Der Dalmatiner

Von Simone Zollinger

Mehr als ein Pünktchenhund

So vielfältig wie die Theorien über die Herkunft der Rasse sind auch die Dalmatiner selbst. Anordnung und Zahl ­ihrer Tupfen machen jeden Hund optisch zu einem „Unikat“. Eine Zeitlang durch den Film „101 Dalmatiner“ zu einem zwischenzeitlich glücklicherweise wieder abgeflauten Modetrend geworden, setzen sich heute seriöse ­Züchter mehr denn je für die Gesundheit der Rasse ein. Seine ­Sensibilität und Anpassungsbereitschaft lassen ihn bei guter Erziehung zum engen Gefährten seiner Menschen werden.

Zur Herkunft der Dalmatiner ­wurden etliche vermutete ­Theorien, belegendes ­Bildmaterial und Spekulationen festgehalten und überliefert. Dass diese kurzhaarige, hellfarbige Rasse aus einem warmen Land stammt, ist sicher wahrscheinlich. Denn als vor einigen zehntausend Jahren die Entwicklung zum domestizierten Hund begann, veränderte sich das Verhalten der Caniden allmählich durch Selektionszucht auf erwünschte Eigenschaften in Bezug auf den jeweiligen Gebrauch der Hunde. Aber auch ihr äußeres Erscheinungsbild änderte sich: einige hatten Schlappohren, es gab unterschiedliche Rutenformen, das Fell wurde zum Teil gefleckt oder gescheckt und je nach klimatischem Lebensraum lang- oder kurzhaarig.

Tatsache ist, dass bereits in Pharaonen­gräbern im alten Ägypten Fresken gefunden wurden, auf welchen getupfte, dalmatinerähnliche Hunde abgebildet sind. Seit dem frühen Altertum wurden auf Gemälden immer wieder weiße Hunde mit Tupfenmuster dargestellt, die den heutigen Vorstellungen des Dalma­tinertyps stark entsprachen: elegante, substanzvolle Jagd-, Begleit- und Gesellschaftshunde. Das wohl älteste Gemälde finden wir in der Capella della Spagnoli in Florenz. Es entstand ca. 1360 und zeigt ein Rudel Wölfe, das von dalmatinerähnlichen Hunden angegriffen wird. Diverse Forscher und Autoren hatten unterschiedliche Auffassungen über den Ursprung des Dalmatiners, erwähnt ­werden unter anderem der Orient, Indien, Italien, Frankreich und Dalmatien (hier wurde er zum heutigen Erscheinungsbild hingezüchtet).

So vielfältig wie die ­Herkunftstheorien dieser Rasse sind, waren auch ihre ­Namen im Laufe der Jahrhunderte: Ägyptischer Hund, Indischer Hund, Türkischer Hund, Bengalische Bracke, Kleine Dänische Dogge. Es ist nicht vollständig klar, warum die Hunde schließlich Dalmatiner genannt wurden. Möglich wäre folgende Geschichte: 1573 erhielt der serbische Dichter „Jurij Dalmatin“ (vermutlich weist sein Name darauf hin, dass er in Dalmatien beheimatet war) mehrere getupfte Hunde als Geschenk. In einem Brief erwähnt er, die Hunde seien in Serbien sehr begehrt und bekannt unter seinem Namen „Dalmatins“.

1791 wurde im Buch „Hystory of ­Quadrupeds“ von Thomas Bewick erstmals der bildlich dargestellte Tupfenhund „Dalmatinischer Hund“ genannt. Später (1881) wurde der Dalmatiner oder „Coach Dog“ (Kutschenhund) in einem ganzen Kapitel des Buches „Das illustrierte Buch vom Hunde“ ­beschrieben. Der Verfasser Vero Shaw stellte den ersten Rasse-Standard auf, der nach der Gründung des „British Dalmatian Club“ (1890) in England offiziell aufgeschrieben und vom Kennel Club anerkannt wurde. Von nun an richtete sich die Zucht nach dem einheitlichen Vorbild des Standards.

Der Dalmatiner war immer ein Hund, der „dabei“ war, sich frei und unermüdlich bewegte; ganz früher als Jagdbegleiter, dann vor allem als Kutschenhund. Bereits um 1700 erwähnte der französische Naturforscher „Buffon“ die „Danois de Carosse“. Die Hunde lebten im Stall bei den Pferden und wurden dazu abgerichtet, als Begleiter frei unter der Kutsche mitzulaufen.

