So spärlich die Informationen über manch andere Hunderassen sind, so reichhaltig sind sie beim Hovawart. Dank Kurt Friedrich König und dessen Vater Bertram König können wir eindeutig nachvollziehen, aus welchen Rassen der Hovawart wieder auferstanden ist. Und hier kann man diesmal wirklich von einem Aufbau aus unterschiedlichen Rassen sprechen, da in den 1920er Jahren die einzelnen Rassen, aus denen der Hovawart herausgezüchtet wurde, standardmäßig erfasst und rein gezüchtet wurden. Der Name dieser Rasse ist uralt, Wachhunde gab es schon immer, es fehlte damals eigentlich nur an einer einheitlichen Optik des bis ins 20. Jahrhundert einfachen „Bauernhof-Mischlings“.
Der Schwabenspiegel – Erste schriftliche Erwähnung des Hovawarts: „… ein hunt heizet eine hovewart …“, so steht es geschrieben im Schwabenspiegel, einem der ältesten deutschen Rechtsbücher, verfasst von einem unbekannten Franziskaner Mönch um das Jahr 1275 in Augsburg. Dieses Buch geht zurück auf den Sachsenspiegel, das älteste bekannte Werk über Stadt- und Landrecht, welches in den Jahren von 1220 bis 1235 vom Ritter Eike von Repkow niedergeschrieben wurde. Es ging die Sage um, dass der Ritter Eike bei einem Überfall auf die elterliche Festung als Säugling von einem verwundeten Hovawart gerettet und auf die Burg befreundeter Edelleute gebracht worden sei. Im Gegensatz zum Schwabenspiegel wird der Hovawart im älteren Sachsenspiegel aber nicht namentlich erwähnt, woraus zu schließen ist, dass es sich wirklich um eine Sage handeln dürfte, die nicht zu beweisen ist. Es könnte jeder „Bauernhund“ gewesen sein, der den Ritter Eike gerettet hat. Wobei man davon ausgehen kann, dass die damaligen Bauern- und Hofhunde unter dem Namen „Hovewarte“ nicht nur in Süddeutschland, sondern auch im Norden bekannt waren, taucht diese Bezeichnung der Hof-Hunde in der mittelalterlichen Literatur doch immer wieder auf.
Bei Strafe war es verboten, einen „Hovewart“ zu stehlen oder gar zu töten. Der Schwabenspiegel schreibt eine Buße von 1 Schilling vor, stiehlt man einen Hund bei Tag, und 3 Schillinge, stiehlt man einen Hund bei Nacht. Warum ein Tag-/Nacht- Unterschied gemacht wurde, konnte leider nicht zuverlässig recherchiert werden. Der Name dieser Rasse ist also jedenfalls nachweislich fast 750 Jahre alt.
Als „Ur-Typ“ des Hovawarts bezeichneten die Züchter der Anfangszeit und des Neuaufbaus der Rasse gerne den Hund, der auf dem Kupferstich „Ritter, Tod und Teufel“ von Albrecht Dürer aus dem Jahr 1513 zu sehen ist. Es ist zu bezweifeln, dass sich ein edler Ritter damals eines einfachen Bauernhundes annahm. Der Hund auf dem Bild ist wohl eher ein Jagd-(Vogel-) Hund. Zweifel an der „Ur-Typ-Theorie“ können auch aufkommen, glaubt man der Beschreibung von Heinrich von dem Türlin (Dichter aus Kärnten), der um 1215 ein Gedicht über die Abenteuer des keltischen Königs Artus abfasste. „… diu ören waren üfegebogen als eim grözen hofwart …“, so stellt er einen Waldgeist in seinem Gedicht dar. Könnte man daraus schließen, dass es früher Hovawart-Typen sogar mit Stehohren gab?
Fest steht, Hof-, Wach- und Bauernhunde gab es in allen Größen und Varianten, ein einheitliches optisches Bild war nicht wichtig. Laut sollten die Hunde sein und vor allem misstrauisch gegen alles Fremde.
