Ein passionierter Jäger wie der Deutsch Drahthaar ist an sich nicht das, was sich der normale Hundehalter von einer Rasse erwartet, die immerhin eine häufige Rasse in Deutschland ist. Daher ist ein typischer Halter dieser Rasse ein Jäger, der den Hund auch entsprechend seinen
Fähigkeiten einsetzt.
Entstehung und ursprüngliches Zuchtziel
Dass bereits in der Antike der Mensch den Hund als Jagdgehilfen heranzog, ist unbestritten. Meist handelte es sich um Hunde, die das Wild lautstark hetzten. Arrian beschreibt in seiner uralten „Kynegeticus“ einen hässlichen, rauhaarigen Jagdhund der Gallier unter dem Namen „Segusier“, der dem jetzigen Deutsch Drahthaar sehr ähnelte. Diese Hunde hatten die Aufgabe, das Wild aufzuspüren und vor die Flinte des Jägers zu hetzen.
Unter Karl dem Großen, im 9. Jahrhundert, kam in Europa die Falkenjagd immer mehr in Mode. Hetzende Hunde waren da nicht mehr zu gebrauchen. Vielmehr musste der vierbeinige Gehilfe die Jagdbeute aufspüren, markieren, also „vorstehen“ und das Federvieh dann aufscheuchen. In dieser Zeit liegt die Geburtsstunde der heute bekannten „Vogelhunde“. Durch gezielte Zuchtauswahl gelang es den Jägern, diese Hunde immer mehr zu verfeinern. Es entstanden exquisite Spezialisten, die nichts anderes als Stöbern und Vorstehen zur Aufgabe hatten. Solche Hundegehilfen entwickelten sich relativ unabhängig voneinander in ganz Europa. Die verblüffende Ähnlichkeit des Deutsch Drahthaar z.B. mit Spinone und dem Griffon d’arrêt à poil spricht für die gemeinsame Abstammung von den gleichen Vorfahren. Im Deutschland des 17. Jahrhunderts entstanden drei unabhängige, lokale Schläge: Der strauffhärige Hühnerhund, der Wasser- oder Entenhund und der Stöberhund.
1779 unterschied man zwei Haarvarianten, den stockhärigen und den flockhärigen Hühnerhund. Von einer einheitlichen Rassebezeichnung war man aber noch weit entfernt. Die Jäger selbst sprachen vom „ Polnischen Hühnerhund“, in Fulda hießen sie „Deutsche Hunde“. In Hessen nannte man sie „Rauhbart“ oder „stichel-, stachel- oder rauhaarige Hunde“. In Ostdeutschland hießen sie „Niederländer“, „Isländer“ oder „Dänen“, in Bayern nannte man die Hunde „Sattelpudel“.
Der politische Umsturz 1848 schien der Anfang vom Ende dieser spezialisierten Hunde zu sein. R. v. Schmiedeberg schreibt: „Das fluchwürdige Jahr 1848 nahm den berechtigten Jägern den größten Teil ihrer Reviere … jeder Bauer, jeder Handwerker schaffte sich eine Flinte und einen Hund an … es wurde fröhlich ins Feld hinausgegangen und geknallt … so schlich sich in das gute Blut der deutschen Hühnerhunde in großartigstem Maßstabe Köterblut ein.“
Als 1866 Hessen von Preußen annektiert wurde, überlebten nur geringe reine Bestände um die Städte Melsungen und Hersfeld. Adalbert v. Rauch schreibt „Der Hund ist innerhalb der letzten zehn Jahre fast verschollen.“ Der Fabrikant Franz Bontant aus Frankfurt am Main nahm sich der Hunde an und gilt in Fachkreisen als „Retter in der letzten Minuten“. 1867 erhielt er einen Rüden aus Hanau (Fasanerie), kurz darauf eine Hündin, die aus einer engen Inzuchtlinie stammte. Von 1868 bis 1880 kamen aus seiner Zucht 50 Hunde, die er nur dann verschenkte, wenn er sicher war, dass sie gut behandelt und rein weiter gezüchtet wurden. Zum BontantschenStamm kam 1879 noch der Stamm „Hessische Rauhbärte“ und ein Stamm „Schwarz wälder Stichel haarige“. Ab 1880 kamen noch die Züchter Major von Metzlen aus Boppard und B. Siegmund (Basel), Neukomm (Schaffhausen) und Dr. Machwürth (Zürich) dazu. Alle diese Züchter, außer Siegmund, hatten ausschließlich Hunde von Bontant im Zwinger.
Die Entwicklung des Deutsch Kurzhaar und das ursprüngliche Zuchtziel entsprechen weitgehend seiner heutigen Zucht und Verwendung.
Die Beschreibung der Herkunft, des Wesens und der Anforderungen an die zukünftigen Halter gelten somit für alle drei heute bekannten Schläge, also den Deutsch Kurzhaar, den Deutsch Stichel- und Drahthaar.
Das Wesen
Diese Hunde sind Spezialisten. Sie hatten und haben den Arbeitsablauf
„Stöbern, Vorstehen, Aufscheuchen, Apportieren“ zu erledigen. Nicht
nur der hervorragenden jagdlichen Eigenschaften wegen wurden sie in früheren Zeiten geschätzt, sondern auch als „tapfere Verteidiger ihrer Herren und Wächter des Hauses“. Eine gewisse Grundschärfe kann also in so manchem Vertreter dieser Rasse heute noch schlummern, wobei das sicherlich nicht auf alle Deutsch Drahthaar zutrifft und in heutiger Zeit auch nicht mehr so gefragt ist.