Vierbeinige Feuerwehr-Sirenen
Da früher bei der Feuerwehr die Schlauch- und Pumpenwagen von ­Pferden gezogen wurden, hatten Dalma­tiner vor allem in den USA einen weiteren Aufgabenbereich: Sie bewachten die Stallungen und rannten bei Lösch­einsätzen den Wagen bellend voran als vierbeinige „Sirenen“, um den Weg frei zu halten. Nach der Motorisierung der Feuerwehr wurde der Dalmatiner zu deren Maskottchen erkoren und durfte per Auto zur Brandstätte mitfahren.

In der schwierigen Zeit vom Ersten bis zum Zweiten Weltkrieg schwand die Zahl der Dalmatiner beängstigend, und da man mit dem Aufkommen des Autos für ihn als Kutschenhund keine Verwendung mehr sah, schien das Verschwinden der Rasse ­besiegelt. Dank engagierten Züchtern, vor ­allem in ­Großbritannien, sind uns die ­„Getupften“ erhalten geblieben.

Der Dalmatiner und die Tüpfelung
Der FCI-Standard Nr. 153 umschreibt den typvollen Dalmatiner wie folgt: „Ein auffällig getupfter, starker, muskulöser und lebhafter Hund. Er ist symmetrisch in seinen Umrissen, frei von Grobheit und Schwerfälligkeit und fähig, mit großer Ausdauer schnell zu laufen“.

Alle Dalmatinerwelpen werden weiß geboren. Sind sie von der Geburt noch nass, können vereinzelt kleine Tupfen, vor allem an Kopf und Ohren, von erfahrenen Züchtern als schwarz oder braun erkannt werden. Sehr gut sichtbar hingegen sind bei neugeborenen Dalmatinern größere Farbflächen, vor allem am Kopf, an den Ohren oder um die Augen, eher selten an anderen Körperregionen. Man nennt diese (zuchtausschließenden) Pigmentansammlungen „Platten“ oder „Monokel“; sie können bei allen Farbschlägen (weiß-schwarz, weiß-braun, lemon oder orange) vorkommen. Im Alter von 2 ½ bis 3 Wochen haben sich gut erkennbare schwarze oder braune Tupfen entwickelt. Am meisten verbreitet ist der weiß-schwarze Typ mit schwarzer Nase, aber auch die weiß-braunen („havannabraun“) Dalmis mit brauner Nase und helleren Augen haben ihre Liebhaber. Beide Farbtypen sind vom offiziellen Standard zuge­lassen.

Der dritte, sehr seltene und zuchtausschließende Farbschlag ist die „lemon-“ und „orangefarbige“ Tüpfelung. Obwohl der Lemon- oder Orange-Dalmi ein vollwertiger Dalmatiner ist, ist diese Farbvariante nicht erwünscht, da sie dem Standard entsprechend das rasse­typische Erscheinungsbild verfälscht.

Beim Auftreten zuchtausschließender Farbfehler wird das immer noch vorhandene Gen diverser Rassevorfahren des Dalmatiners sichtbar: Der englische Pointer in Bezug auf Plattenzeichnungen sowie „lemon“ und „orange“, Letzteres auch in Verbindung mit den Rassen „Porcelaine“ und „Istrische Bracke“. Früher waren auch dreifarbige Dalmatiner verbreitet, mit orange-braunen Tupfen, auch „tan“ genannt, beim schwarzen wie auch dem braunen Farbschlag.

Verhalten und Charakter (Wesen)
Durch die einmalige Fellzeichnung (nur beim Dalmatiner sind die farbigen Tupfen frei von weißen Stichelhaaren oder weißen Haarbüscheln), den harmonischen Körperbau und die raumgreifenden, eleganten Bewegungen gilt der Dalmatiner sicher bei vielen Menschen als „schöner Hund“. Bei artgerechter Aufzucht und schrittweiser Sozialisierung in das zivilisierte Umfeld ist der Dalmatiner freundlich, weder scheu noch aggressiv, sehr lebhaft, aber nicht nervös. Aber: diese Rasse ist auch sehr anspruchsvoll.