Bauernhund
Als Bauernhunde bezeichnete man Hunde, die auf mittelalterlichen Gehöften bis ins 19. Jahrhundert hinein als sogenannte „Allrounder“ gehalten wurden. Kurz-, lang- oder zotthaarig, in allen möglichen Größen und Farben, dienten sie dem Bauern je nach Anforderung als lebendige Alarmanlage, Mäuse- und Rattenfänger, als Treib- oder Hütehund. Aus diesem „Schmelztiegel“, wie es Hans Räber treffend nennt, ist auch der heutige Hovawart entstanden. Bevorzugt wurden mittelgroße, vor allem dunkle Hunde, machten die bei Fremden einfach mehr Eindruck.
Solche vierbeinigen Helfer gab es auf der ganzen Welt, von Asien mit der Tibet Dogge (Beckmanns Tibethund) über Europa mit z.B. Bernhardiner oder Schweizer Sennenhund, bis nach Amerika/Kanada mit den alten universell eingesetzten Indianerhunden. Und noch heute gibt es den Dansk-Svensk-Gaardshund, den Dänischen Bauernhund, der das „Bauern“ noch immer offiziell im Namen trägt.
Der „König“ des Hovawarts
„… die Hof- und Wachhunde nennt man Hovawarth oder Mistbeller …“, schreibt Ludwig Beckmann 1895. Eine eigenständige Rasse Hovawart kennt und beschreibt er aber nicht, sehr wohl aber den Neufundländer und den St. Bernhardshund, welche auch zu Beckmanns Zeiten schon gezielt gezüchtet wurden.
Erste Versuche, einheitliche Hovawarte zu züchten, unternahm Bertram König im frühen 20. Jahrhundert. Etwa 1910 gab König einen Hund aus seiner „Zucht“ an Prof. Dr. Albert Heim (Kynologe aus Zürich) ab. Albert Heim bezeichnete den wohl aus einer Bauernhund-Gordon Setter-Kreuzung entstandenen Rüden als „Berner Sennenhund des leichten Schlages“. Ein abruptes Ende der Bertram König-Zucht setzte der Ausbruch des ersten Weltkrieges.
Zitat Hans Räber: „Was zwischen den beiden Kriegen geschah, das war eine mehr oder weniger ziellose Vermehrung von Hunden, die dem angestrebten Zuchtziel entsprachen. Diese Zuchten schufen das Material, aus dem dann eine festgefügte Rasse entstehen konnte.“ Das schreibt Hans Räber über die Fortsetzung der Hovawart-Zucht von Kurt Friedrich König, Sohn von Bertram König, in den 1920er und 30er Jahren. Kurt Friedrich König „baute“ in seine Hunde so ziemlich alles ein, was ihm an Optik und Wesen geeignet erschien. Aus dem Harz (Thale) einen schwarz-marken Rüden unbekannter Herkunft namens Rex, den er mit einer ebenfalls schwarz-marken Hündin Dina verpaarte. Die schwarz-weiße Landseerhündin, ebenfalls Dina genannt, wurde zu einer weiteren Stammhündin seiner Aufbauzucht, ebenso wie langzotthaarige Hirtenhunde vom Typ „Altdeutscher Schäferhund“.
Einen optischen Standard verfasste Kurt Friedrich König nicht. Er achtete auf Wesen und Gebrauchseigenschaften. Seine Anforderungen fasste er in einem ersten Wesensstandard wie folgt zusammen „Wachsamkeit, Unerschrockenheit, Verteidigungsbereitschaft aber nicht Beißlust, Abwehrbereitschaft, Fährtentreue, Bringlust, Härte und Arbeitswille“. Viele dieser Eigenschaften findet man auch im heute noch gültigen Standard. War hier schon der Einfluss des damals in Deutschland bekanntesten Rassehundezüchters Max v. Stephanitz zu spüren? Der König-Wesensstandard für den Hovawart gleicht doch sehr dem des Deutschen Schäferhundes. Dass Kurt Friedrich König mit Max v. Stephanitz in engem Kontakt stand, belegt z.B. die Niederschrift der Mitgliederversammlung vom 11. Juli 1922 des SV (Schäferhundeverein) OG (Ortsgruppe) Thale/Harz, in dem König offensichtlich Mitglied war.
