Ende September beginnt die Jagdsaison. Die Schonzeit der Wildtiere ist zu Ende. In viele von ihnen wird sich wieder die Bleimunition von Jägern bohren, die durch eine mächtige Lobby aus Politik, Wirtschaft und Finanz geschützt sind. Unsere Hunde und Katzen hingegen schießen sie das ganze Jahr über ab. Doch nun ist auch die Schonzeit für solche Jäger vorbei. Der Österreichische Hundehalterverband macht dagegen mobil. Die Chancen stehen gut, die einschlägigen Jagdbestimmungen rechtlich erfolgreich zu bekämpfen. Jetzt ist die Zeit für alle Halter von Hunden und Katzen einzutreten für ein gesetzliches Verbot des Abschusses unserer Heimtiere.
Die Geschichte über den Eurasier-Rüden Atreju in der vorigen Ausgabe von WUFF hat viele Leser berührt. Atreju war nahe des Wohnhauses seiner Familie von Jäger Kurt M. erschossen worden. Der Jäger hat die Familie absichtlich nicht informiert, das sei nicht seine Verpflichtung. Vielmehr hat er den Hund zwei Tage später selbst entsorgt. Atrejus Frauchen erlebte eine Horrorwoche mit verzweifelter Suche, panischer Sorge und quälender Ungewissheit.
Enormes Echo auf WUFF-Artikel
Sehr viele Leser haben sich aufgrund des Artikels in der WUFF-Redaktion gemeldet. Darunter auch einige Jäger, die sich ausdrücklich von dem Vorgehen des Jägers Kurt M., der Atreju erschossen hatte, distanzierten. Er habe unverantwortlich gehandelt, möglicherweise auch widerrechtlich, da sich Atreju in der Nähe des Wohnhauses befunden haben soll. Zudem stünde aus verschiedenen Gründen der Verdacht im Raum, dass Kurt M. eine in Österreich verbotene Munition verwendet haben könnte. Durch die (rechtlich zulässige) eigene Entsorgung des Hundes habe er vielleicht Spuren verschleiern wollen, so wie ja auch vor einigen Wochen zwei Jäger in Salzburg einen von ihnen totgeschossenen Haushund in einem Fuchsbau verstecken wollten. Die Sache der Salzburger Jäger ist bekannt geworden, sie werden wohl ihren Jagdschein verlieren. Kurt M. hingegen hat sein Beweismittel rasch vernichtet. Er wird wohl weiter jagen und (vermeintlich) wildernde Hunde, die österreichischen Staatsbürgern gehören, erschießen dürfen.
Vernichtung von fremdem Eigentum
Ist es denn überhaupt zulässig, dass ein Jäger einen im Eigentum eines Bürgers stehenden, im Wald freilaufenden Hund bzw. eine Katze abschießen darf? Rechtlich ja, die gängigen Jagdgesetze in Österreich und Deutschland – mit Ausnahme des deutschen Bundeslandes Sachsen-Anhalt, das dies kürzlich mit einer Änderung des Jagdgesetzes verboten hat – erlauben dies. Noch! Es ist aber allerhöchste Zeit, diesen Punkt in den Jagdgesetzen als nicht verfassungskonform auszuhebeln. Das ist auch die erklärte Absicht des Österreichischen Hundehalterverbandes, der nun gegen den Abschuss von Hunden und Katzen durch Jäger mobil macht.
„Einfach ist es nicht", so Dr. Hans Mosser, Präsident des Hundehalterverbandes: „Wir stehen als Hundehalterverband einer extrem mächtigen Jägerlobby gegenüber". Ihre Macht habe diese Lobby nicht aufgrund einer großen Personenzahl, so Mosser, sondern vielmehr durch ihre Zusammensetzung. „Es sind Spitzen aus Wirtschaft, Finanz und Politik, die miteinander sehr gut vernetzt sind und wirtschaftlich sehr potent. Nicht zuletzt hat uns dies ja auch der Korruptions-Untersuchungsausschuss des österreichischen Parlaments vor Augen geführt", so Mosser. Dadurch, dass Politiker Teil dieses Jagd-Netzwerkes seien, werde der Kampf gegen die Todesstrafe für vermeintlich wildernde Hunde und Katzen schwer, so Mosser, doch er vertraue auf eine unabhängige Justiz.
Und das deutsche Bundesland Sachsen-Anhalt hat bewiesen, dass es geht. Das neue Jagdgesetz vom Mai 2012 verbietet es ab sofort den Jägern, im Wald freilaufende Hunde so ohne weiteres abzuschießen. Denn „nicht jeder Hund, der ohne Aufsicht in der freien Natur angetroffen wird, wildert", erklärte Umweltminister Frank Kupfer (CDU) das Gesetz.
