt war? Mit anderen Worten, haben die Hunde und die Kinder erkannt und unterschiedlich reagiert, je nachdem ob der Mensch aufmerksam war oder nicht? Denn wäre das der Fall, würde dies bei den Hunden beweisen, dass das alternierende Blickverhalten nicht zufällig oder selbsterlernt ist, sondern tatsächlich eine intentionale und referentielle Kommunikation, also einen bewussten auffordernden Akt bedeutet, der auch eine gewisse Abstraktion erfordert – eine beachtliche kognitive Leistung.

Die Ergebnisse
Zum Einen: Als die Aufgabe unlösbar wurde, das heißt, als Hunde oder Kinder das Plastikgefäß nicht mehr umstupsen konnten, um zum Spielzeug/Leckerli zu gelangen, zeigten sowohl die meisten der Hunde (73%) als auch der Kinder (77%) ein alternierendes Blickverhalten und schauten mehrmals abwechselnd auf das Plastikgefäß und den Menschen. Dieses Ergebnis war auch zu erwarten, da schon in anderen Studien dergleichen publiziert wurde.

Neu hingegen war zum Anderen die Versuchsanordnung in Abhängigkeit von der Aufmerksamkeit des Menschen. Und da zeigte sich, dass sowohl die Hunde als auch die Kleinkinder bei abgewandtem Menschen diesen bei der unlösbaren Aufgabe später, seltener und kürzer anschauten als dann, wenn er aufmerksam bei der Sache war.

In unseren Worten geschlussfolgert und übersetzt heißt das, dass sowohl die Hunde als auch die Kinder bei einer unlösbaren Aufgabe durch abwechselnde Blicke auf das (unerreichbare) Objekt und den Menschen von diesem Hilfe erwarten. Sie realisieren, dass bei ­fehlender Aufmerksamkeit des ­Menschen diese Hilfe eher nicht zu erwarten sein kann, weshalb das alternierende Blickverhalten als Kommunikation auch keinen Sinn macht.

Der Hund weiß, was er von uns will
In Summe interpretieren die Wissenschaftler ihre Studie auch dahingehend, dass es sich beim alternierenden Blickverhalten von Hunden bei einer unlös­baren Aufgabe eindeutig um eine intentionale und referentielle Kommunikation mit einem Menschen handelt, so wie dies auch bei Kleinkindern der Fall ist. Wenngleich hierbei ein Trainingseffekt natürlich zusätzlich von Bedeutung sein kann, so handelt es sich nicht primär um ein bloß antrainiertes Verhalten.

Zurückkommend auf das eingangs erwähnte Beispiel des Brotkorbs auf dem Küchentisch bestätigt sich also, dass Wuffi mir etwas zeigen und mich zu ­etwas auffordern möchte, ­nämlich dazu, ihm ein Stück hartes Brot zu geben. Ich denke, jeder von Ihnen wird ähnliche Beispiele von seinem Hund kennen, wo man eindeutig von einer solchen zwischenartlichen – fachausdrücklich – intentionalen und referentiellen Kommunikation sprechen kann. Jetzt, wo eine weitere Studie nachweist, dass unsere aus der Erfahrung be­gründete Ansicht auch wissenschaftlichen Kriterien standhält, sind wir in diesem Bereich zumindest davon freizusprechen, unseren Hund zu vermensch­lichen. Es ist keine Vermenschlichung eines Hundes, wenn man sagt, er will mir etwas zeigen und mich zu einem Verhalten auffordern, nämlich ihm zu helfen, etwas Bestimmtes zu erreichen.

Sie kennen sicher weitere ­konkrete Beispiele aus Ihrer Erfahrung mit I­hrem ­Vierbeiner – schreiben Sie sie mir doch ­(mosser@wuff.eu) und lassen Sie andere Leserinnen und Leser daran teilhaben!

Quellen
Literatur
Im Text erwähnte Literaturquellen in alphabetischer Anordnung.
• Kaminski J. et al. Dogs ­communicate with humans to request but not to inform. Anim Behav 2011;82(4):651-658
• Lakatos G. et al. A comparative approach to dogs and human infants comprehension forms of pointing gestures. Anim Cogn 2009;12(4):621-631
• Marshall-Pescini S. et al. Gaze alternation in dogs and toddlers in an unsolvable task: evidence of an audience effect. Anim Cogn 2013;16(6):933-943
• Virányi Z. et al. A nonverbal test of knowledge attribution: a comparative study on dogs and children. Anim Cogn 2006;9:13-26

Pdf zu diesem Artikel: kommunikation

 

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