Als der „Eishockeyspieler" unter den Hunden wird er bezeichnet, als temperamentvolles Kraftpaket, als kraftvoller Leichtathlet, als Energiebündel. Unerschrocken und selbstbewusst, zugleich auffallend kinderfreundlich. Das ist der Deutsche Boxer, wie er in der alten und neuen Literatur beschrieben und von vielen Haltern erlebt wird. Seine Anlagen als „Gebrauchs- und Arbeitshund" muss der Boxer aber auch ausleben können, soll er zugleich auch ein ausgeglichener Familienhund sein.
„Brehms Tierleben" gehört zur ältesten Literatur, in welcher der Rassename Boxer erstmals auftritt. Es sind gar wilde und blutrünstige Geschichten, die der Zoologe Alfred Brehm (1829-1884) in seinem berühmten populärwissenschaftlichen Werk über den Boxer oder den „Bulldogg", wie er die Rasse seinerzeit auch bezeichnete, schreibt (Brehm 1869). „Was der Boxer einmal gefasst hat, das lässt er so leicht nicht wieder los", etwa, oder eine Erzählung, nach welcher der Boxer von großer „begeisterter Mordlust gegenüber anderen Tieren" strotzen würde. Er würde sich an jedes Tier wagen, selbst an das gefährlichste, so Brehm, und hebt in Kontrast dazu die absolute Treue des Boxers gegenüber seinem Herrn hervor.
Bullenbeißer als Vorläufer des Boxers
Richard Strebel, der große Kynologe der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, beklagt in seinem Werk „Die deutschen Hunde" die seiner Meinung nach „halbenglische Rassebezeichnung" Boxer dieser „urdeutschen Rasse", die – ginge es nach ihm – eigentlich Bären- oder Bullenbeißer heißen sollte, wie denn auch „sein englischer Vetter, der Bulldog, seinen in heißen Kämpfen erworbenen Namen führt." Nach Strebel war der Boxer „ohne Frage eine durch bestimmte Zucht verkleinerte Form der großen Dogge". Und auch der 2008 verstorbene Schweizer Kynologe und WUFF-Autor Dr. Hans Räber berichtet, dass sich die Doggen- und Boxerentwicklung bis etwa 1850 kaum voneinander trennen ließen (Räber 1993). Es gilt unter Kynologen als unbestritten, dass die Vorläufer sowohl des Deutschen Boxers wie auch der Deutschen Dogge die Bullenbeißer waren. Hunde, die zunächst für Wildsaujagden als sog. Saupacker verwendet wurden. Je nach der Region teilte man sie ein in die Danziger Bullenbeißer und die nach einer belgischen Region benannten kleineren Brabanter Bullenbeißer. Letztere seien dann der eigentliche Ursprung des Boxers gewesen (Beckmann 1895).
Diese kleineren Bullenbeißer hießen in einem Bericht des Oberforstmeisters Hans von Fleming im Jahre 1719 zunächst noch „Bärenbeißer", die man für das „Tierhetzen" brauchte. „Sie mussten den Bären hin und her zwacken", so Fleming, der damit das grausame Schauspiel des „Bearbaitings" meinte. Dabei wurden kleine Braun- oder Schwarzbären, denen die Krallen und Fangzähne entfernt wurden, mit einem Nasenring an einen Pflock angebunden und die Hunde auf sie gehetzt. Später traten dann an die Stelle dieser Bären- oder auch der Wildsaujagden „Kämpfe zwischen Hunden und Stieren". Von diesem Kampf mit Stieren, dem damals so genannten Bullenbeißen (Bullbaiting) soll dann der eigentliche Name abgeleitet sein.
Jedenfalls ist leicht einzusehen, dass Unerschrockenheit, kraftvolle Energie und starkes Selbstbewusstsein das Wesen dieser unmittelbaren Vorläufer des heutigen Boxers bestimmen mussten.
Das Bullenbeißen wurde 1835 in Großbritannien durch das „Gesetz gegen die Grausamkeit" verboten, wobei in manchen Städten die Bevölkerung durch Einsatz des Militärs daran gehindert werden musste, diese Tierquälerei weiterhin durchzuführen.