Es ist zu hoffen, dass andere Bundesländer in Deutschland wie in Österreich folgen werden. Es könnte, so ein Jäger zu WUFF, verhindern, dass eine europaweit beginnende Diskussion zu einer Einschränkung oder gar Abschaffung der Jagd überhaupt führt. Das sei zu erwarten, „wenn sich die Jäger weiter so blöde aufführen", so der Weidmann.
Mobil gegen Jäger
Schon einmal, vor 16 Jahren, hat eine niederösterreichische Hundehalterin, Beatrix Leberth, versucht, den Gesetzgeber zu einer Abschaffung des §64 des NÖ Jagdgesetzes zu bewegen, nach dem wildernde Hunde abzuschießen seien. Ihr nur wenige Meter vor ihr laufender Hund wurde von einem Jäger angeschossen. Lediglich aufgrund eines Formfehlers wurde ihre Verfassungsklage abgewiesen. Ein Interview dazu finden Sie im Anschluss.
Doch nun sei die Zeit reif dafür. Denn die Chancen für eine Abschaffung dieser „Todesstrafe für Hunde" stünden nicht schlecht. „Jeder auch nur halbwegs juristisch gebildete Jäger weiß, dass der Abschuss eines Hundes und einer Katze (die dann samt Zubehör ins Eigentum des Jägers übergehen) Beschädigung und Vernichtung fremden Eigentums und ein schwerer Eingriff in das verfassungsmäßig verankerte Grundrecht auf Schutz des Eigentums ist", erklärt Leberth und findet breite Unterstützung nicht nur unter Hunde- und Katzenfreunden.
Massive Kritik gegen Jäger
In Deutschland gibt es bereits von offiziellen Stellen massive Kritik am Hundeabschuss. So fordert der Naturschutzbund den Landesgesetzgeber Nordrhein Westfalen auf, den Hundeabschuss aus dem Landesjagdgesetz zu streichen. Der makabre Anlass allerdings ist die Verwechslungsgefahr mit einwandernden Wölfen, die von Jägern gerne unter dem Vorwand getötet werden, dass man sie für wildernde Hunde gehalten habe. Aber auch die seriöse Jägerschaft ist gegen eine pauschale Abschusserlaubnis, so etwa der Ökologiche Jagdverein Bayern. Seine Präsidentin Elisabeth Emmert begründet das in einem Artikel in „Hund&Jagd": „Die legale Selbstjustiz von Jagdausübungsberechtigten ist nach der Aufnahme des Tierschutzes in das Grundgesetz nur noch als Anachronismus zu werten". Auch die bayrischen Grünen haben einen dementsprechenden Antrag gemacht. Und – wie schon erwähnt –, in Sachsen-Anhalt dürfen im Wald freilaufende Hunde nicht mehr so ohne weiteres erschossen werden.
Europäischer Gerichtshof: Urteil gegen Jäger
Äußerst große Unruhe hat unter der Jägerschaft allerdings ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofes hervorgerufen. Bislang ist nämlich in allen Jagdgesetzen noch vorgeschrieben, dass ein Grundeigentümer die Jagdausübung auf seinem Grund und Boden dulden müsse. Dies auch gegen seinen Willen. Ein deutscher Grundeigentümer, ein Anwalt, hat sich rechtlich dagegen gewehrt, ist jedoch zunächst in allen deutschen Instanzen gescheitert. Der Fall ging zum Europäischen Gerichtshof (EuGH), und der gab am 26.06.2012 dem Grundeigentümer Recht. Begründet mit dem Schutz des Eigentums Art. 1, Prot. Nr. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention muss also lt. aktuellem EuGH-Urteil ein Grundeigentümer die Jagdausübung auf seinem Grund nicht mehr dulden (Pressemitteilung des Kanzlers, Nr. 275, Beschwerde Nr. 9300/07).
Dieses Urteil hat weitreichende Konsequenzen! Denn laut Gesetz gelten ein Haushund und eine Hauskatze ebenfalls als Eigentum ihrer Besitzer. Warum sollte also hier der Schutz des Eigentums der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht gelten?
Zivilklage gegen Jäger Kurt M.
Das Frauchen von Atreju wird die Vernichtung ihres Hundes durch den Jäger Kurt M. nicht auf sich beruhen lassen und zivilrechtlich klagen. Das Hundemagazin WUFF wird diesen Fall medial begleiten, um Sie zu informieren. Und der Österreichische Hundehalterverband wird ihn auch finanziell unterstützen. „Wir sind es unseren vierbeinigen Begleitern schuldig", sagt ÖHV-Präsident Mosser. „Es ist unsere Verantwortung, der wir uns nicht entziehen können und dürfen! Wir haben einiges vor, über das wir noch nicht sprechen können. Aber es wird sich was tun, das ist sicher!" Und Mosser weiß hinter sich viele Hundefreunde, die auf den Artikel über Atreju reagiert haben. Im Folgenden ein kurzer Auszug einzelner Diskussionsbeiträge.
