Der Dackel im Wandel der Zeiten

Von Dr. Daniel Josten

Blicken wir auf die Dackel, so zeigt sich: Das Verhältnis zum ­Menschen ist im Wandel begriffen. Nur noch selten Jagdhund, sind sie heute vor allem Familienhund oder werden gar als Modehund gehandelt.

Der Begriff Dackel ist laut ­„Kluge", dem etymologischen Wörterbuch, eine „kürzende Verkleinerungsform zu Dachshund". Ein weiterer Name für die Tiere lautet: „Teckel" – im 18. Jahrhundert noch „tekel" buchstabiert. International sind sie heute unter der Bezeichnung ­„German Dachshund" bekannt.

Geschichtliches
Über die frühe Abstammung der Dackel können nur Mutmaßungen angestellt werden. Vorläufer dieser Hunderasse sollen bereits in der Zeit zwischen 2.300 und 1.850 vor unserer Zeitrechnung gelebt haben. Von damals finden sich jedenfalls Abbildungen in ägyptischen Grabstätten, die schon Hunde mit kurzen Läufen und langem Rücken zeigen. Vermutlich hatten auch die alten Germanen bereits dem Dackel ähnelnde Jagdgefährten. Lanciert wird die Vorstellung, Dackel stammten vom sogenannten Jura-Laufhund ab, der dann gezielt zu einer kleinen Brackenart weitergezüchtet worden sei. Die Bracken stellen eine Gruppe besonders alter Hunderassen aus der Gruppe der Laufhunde dar. Diese hatten die Aufgabe, dem Jäger bei der Jagd voranzueilen. Im Laufe der Zeit differenzierten sich die Jagdmethoden aus.

Die charakterlichen Eigenarten der Dackel sind genauso wie der Körper­bau Ergebnis der Zucht. Die Ziele waren dabei wesentlich durch die Verwendung bei der Jagd auf Füchse und Dachse in deren unterirdischen Bauen beeinflusst. Diese Aufgabe kam den Vorläufern der heutigen Dackel spätestens seit dem frühen Mittelalter zu. Dass diese Jagdhunde vom Charakter her Mut sowie ein gewisses Maß an Selbstständigkeit mitbringen, liegt also daran, dass dies bei ihrer Aufgabe vonnöten war. Auf sich gestellt hätten sie in der Auseinandersetzung mit Fuchs und Dachs sonst keine Chance. Aufgrund dieser Verwendung werden die Dachshunde zusammen mit verschiedenen Terriern auch zur Gruppe der Erdhunde gezählt.

Im 19. Jahrhundert zeichnete sich langsam eine Veränderung in der Beziehung zum Dackel ab. Als Nutztier waren sie weit verbreitet und beliebt. Doch das Verhältnis blieb zunächst noch recht unsentimental. So schätzte unter anderem der österreichische Adel Dachshunde als Gebrauchs­hunde. Zu diesem Zweck hielt sie ­beispielsweise Kronprinz Rudolf (1858-1889), Sohn Kaiserin Elisabeths von Österreich-Ungarn (1837-1898). Eine engere Bindung – jedoch zumeist immer noch im Sinne einer eher sachlichen Arbeitsbeziehung – hatten die Teckel da schon zu den Jägersleuten. Als Jagdhund stand die Rasse so vor allem bürgerlichen Kreisen nahe. Dort platzierte sie dann auch der in München geborene Maler Adolf Eberle (1843-1914) und ­bildete „Die Dackelfamilie mit Jäger und Magd" ab.

Allmählich wuchs das Interesse an den Dackeln. Die Einsatzmöglichkeiten der Tiere hatten bislang im Vordergrund gestanden. Nun kamen weitere Kri­terien hinzu. Hundeausstellungen avancierten zum gesellschaftlichen Event; der Aufwand, der um die Tiere getrieben wurde, erhöhte sich. 1887 wurde in Wien eine spezielle Hunde­schau ausschließlich mit Dackeln abgehalten. Im Jahr darauf führte der „Deutsche Teckelclub" sein Stammbuch der Dackelzucht ein.