Typenhunde und andere „Cocktails“
Doch nicht die Königs alleine strebten den Typ eines „neuen“ deutschen Gebrauchshundes an. Alwin Busch, Theo Gräb und J.A. Becker verwendeten sogenannte Typenhunde, also Bauernhunde unbekannter Herkunft und Abstammung, die dem gewünschten Wesen und der Optik nahe standen. Alles, was dem gewünschten Typ entsprach, wurde zur Zucht eingesetzt. Gekreuzt wurde dann ein wahrlich abenteuerlicher Cocktail aus Deutschem Schäferhund, Kuvasz (den es damals noch in schwarz gab), Leonberger, Schweizer Sennenhund und Neufundländer. Busch, Gräb und Becker kamen aus der Gebrauchshundesparte und wollten einen alten deutschen Schutz- und Hofhund neu auferstehen lassen, der dem Deutschen Schäferhund im Charakter ähnelte.
Nachweislich in die Zuchtbücher eingetragen wurde damals ein Kuvaszwurf, ein Leonbergerwurf und ein Mischlings-Wurf aus Leonberger und Schweizer Sennenhund.
Ein kleiner Neufundländer-Rüde, „Moor Barniske“, verpaart mit typgerechten Bauernhunden, stellte eine wichtige Säule der Anfangszeiten des Wiederaufbaus dar. 1932 spielen zwei Rüden, Castor und Caro aus der Meyer-Busch-Linie, eine prägende Rolle in der modernen Hovawartzucht. Castor und Caro sind nachweislich aus verschiedensten Typenhunden (Bauernhunde), Neufundländern, Kuvasz und Deutschen Schäferhunden hervorgegangen. Auch Kurt Friedrich König tritt ab 1932 wieder vermehrt in Erscheinung. Es wird behauptet, dass er ab 1940 afrikanische Wildhunde in den nun seit 1937 in Deutschland als eigenständige Rasse anerkannten Hovawart einkreuzte. Genau beschrieben hat er seinen angeblichen „Wildhund“ leider nicht. Es kann sich dabei eigentlich nur um sogenannte Parias, Hunde vom Ur-Typ, gehandelt haben, die seinen Vorstellungen vom zukünftigen Hovawart am nächsten kamen. Wobei das keinen Sinn mehr gemacht hätte, die Anerkennung als Rassehund hatte er da ja schon.
Nach dem zweiten Weltkrieg verhinderte die Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen einen regen Austausch unter den Züchtern. Zusammenkünfte waren schwierig, zuverlässige Verkehrsmittel gab es wenig, und so kam es zwangsläufig zu optisch unterschiedlichen Lokalschlägen. Bedeutend waren eine Coburger, eine Hamburger, eine Oldenburger und eine Berliner Linie, die sich relativ isoliert entwickelt haben. Einen wirklich einheitlichen Phänotyp gab es noch nicht, welcher ja auch nicht wirklich das Ziel von Kurt Friedrich König war. Ein Beweis dafür könnte der heute noch anerkannte „blonde“ Hovawart sein. Wie beim Deutschen Schäferhund gab es keine Farbeinschränkungen, und Kurt Friedrich König ging nach dem gleichen Motto wie Max v. Stephanitz vor „Ein guter Hund kann keine schlechte Farbe haben“. Alle noch so ausführlichen Recherchen führten zu keinem befriedigenden Ergebnis, wo die Farbe blond her kam, oder ob es einen bestimmten Grund gab, in blond zu züchten. Die hellgelbe Farbe scheint ein Überbleibsel des Leonbergers zu sein. Es waren eben einfach alle Farben vorhanden, die auftreten konnten, außer einfarbig Weiß.