Vom Bullenbeißer zum Deutschen Boxer
Im zu Ende gehenden 19. Jh. hatte es – vor allem in der Gegend um München – schon einige Boxer (teilweise spöttisch „Bierboxer" genannt) in Deutschland gegeben, wenngleich noch keine gezielte Zucht dieser Rasse. Es waren dann drei Männer, die sich dieser Aufgabe annahmen. Den Anstoß dazu gab der in München lebende Wiener Friedrich Roberth, der zusammen mit Elard König und Rudolf Hoepner 1895 den Boxer-Klub gründete. Damit begann eine planmäßige Zucht dieser Rasse, wenngleich es dabei unter den Züchtern eine gewisse Uneinigkeit betreffend den Typus gab. Während die einen den ursprünglicheren bulligen Boxertyp bevorzugten, stand bei den anderen ein eher leichterer, eleganter Typus im Vordergrund. In diesem Spannungsfeld scheint sich die Boxerzucht wohl bis heute zu bewegen, wenn man die unterschiedlichen Zuchtlinien betrachtet.
Hohelied auf den Boxer
Seine Begeisterung für den Boxer äußerte der österreichische Kynologe Dr. Emil Hauck in seinem „Hohelied auf den Boxer" in seinem Buch über doggenartige Hunde: „Wir können ihn am besten mit einem kräftigen Leichtathleten vergleichen, der ein hohes Maß an Kraft und Schnelligkeit in sich vereint. Sein ruhiges Wesen und die angeborene Kinderliebe machen ihn zu einem angenehmen Hausgenossen, dabei ist er der geborene Schutz- und Begleithund", so Hauck, und lobt den Boxer aufgrund seiner „Anhänglichkeit und Treue gegen seinen Herrn und das ganze Haus". Zudem betont Hauck des Boxers Wachsamkeit, seinen unerschrockenen Mut als Verteidiger und Beschützer. Er sei „harmlos in der Familie, aber misstrauisch gegen Fremde, heiteren und freundlichen Temperaments beim Spiel, aber furchtbar im Ernst" (Hauck 1965, zitiert in Räber 1993).
Boxer einst und heute
Liest man die alten, teilweise fast martialischen Beschreibungen des Boxers und seines unmittelbaren Vorläufers, dann scheint heute davon nicht mehr viel übrig zu bleiben, glaubt man WUFF-Verleger Gerald Pötz, der sich im März 2006 in einem Artikel in WUFF als Liebhaber dieser Rasse outete und zugleich beklagte: „Am Beispiel des Deutschen Boxers wird mir klar, dass von den einst kraftstrotzenden und stämmigen vierbeinigen Erscheinungen oft nur mehr „zarte Rehlein" übrig geblieben sind." (Pötz 2006).
Ist das wirklich so? Hat der Boxer aufgrund der heute doch deutlich zu bemerkenden gesellschaftlichen Tendenz, nach welcher Hunde nur mehr zart, leise und krank sein sollen und Wehrhaftigkeit und Schutztrieb unerwünscht sind, seine alten Eigenschaften verloren? Hat der Boxer heute als Gebrauchshund, der er lt. Rassestandard ja zweifellos immer noch sein sollte, ausgedient?
Nach der „Papierform", der offiziellen Rassebeschreibung der FCI, scheint der Boxer als Gebrauchshund keineswegs ausgedient zu haben. Der Boxer ist ein „Begleit-, Schutz- und Gebrauchshund", heißt es da, und man liest sogar teilweise wortwörtliche Auszüge des vorhin erwähnten „Hohelieds auf den Boxer" von Dr. Emil Hauck. Offensichtlich hat sich im Rassestandard in dieser Hinsicht nichts geändert, außer Kleinigkeiten. Wenn Hauck 1965 noch schrieb, die Rasse sei „heiteren Temperaments beim Spiel, aber furchtbar im Ernst", so hat man im Standard den Ausdruck „furchtbar" durch das weniger dramatisch klingende „furchtlos" ersetzt.