Niemand sollte sich allerdings einen Dalmatiner nur aufgrund der oben erwähnten positiven Aspekte anschaffen. In der heutigen Gesellschaft ist es vor allem für Hunde mit urtümlichem rassetypischem Verhalten wie den Dalmatiner nicht immer einfach, sich uns und den gegebenen Lebensumständen anzupassen. Deshalb müssen wir uns auch ihm anpassen, das heißt, wir müssen uns vor Augen halten, wofür die Getupften durch all die Jahrhunderte gebraucht und wie sie gehalten wurden. Der Dalmatiner war bei seinen Besitzern immer „mit dabei“, bewachte ­selbständig alles ihm Anvertraute und begleitete ebenso selbständig die Pferdekutschen. Es ging niemand hinter oder neben ihm, um ihm mittels einer Leine die Richtung anzugeben – er lief einfach unermüdlich mit seinem Rudel, den Menschen und Pferden, egal wie weit die Strecke war.

Dies bedeutet für die heutigen Dalmatinerhalter: der ruhige, anschmiegsame Hausgenosse tritt mit uns zum Spaziergang vor die Tür – und dann „läuft’s“! Das oft gehörte Argument, alle Dalmis würden an der Leine ziehen und hätten einen sturen Dickschädel, ist aber falsch. Richtig ist aber: In gewissen Situationen „gehen mit ihm die Gene durch“! Diese können nicht wegdressiert oder gar mit harten Erziehungs­methoden und Hilfsmitteln unterdrückt werden, auch wenn selbst erfahrene Hundehalter mit einem Dalmatiner an ihre Grenzen stoßen können (kynologisch und auch nervlich)!

Vielmehr ist die Voraussetzung für ein glückliches Leben mit einem ­Dalmatiner: Rasse-„Verständnis“, von Anfang an Erziehung mit liebevoller Konsequenz, die bereits durch den seriösen Züchter geprägte Bindung an den Menschen weiter ausbauen und sich bewusst sein, dass tägliches freies Bewegen auf Spaziergängen bei jedem Wetter ein „Muss“ ist. Dies ein ganzes Dalmileben lang – und über 14-jährige Dalmatiner sind keine Seltenheit!

Dabei sein ist alles!
Trotz seines selbständigen Auftretens ist der Dalmatiner ein sensibler, d.h. feinfühliger Hund. Er braucht seine Familie, möchte stets bei ihr sein, spürt, wenn es ihr nicht gut geht, und würde weggesperrt (z.B. in einem Zwinger) verkümmern. Er fährt gerne im Auto mit, läuft neben dem Fahrrad oder seinem joggenden Zweibeiner. Wer die Möglichkeit hat, einen Dalmatiner mit sehr gutem Grundgehorsam als Reitbegleithund mitzunehmen, macht ihm bestimmt eine ganz besondere Freude, denn seine Verbundenheit mit Pferden ist unverkennbar. Auch Dalmatiner, die nicht nahen Kontakt zu ihnen haben, wollen bei Begegnungen mit Pferden diese wie gute altbekannte Kollegen begrüßen.

Hundesportliche Aktivitäten sind auch mit den Getupften möglich: sie sind begeisterungsfähig, arbeitsfreudig, intelligent und somit für verschiedene Sparten geeignet wie Agility, ­Mobility, Begleit-, Rettungs-, Fährten- und ­Katastrophenhund. Nur: Für den Schutzdienst oder für Hundehalter, die von ihrem Vierbeiner „Kadavergehorsam“ verlangen, ist der Dalmatiner sicher nicht die geeignete Rasse.

Pflege des Dalmatiners
Der Dalmatiner ist nach dem Umher­tollen in der Natur nie lange schmutzig, denn irgendwie sind diese Hunde so etwas wie „selbstreinigend“: Wenn wir die gröbsten Spuren mittels eines feuchten Tuches oder, wenn sie angetrocknet sind, durch Bürsten beseitigt haben, putzt sich der Dalmi intensiv wie eine Katze, und nach kurzer Zeit ist sein Fell trocken und dessen Grundfarbe wieder ein reines Weiß. Er „hundelt“ kaum, da er keine Unterwolle besitzt, und so beschränkt sich die Fellpflege auf ein kurzes, tägliches Bürsten (keine Drahtbürste, sondern Naturborsten). Ein Gummistriegel oder Noppenhandschuh eignet sich am besten, um die ausgefallenen Haare aus dem Fell zu entfernen. Dies ist ein wichtiger Punkt, denn auch der Dalmatiner verliert vor allem im Haarwechsel (Frühling und Herbst), sowie etwas weniger das ganze Jahr hindurch Haare. Da diese kurz, borstig und weiß sind, stecken sie sichtbar in Polstermöbeln, Teppichen und Kleidern – man sollte sich daher nie von einem Dalmi „hautnah“ verabschieden, wenn man in sauberer, dunkler Kleidung weggehen will!