Mit Beginn des 20. Jahrhunderts hatte sich die Sitte, Hunde vor allem der Geselligkeit wegen zu halten, weiter verbreitet. Dafür bekannt, aus diesem Grund Dackel zu halten, war in den 1910er Jahren etwa Wilhelm II. (1859-1941), deutscher Kaiser und König von Preußen von 1888 bis 1918. Gleichzeitig war das Verhältnis zum Menschen dort weiterhin eher praktischer Natur, wo sie als Diensthunde zum Einsatz kamen: Rupert Kurzamann, Funktionär der „Kriegshundesektion" des „Österreichisch-Ungarischen Polizei- und Kriegshundevereins", nennt 1918 in seiner Schrift, „Der Hund im Kriegsdienst ", die Rattenjagd als Einsatzgebiet der Dackel. Sie hielten also die Schützen­gräben frei von unerwünschten Nagern. Ihre Arbeit wurde als mehr oder weniger selbstverständliche Dienstleistung zur Kenntnis genommen; die Lorbeeren ernteten jedoch eher die Feld- und Sanitätshunde.

Doch Vermenschlichung von Tieren kann auch Dackel treffen und das, obwohl Erich Kästner bereits 1931 festgestellt hatte: „Dackel sind keine richtigen Menschen, schade." Aber dennoch wurde etwa der Dackelrüde von Mathilde Freiin von Freytag-Loringhoven (1860-1941) später wohl bekannt. Sein Spitzname lautete Kurwenal; er hieß aber eigentlich Kuno von Schwertberg und lebte in ­Weimar. Im Jahr 1933 hatte ein gewisser Musikdirektor O. Wulf erstmals in einem Buch über das Können des ­Tieres berichtet. Angeblich beherrschte das Tier einen Bell-Code, mit dem es quasi sprechen konnte. Es hieß beispielsweise, der Dachshund habe seinem Biographen mitgeteilt, dass er Hindenburg wählen würde. An seinem Geburtstag wurde dem berühmten Hund die zweifelhafte Ehre eines Besuchs von uniformierten Jugend­lichen der Nazi-Tierschutzorganisation zuteil. Bis Mitte der 1930er entspann sich in der Öffentlichkeit ein Streit, ob der Hund wirklich in der Lage sei, sich sprachlich mitzuteilen. Beteiligt daran waren unter anderem Wissenschaftler der Universität Jena.

Der moderne Dackel
Dachshunde sind äußerst vielfältig, was ihre Verwendungsmöglichkeiten bei der Jagd betrifft: Zum Einsatz unter der Erde kommen das Auf­stöbern von Wild im Unterholz und das Verfolgen der Schweißspur (Slang der Jäger für Blutspur). Bereits in den 1980er Jahren wurden in der BRD aber schon weniger als zehn Prozent der offiziell erfassten Teckel zur Jagd benutzt. Der großen Mehrheit kommt heute die Rolle des guten Kumpels zu. Aber es gibt sie noch, die Dackel als Jagdhund – unter anderem in Italien.

Für verschiedene Aufgaben bei der Jagd waren unterschiedliche körperliche Merkmale von Vorteil: Neben den diversen Fellarten – Kurzhaar, Rauhaar und Langhaar, jeweils in verschiedenen Farbvarianten vorkommend – wird auch nach der Größe unterschieden. So gibt es den sogenannten Normalschlag mit fünf bis zehn Kilogramm Gewicht und einem Brustumfang von über fünfunddreißig Zentimetern, den Zwergteckel mit drei bis vier Kilo und dreißig bis fünfunddreißig Zentimeter Brustumfang und den Kaninchenteckel, der nur dreieinhalb Kilo auf die Waage bringen und dessen Brustumfang dreißig Zentimeter nicht überschreiten sollte.

Der Kurzhaartyp ist die ­seltenste – bereits in den 1980ern stellten sie weniger als vier Prozent der eingetragenen Tiere – und zugleich ursprünglichste der heutigen Dackelarten. Sie stammt von kurzbeinigen Bracken ab, von denen die Dackel den Jagdtrieb geerbt haben. Weniger zum Jagen als des Aussehens wegen wurde durch Einkreuzung von Wachtelhund und Spaniel der Langhaar­dackel gezüchtet. Der Rauhaardackel, die jüngste Dackelvariante, wird noch immer vergleichsweise häufig bei der Jagd eingesetzt. Züchter erzielten diese Teckelart, indem sie Terrier und Schnauzer einkreuzten. Zwerg­pinscher wiederum gehören mit zu den Vorfahren der Kaninchenteckel. Diese kleinste Dackelart verweist schon dem Namen nach auf ihren jagdlichen Einsatz: die Kaninchenjagd.