Die Zukunft des Boxers
Wie sieht es aus mit der heutigen Boxerzucht? Wie ist es um die Zukunft der Rasse bestellt und wie wird sich die Zucht weiterentwickeln? Das fragte WUFF bereits im Jahr 2008 die Boxervereine in Deutschland, Österreich und in der Schweiz. In Österreich bemüht sich die Boxerliebhaberin und ehemalige Züchterin Kerstin Piribauer seit vielen Jahren um die Gesunderhaltung des Deutschen Boxers und seine Zukunft. Zucht, so sagt Kerstin Piribauer im Gespräch mit WUFF, bedeute immer Streben nach Verbesserung. Da wäre Zufriedenheit der Feind des Fortschritts. Auf Piribauers Website „www.4-pfoten-lebensrecht.at" finden sich ausführliche Informationen rund um die Zucht und Gesunderhaltung des Boxers.
Auf ihrer Website schreibt Piribauer: „Der züchterischen Praxis entnommenen Aufzeichnungen über einen Zeitraum von 2008 bis Dezember 2014 zufolge liegt das Durchschnittsalter des Boxers derzeit bei knapp über 7 Jahren! Obwohl durchaus einige Boxer das beachtliche Alter von elf, zwölf oder gar 13 Jahren erreichen, ergibt sich das niedrige Durchschnittsalter zum einen durch den frühen Krebstod vieler Boxer im Alter zwischen fünf und acht Jahren, zum anderen durch den häufigen JRD (engl.: juvenile renal dysplasia – eine Nierenerkrankung) bedingten Tod in den ersten Lebensjahren. Diesen Aufzeichnungen zufolge sterben rund 53% aller Boxer an einer Krebserkrankung. Hier wäre rassespezifische Forschung von besonderer Bedeutung – beispielsweise hat die ehemalige Landesgruppe Kärnten des Österr. Boxer Klubs in Zusammenarbeit mit der Veterinärmedizinischen Universität Wien ein Projekt zum Mammakarzinom der Boxerhündin ins Leben gerufen. Aus züchterischer Sicht können wir – wie bei anderen Rassen auch – sicher davon ausgehen, dass das Inzuchtniveau bei dieser Thematik ebenso wie auch bei den zunehmenden Autoimmunerkrankungen eine große Rolle spielt. Neue Möglichkeiten der molekulargenetischen Diagnostik bestätigen die in der Populationsgenetik bereits seit Jahrzehnten bestehende Warnung vor einem steigenden Inzuchtniveau und dessen Auswirkungen auf das Immunsystem auch beim Boxer."
Außerdem finden Sie auf Piribauers Website elf Tipps für Ihre Suche nach einem Boxerwelpen. Das sollte jeder Boxer-Interessent vor der Anschaffung gelesen und berücksichtigt haben.
Wo sind die „Weißen"?
Die am Anfang der Rassegeschichte des Boxers noch zulässigen Farben Schwarz und Weiß wurden 1925 verboten und entsprechende Welpen lange Zeit auch getötet. Bereits im Jahr 2008 schrieb Gerald Pötz über die weißen Boxer: „Jetzt werden einige Funktionäre vielleicht entnervt stöhnen – ‘Bitte nicht wieder mit den Weißen anfangen; die haben wir schon fast ausgerottet’, lese ich in den Gedanken einiger ‘Farb-Rassisten’". Werfen wir einen Blick in den aktuellen Rassestandard des Boxers. Dort lesen wir unter dem Punkt Fehler: „Grundfarbe von mehr als einem Drittel Weiss verdrängt." Die weißen Boxer werden also nach wie vor ausgeschlossen, obwohl sie immer wieder bei Würfen dabei sind. Die Gene kann man nicht verleugnen, und der – hauptsächlich weiße – Bulldog zählt nun einmal zu den Vorfahren des Boxers." Was passiert mit den weißen Boxern? Ausgemerzt? Offiziell nie geboren?