Darf sich ein Dalmi bei den täglichen, ausgedehnten Spaziergängen vor­wiegend auf Naturboden bewegen, nutzen sich seine Krallen nicht stark ab und sollten bei Bedarf mittels einer speziellen Krallenzange gekürzt werden. Sonst ist ein normales Auffußen nicht mehr möglich und die Pfoten werden breit und weit.

Auch die Ohren müssen regelmäßig kontrolliert werden, denn sonst können eventuelle Infektionen oder Ohrmilbenbefall nicht rechtzeitig erkannt werden, da die Behänge beim Dalmatiner ja den Gehörgang verdecken. Bei ungewöhnlichem Geruch im Ohr, Rötung der Ohrmuschel oder häufigem Schütteln des Kopfes sollte der Tierarzt um Rat gefragt werden.

Rassespezifische Krankheiten?
Die vererbte Taubheit bei einigen Hunderassen mit weißen Abzeichen oder weißer Fellfarbe ist auch beim Dalmatiner bekannt. Daher ist beim Schweizerischen Dalmatinerclub (SDC) – sowie auch bei jedem anderen seriös agierenden – für alle Welpen vor deren Abgabe an die neuen Halter, aber nicht vor der 6. Woche, ein Gehörtest (audiometrische Untersuchung) obligatorisch. Dieser erfolgt mittels eines speziellen Apparats durch einen entsprechend ausgebildeten Tierarzt. Nur einseitig hörende Tiere sind zwar vollwertige Familienhunde, werden aber nicht zur Zucht zugelassen. Seit Zuchttiere und Würfe audiometrisch untersucht werden, konnte festgestellt werden, dass die Zahl der von Taubheit betroffenen Dalmatiner rückläufig ist, da die vom SDC betreuten Züchter ihre Zuchttiere nur mit getesteten Partnern paaren dürfen und diesbezüglich auch deren Abstammungslinien kennen. Um der Hüftgelenksdysplasie (HD) bei ­dieser bewegungsfreudigen Laufhunderasse vorzubeugen, werden in der Schweiz nur Dalmatiner mit dem Resultat HD-A oder HD-B zur Zucht ­zugelassen. Eine Stoffwechsel-Eigentümlichkeit kann, wie beim Menschen, beim Dalmatiner zu Nieren- und Blasensteinen führen. Geeignetes Futter mit einem niedrigen Puringehalt kann der Steinbildung entgegenwirken.

Rüde oder Hündin?
Ob man sich für einen Rüden oder eine Hündin entschließt, kommt auf den künftigen Besitzer an. Will man mit dem Hund arbeiten, fällt die Hündin eventuell zweimal im Jahr wegen der Läufigkeit aus. Der Rüde ist genauso anhänglich und verschmust wie die ­Hündin, ist aber durch seine Kraft und sein „Machogehabe“ stärker, braucht klar gesetzte Grenzen, die er vor allem in der Pubertät ab und zu wieder ­„hinterfragt“.

Alle, die einen Dalmatiner kennen, wissen: er kann „lachen“: Er zieht seine Nase kraus, die Lefzen zurück und „grinst“ uns mit leuchtenden Augen an! Ich wünsche mir, dass unseren Getupften nie das Lachen vergeht, weil sie als schönes Prestigeobjekt ­gehalten werden, sondern dass sie für ihre Liebenswürdig­keit und Urtümlichkeit geliebt und auch verstanden werden.

WUFF-Information
Rasseklubs

• Österreichischer Dalmatinerclub (ÖDC)
Margot Nemecek, Geschäftsstelle www.dalmatinerclub.at
• Schweizerischer Dalmatiner Club (SDC)
Simone Zollinger, Zuchtwartin Bachweg 9, CH-5028 Ueken
Tel.+41 62 871 38 26
Mail: info@dalmatiner.ch
Web: www.dalmatiner.ch
• In Deutschland gibt es 4 vom VDH anerkannte Dalmatiner-Clubs. Die Kontaktdaten finden Sie unter www.vdh.de/Vereine

Pdf zu diesem Artikel: Dalmatiner

 

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