Mitte der 1950er Jahre scheiterten die Versuche, die inzwischen entstandenen Zuchtvereine zusammenzuschließen. In den 1940er und 50er Jahren gab es rund ein halbes Dutzend kleine Vereine, die Konkurrenz war groß, die Einigkeit gering und jeder kochte sein eigenes Süppchen. Vielleicht war das gar nicht so schlecht für die 1964 offiziell als Gebrauchshunderasse anerkannten Hunde. So blieb ein recht guter und gesunder Genpool erhalten, aus dem man heute schöpfen kann.
Der Name ist Programm
Der Hovawart passt auf! Dafür wurde er gezüchtet und das tut er auch heute noch. Er tut es unter Einsatz seiner Stimme und seines Körpers. „Kampftrieb“ wird im Standard wörtlich erwähnt. Leider wird von unseriösen Züchtern das ursprüngliche Zuchtziel ihrer Rasse oft verharmlost oder nicht erwähnt. Häufig werden Interessenten nicht richtig oder oberflächlich beraten, woraus leider immer wieder Probleme entstehen, die bei ausführlicher Information vermeidbar gewesen wären.
Zitat: „Dass der Hovawart auf keinen Fall wildert und besonders kinderlieb ist, gehört wohl genauso in den Bereich der Legenden wie die Geschichte, dass er besonders schwer das Kommando Voraus erlernt, weil er so an seinem Herrn hängt“, schreiben Heiko Gebhardt und Gert Haucke.
Die Rasse „Familienhund“ gibt es nicht. Ausschlaggebend für ein harmonisches Zusammenleben ist immer die Aufzucht, die Prägung und die Haltung eines Hundes. „Kinderliebe“ ist nicht erblich. Durch den „Schuss Herdenschutzhund“, der im Hovawart eindeutig vorhanden ist, sollte schon im frühesten Welpenalter auf eine erstklassige Prägung auf viele Besucher geachtet werden. Durch den nachweislichen Setter-Einschlag kann ein Hovawart sehr wohl auch Jagdtrieb zeigen.
Gesund und munter
Wie schon erwähnt, waren die teilweise großen Streitigkeiten unter den alten Vereinen der Gesundheit der Hunde offensichtlich nur zuträglich. Gesund ist er nämlich, der Hovawart. Natürlich gilt es auch hier, auf die bei großen Rassen verbreitete HD (Hüftgelenksdysplasie) und auf Augendefekte zu achten, was die heute übrig gebliebenen Vereine augenscheinlich verantwortungsbewusst auch wirklich tun. Im Großen und Ganzen kann man aber guten Gewissens sagen, der Hovawart dürfte eine der wenigen Rassen sein, die von schwerwiegenden Erbkrankheiten oder Gendefekten bisher verschont geblieben ist – ausgenommen die selten auftretende Degenerative Myelopathie. Die Symptome treten meist erst im höheren Alter auf. Die Hinterhand des betroffenen Hundes wird zunehmend instabil und es treten immer mehr Lähmungserscheinungen auf. Die Krankheit ist nicht heilbar und führt immer zum Tod des Hundes. Die Zuchtvereine gehen mit diesem Thema konträr um. Der eine Verein negiert diese Krankheit, der andere begegnet ihr mit verpflichtenden Untersuchungen für Zuchthunde. Detaillierte Informationen über die Degenerative Myelopathie finden Sie unter folgendem Link zum nachlesen: www.hovawart-club.de/zuchtgeschehen/degenerative-myelopathie
Wie bei jeder anderen Rasse auch, ist es wichtig, sich vor der Anschaffung mit der Rasse auseinanderzusetzen und den richtigen Züchter für sich zu finden.
Quellen
Franziskaner, Schwabenspiegel, 1275
Ludwig Beckmann, Geschichte und Beschreibung der Rassen des Hundes, 1895
Fritz Bengeforth, Der Hovawart, 1983
Hans Räber, Enzyklopädie der Rassehunde, 1993
Heiko Gebhardt und Gert Haucke, Die Sache mit dem Hund, 1999
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