Der Dackel ist ein Beispiel für die Auseinanderentwicklung züchterischer Praxis in der jüngeren Geschichte der Hundezucht: Mittlerweile gibt es ­Linien, deren Zucht allein Showzwecken dient und die sich von jenen Zuchtlinien, bei denen noch ein Arbeitsnutzen Beachtung findet, völlig abgesondert haben. Exemplare solcher Show-Tiere weisen im Falle des Teckels einen übertrieben großen Brustkorb, einen exorbitant langen Rücken und extrem kurze Beine auf. Zugleich sind Zuchtlinien des Teckels zu finden, bei denen noch Wert auf den Erhalt der jagdlichen Eigenschaften gelegt wird. Bei anderen wiederum werden Eigenschaften betont, die für Familienhunde besonders wichtig sind.

In der heutigen Zeit differenziert sich der Umgang mit den Tieren, ent­sprechend der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung, ­zunehmend aus. So werden etwa neue Vereinigungen gegründet, wie etwa der „Dackelclub München", die sich im Unterschied zu althergebrachten Traditionsunternehmen weniger um Stammbäume und Zuchtfähigkeit scheren. Im Ergebnis entsteht ein Neben- und Miteinander unterschiedlichster Herangehensweisen, die durch ihren jeweiligen Blickwinkel auf die Dackel geprägt sind.

„Mode ist der Spiegel unserer Zeit" (Funny van Dannen)
Berühmte Dackelbesitzer waren unter anderem Pablo Picasso (1881-1973) und Andy Warhol (1928-1987). ­Heutzutage finden sich unter ihnen so illustre Namen wie Heidi Klum, Dita von Teese und Liam Gallagher, der sogar anlässlich eines Raunens im Blätterwald, die Dackel stürben aus, einmal angekündigt hatte, höchstpersönlich Maßnahmen zur Erhaltung der Rasse zu ergreifen. Grund zur Sorge, dass dies nötig werden könnte, besteht indes nicht: Bereits in den 1980ern gehörten Dackel in der BRD gemeinsam mit Schäferhunden und Pudeln zu den beliebtesten und am häufigsten gehaltenen Hunden. Nach Angaben aus dem Jahr 2005 leben in Deutschland rund 842 000 Personen zusammen mit einem Dackel im Haushalt. Noch 2007 und 2008 galten Dackel dort als zweitbeliebteste ­Rasse. Die „Gießener Allgemeine" machte 2012 gar eine Kleinhunde-Welle aus, von der auch der Dackel erfasst werde.

Hatten Dackel bereits in den 1960ern als Modehunde gegolten, löste ein Ereignis zu Beginn des Folgejahrzehnts international einen regelrechten Boom aus: Das Erscheinen von „Waldi" 1972 in München. Das erste Maskottchen bei olympischen Sommerspielen überhaupt stellte einen bunt gestreiften Dackel dar. Auf einmal waren die Vierbeiner topmodern. Ab da verzeichnete der „Deutsche Teckelclub" zirka 28.000 Welpen jährlich. Zum Vergleich: 2005 waren es noch 7.300. Experten geben sich indes erleichtert über diese Entwicklung. Die massen­hafte Zucht habe bei den Tieren nachteilige Folgen bezüglich ihrer Merkmale und ihrer Fitness gehabt. So äußerte sich auch Ralf Hohmeier vom „Deutschen Teckelclub" vorsichtig gegenüber dem „Lippe-Magazin", als dieses 2011 vom Dackel als „Modehund" sprach: Einerseits freue er sich über die Beliebtheit der Hunde, andererseits sorge er sich um die Sorgfalt bei der Zucht von Trend-Hunden, die häufig in Sachen Gesundheit und Aufzuchtbedingungen zu wünschen übrig lasse.

2013 gelten Dackel weltweit als beliebt. Es hat sich eine internationale Ausstellungsszene um sie entwickelt. Die meisten Rassevertreter leben mittlerweile in Japan. Dort haben sie Hochkonjunktur, bekommen Kostümchen verpasst und sorgen für viel Umsatz mit Accessoires. Aber auch in Asien zeigt sich: Wenn Hunde zu Modeartikeln avancieren, hat dies häufig minderwertige Massenzucht zur Folge.

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