Eine Erklärung, warum die Farbe Weiß 1925 beim Boxer „verboten" wurde, könnte der Umstand sein, dass Boxer 1924 als „Diensthunde" anerkannt und als Militärhunde eingesetzt wurden. Da seien weiße Hunde natürlich ein gutes Ziel gewesen (Mielke 2008) – wenngleich dieses Argument nicht für den Winter gelten kann. Da wären die weißen Boxer die ideal getarnten Tiere …
Die typischsten Boxerköpfe waren weiß
Wie auch immer, das Thema wurde schon 1936 in den „Boxer-Blättern" des 1895 gegründeten Boxer-Klubs so diskutiert: „Der Farbenfimmel hat unserem Boxer im Laufe der Zeit bestimmt geschadet. Alle immer wieder vorgebrachten Begründungen stimmen nicht. Die Farbe des Boxers ist und bleibt Geschmackssache und sie muss deshalb gegenüber Typ und Wesen erheblich zurücktreten! … Leider wurden durch den Kampf gegen das Weiß und die dadurch bedingte Tötung der entsprechenden Welpen sicherlich gerade unsere typischsten Boxerköpfe vernichtet."
Das Wesen des Boxers
Nun, abseits der Diskussionen um Fell- und Fehlfarbe und die weitere Entwicklung der Zucht, was ist es, das so viele über das Wesen des Boxers ins Schwärmen kommen lässt? Sein offensichtlich sehr stark ausgeprägtes Temperament geht bereits aus dem hervor, was über seine Herkunft dokumentiert worden ist. Und auch der Autor dieses Porträts hat seine Jugenderfahrungen mit dem Boxer einer befreundeten Familie gemacht, was wohl etwa schon 40 Jahre zurückliegt. In Erinnerung blieb ein gelber Hund, dessen (damals kupiertes) Hinterteil sich bei der freudigen und temperamentvollen Begrüßung derart wild hin und her bewegte, dass man meinte, der Hund müsse jeden Moment in der Mitte abbrechen.
Einen „aufrechten, treuen und gutmütigen Charakter" nennt der Zoologe Dr. Haltenorth den Boxer, nicht ohne auch seine „notfalls schneidige Angriffswucht" zu nennen, die ihn zu einem geeigneten Wach-, Schutz- und Begleithund mache, „dem man auch unbedenklich Kinder anvertrauen" könne (Haltenorth 1958). Der Boxer strotzt vor Selbstbewusstsein, wie sich jeder auf Hundeplätzen überzeugen kann. Dies lässt ihn bei Sozialkontakten mit Artgenossen allerdings mitunter als „rüpelhaft" erscheinen, weshalb man in der Auswahl seiner Spielkameraden bewusst vorgehen sollte, wie manche Boxerhalter erzählen. Denn der Boxer spielt mit viel Körpereinsatz, weshalb ihn manche auch als den „Eishockeyspieler unter den Gebrauchshunden" bezeichnen.
Leben mit einem Gebrauchshund
Da der Boxer eine Gebrauchshunderasse ist und „arbeiten" will, ist es wichtig, diesem Temperamentsbündel auch die geeignete Beschäftigung zu geben, um einen ausgeglichenen Hund an seiner Seite zu haben. Wer sich mit seinem Boxer nicht im Gebrauchshundesport engagieren will, für den eignet er sich auch als guter Sportpartner, als temperamentvoller Begleiter für das Laufen, für lange Spaziergänge und Wanderungen. Aber auch in den heute üblichen Hundesportarten wie bspw. Agility finden sich immer wieder Boxer. In der aktuelleren Literatur finden sich viele Beispiele, wie man seinen Boxer sinnvoll und boxergemäß beschäftigen und fordern kann (Ochsenbein 1992, Weisse 1992, Mielke 2008). Oder man nimmt Kontakt zu Boxerhaltern, -züchtern oder -vereinen auf, wo man zumeist sehr gut beraten wird.
Dass diejenigen Eigenschaften des Boxers, die ihn zum Gebrauchshund machen, auch Voraussetzung sind für seine Familientauglichkeit, davon ist Boxerkennerin Kerstin Piribauer überzeugt. „Diese Eigenschaften", sagt Piribauer, „die ja entgegen vieler Ammenmärchen zugleich die Garantie für wesensfeste Familienbegleiter sind, die unsere Gesellschaft heute braucht, müssen neben den gesundheitlichen Aspekten im Mittelpunkt der Zuchtüberlegungen stehen."
Nur ein gut erzogener Boxer ist ein angenehmer Begleiter. Und – so verspielt und lustig ein Boxer auch erscheinen mag, ist er sicher kein geeigneter Hund für Hundeanfänger.