Hunde dieser Rasse werden als überaus intelligent und gehorsam beschrieben. Alle Deutsch Drahthaar, die ich bisher kennengelernt habe, zeigten eine lockere Bindungsbereitschaft, der „will to please“ ist eindeutig nicht mit dem eines Hütehundes zu vergleichen. Deutsch Drahthaar sind Jagdhunde und Jagdhunde müssen bis zu einem gewissen Grad alleine arbeiten. Eine Stöberjagd würde sich sehr zäh gestalten, würde der Jagdhund, wie der Hütehund, immer wieder Blickkontakt zum Jäger aufnehmen und auf das nächste Kommando warten.
Wie in vielen anderen gängigen Wesensbeschreibungen aus dem Rassestandard fehlt auch hier eindeutig eine Beschreibung der negativen Seiten der Rasse. Keine Silbe über den ausgeprägten Jagdtrieb, der von „Privatpersonen“ nur schwer in den Griff zu bekommen ist. „Selbstbewusst aber aggressionslos, die Augen haben einen treuen Ausdruck.“ Mehr verrät der Verein Deutsch Drahthaar leider nicht über das Wesen seiner Rasse. Dass es sich um einen perfektionierten Jagdhund handelt, der, als Familienhund gehalten, nicht wirklich glücklich wird, wird nicht erwähnt.
Das Aussehen
1879 wurde in Hannover der erste Standard aufgestellt. Es wurden zwei Fellvarianten, kurzhaariger und langhaariger, beschrieben, obwohl es eigentlich drei Gruppen gab:
• stichelhaariger (stachelhaar)
• zottiger oder flockhaariger
• wollhaariger
Es gab noch keine Trennung des Deutsch Stichelhaar vom Deutsch Drahthaar. Die Unterschiede zwischen Stichel- und Drahthaar sind so gering, dass nur das Stammbuch sicher Auskunft geben kann, um welchen Schlag es sich handelt. Hegewald und Oberländer lehnten die Trennung dieser beiden Schläge kategorisch ab. 1882 wurde in Hannover der erste Standard des stichelhaarigen Vorstehhundes erarbeitet und damit als eigene Rasse anerkannt. Ausdrücklich im Stammbuch erwähnt ist noch heute „Der stichelhaarige Hund ist ursprünglich eine Varietät unserer glatthaarigen Hunde.“
Es gibt drei Farbschläge, braun, braunschimmel und schwarzschimmel. Am beliebtesten ist der Farbschlag braunschimmel. Der typische Bart und die ausgeprägten Augenbrauen sind eindeutige Rassemerkmale. Die Größe: Rüden bis 68 cm, Hündinnen bis 64 cm.
Bis ins Jahr 1888 habe ich bei meinen Recherchen nur Abbildungen von unkupierten Hunden gefunden. Vom Deutsch Kurzhaar habe ich sogar bis 1897 nur Bilder von unkupierten Hunden recherchieren können. Nirgendwo war zu finden, wann genau das erste Mal und vor allem warum die Hunde kupiert wurden. Die erste Abbildung von kupierten Deutsch Kurzhaar stammen aus dem Jahr 1900. Im Standard steht „für den Jagdgebrauch zweckmäßig gekürzt.“ Kupieren hatte ursprünglich niemals etwas mit dem Jagdgebrauch zu tun. Leider reden sich noch heute Jäger auf dieses „Märchen“ heraus. Kupieren ist unsinnige Tierquälerei, wurden ja erstaunlicherweise andere Jagd-, Vogel- und Stöberhunde niemals aus diesem Grund kupiert. Es ist zu hoffen, dass dieser Unsinn endlich aufhört.
Die Zucht und heutige Verwendung
Nach dem Deutschen Schäferhund und dem Dackel ist der Deutsch Drahthaar einer der beliebtesten Hunde in Deutschland. Der Deutsch Drahthaar ist heute noch ein hervorragender Vorstehhund. Nur wenigen Rassen ist es vergönnt, in unserer Zeit noch ihrer ursprünglichen Aufgabe nachzugehen. Diese Rasse sollte, meinen Erfahrungen nach, am besten in „Jägerhand“ geführt werden. Züchter, die ich kennengelert habe, exportieren ihre Hunde ins Ausland. Dort werden sie häufig zur Wildschweinjagd eingesetzt, was dem mutigen Jagdgebrauchshund auch gut entspricht.
Der Verein Deutsch Drahthaar e.V. schreibt: „Deshalb kann er völlig unproblematisch im Zwinger gehalten werden. Auch kalte Nächte kann er in einer isolierten Hundehütte im Freien verbringen. Das stärkt seine Konstitution und hilft ihm, sein wetterhartes Haar bestmöglich zu entwickeln.“ Und auch das kann man lesen „Er ist wachsam und treu, was ihn zu einem guten Schutzhund werden lässt“ und „er ist mit seinem ruhigen und selbstbewussten Wesen ein idealer Spielkumpan für die Kinder.“ Kein Hund gehört in einen Zwinger, schon gar nicht in kalten Nächten, womöglich noch alleine. Kein Hund ist von Geburt an ein idealer Spielkumpan für Kinder.
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