Nicht mehr auszuhalten!
„Geschockt von dem tragischen Schicksal Atrejus", „Mehr als ge-
schockt", „Fassungslos" und „Mir sind die Tränen gekommen" sind Aussagen, wie sie sich ähnlich lautend in allen Reaktionen finden. Großes Entsetzen über den Abschuss Atrejus und Mitgefühl mit Hund und Besitzerin dominieren. „Wir halten das kaum mehr aus, was sich die kaltblütige und kaltschnäuzige Jägerschaft erlaubt",so Familie Hecksberger zu WUFF, die eine Strafe für den Jäger Kurt M. sowie den Entzug seiner Jagdlizenz fordert.
Es sei allerhöchste Zeit, diesem grausamen Morden ein Ende zu setzen, sagt Susanna Zemsky aus Wien. Es sei die Pflicht der Hundehalter, „alles zu tun, um das Leben unserer Tiere zu schützen. Wer, wenn nicht wir?" Es liege in unserer Verantwortung dafür zu sorgen, dass sich ein solcher Vorfall wie bei Atreju niemals mehr wiederholt. „Diesem abscheulichen und widerwärtigen Vorgehen muss ein Ende gesetzt werden", betont Zemsky. So wie auch Nicole Kudym, die in ihrer Argumentation auf das zu schützende Recht auf Eigentum verweist: „Ein Jäger hat sich am Privatbesitz eines anderen nicht zu vergreifen, und der Hund gehört dazu! Wozu hat er Chip und Marke? Damit man weiß, wem er gehört!" Und fassungslos ist auch Thomas Schinnerl aus Gleisdorf (Stmk.): „Schlimm genug, dass Atreju sinnlos erschossen wurde, wenigstens hätte der Jäger der Familie die Tage der Ungewissheit ersparen können. Und zumindest hätte die Tierärztin das melden müssen!" Er möchte nicht alle Jäger „in einen Topf schmeißen", sagt er, nur leider gebe es viele, denen man die Lizenz entziehen sollte.
Vernünftiges Nebeneinander
„Es ist furchtbar, dass so etwas ungestraft geschehen kann", meint auch Tierärztin Arabella Dutka. Natürlich höre Tierschutz nicht beim Hund auf, doch dies dürfe niemandem das Recht geben, einen Hund abzuschießen. „Der Hund ist ein wertvoller Begleiter des Menschen und oft ein wichtiges Familienmitglied." Die Tierärztin wünscht sich ein „vernünftiges Nebeneinander von Jägern und Hundehaltern", was Verständnis und Pflichtbewusstsein von beiden Seiten erfordere.
Auch Jäger beklagen viele „schwarze Schafe"
Doch auch innerhalb der Jägerschaft rumort es. Ein Jäger aus Niederösterreich, der nicht genannt sein will, ist „sauer auf solche Leute, wie sie in WUFF geschildert wurden". Sie seien leider nicht die Ausnahme, das habe mit Weidwerk nichts mehr zu tun. Während wohl die Mehrheit der Jäger und Jagdverbände immer wieder Kultur und Tradition beschwören, so sei doch die Jagd, wie sie heute v. a. im Freizeitbereich betrieben wird, völlig pervertiert, hört man ebenfalls aus Jägerkreisen. Man würde obsoleten Nützlings-Schädlingsvorstellungen und falschen Selektionsprinzipien anhängen und sei darüber hinaus gekennzeichnet durch angemaßte Privilegien, die es sogar erlauben, Eigentum anderer Bürger zu vernichten, wie bspw. durch das Abschießen (vermeintlich) wildernder Hunde und Katzen.
Dies sagen nicht etwa nur Jagdgegner, sondern immer mehr Jäger, die sich zunehmend in sog. „ökologischen Jagdverbänden" in Deutschland und Österreich organisieren. Die Jagd dürfe nicht zur bloßen Freizeitbeschäftigung oder gesellschaftlichen Veranstaltung verkommen, die sich mit einem angeblichen Traditionsmäntelchen und Naturschutz umgibt. Es sei Zeit für eine große Jagdgesetzreform. Diesen Forderungen können sich Hundefreunde nur anschließen, wenngleich sie nicht mehr so lange warten wollen. So rasch als möglich sei nämlich das Verbot des Abschusses unserer Hunde durch Jäger zu realisieren.
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