Mythen in der Hundewelt

Man hätte diesen Artikel mit jeder Rasse überschreiben können, die die gleiche Fellstruktur wie der Collie besitzt. Also raues, wetterfestes Deckhaar mit feiner, dichter Unterwolle. Der Collie ist aber eindeutig eines der Parade Beispiele übertriebener und falscher Fellpflege.

Der Collie hat die optimale „Verpackung“: Wind-, Wasser-, Hitze- und Kälte-dicht. Jede Hunderasse hat die ihrer Aufgabe entsprechende Fellstruktur. Im Laufe der Domestikation entwickelte sich der optimale Fellaufbau durch Selektion, je nach Region, Land und Nutzung der Hunde. Die meisten alten Schäferhundrassen in Mitteleuropa haben den gleichen Fellaufbau und die gleiche Fellstruktur. Dichte, feine Unterwolle, eine natürliche Klimaanlage, wird von rauhaarigem, wasserdichtem Deckhaar geschützt. Schäferhundfell musste pflegeleicht sein. Der Schäfer oder Hirte hatte kein großes Interesse daran, viel Zeit an aufwändige Fellpflege zu verschwenden.

Weniger ist mehr …
„Die machen aber schon viel Arbeit“ oder „Da musst du aber schon viel bürsten“ sind zwei Aussagen, die ich immer wieder höre, wenn ich mit Haltern kurzhaariger Hunde über meine Langhaarer spreche. Dem ist aber definitiv nicht so. Ich bürste meine Hunde maximal ein Mal im Monat komplett durch, ansonsten kontrolliere ich nur die „kritischen“ Stellen hinter den Ohren, an den Vorderläufen und an den Schenkel-Innenseiten und entferne kleine Knötchen sauber mit einer Schere.

Zu viel Bürsten schadet dem Deckhaar. Werden Collie, Sheltie und Co. täglich gebürstet, wird das wasserdichte Deckhaar brüchig. Noch schädlicher ist es, wenn Trimm- oder Filzmesser zum Einsatz kommen. Das Deckhaar wird zerstört und kann die Unterwolle nicht mehr schützen. Scharfkantige Pflegegeräte haben im Colliefell nichts verloren.

Karin Wenz-Langhans über die Fellpflege ihrer Collies Timmy, Kosyma und Lissy: „Unsere Collies sind, wegen ihres Fellaufbaus, sehr pflegeleicht. Wir bürsten höchstens ein Mal im Monat, da alle drei nicht zum Verfilzen neigen. Sogar an den kritischen Stellen, wie hinter den Ohren, bilden sich trotz ausgiebigem Kraulen wenig bis keine Knötchen. Lediglich während des Fellwechsels wird die lose Wolle öfter ausgedünnt. Tägliches Bürsten erhöht meiner Meinung nach die Gefahr der Reizung der Haut und vermehrte Schuppenbildung. Zu häufig gebürstetes Fell wird spröde und struppig. Zum Bürsten verwende ich eine einfache Bürste (ähnlich einer normalen Haarbürste) und einen Striegel mit rotierenden Zinken, da dieser die lose Unterwolle am besten auslöst. Geschoren werden unsere Collies niemals. Leider wird oft aus Faulheit geschoren, was dem Fell nicht wirklich gut tut. Unsere Kosyma arbeitet als Rettungshund in der Malteser Rettungshundestaffel Bad Wimpfen. Timmy und Lissy sind beim Mantrailing aktiv. Bei dieser Arbeit wäre zu pflegeaufwändiges Fell hinderlich.“

Collie und Co. Scheren ist ein No-Go
Die Unterwolle wächst schneller als das Deckhaar und überwuchert die kläglichen Reste der rauhaarigen Schutzschicht. Die freigelegte Unterwolle „saugt“ Wasser auf wie ein Schwamm und fängt dadurch an zu filzen. Der Halter versucht nun, durch noch mehr Bürsten die entstehenden Filzplatten zu lösen. Eine unendliche Spirale.

Zudem wird beim Scheren die natürliche Klimaanlage des Hundes vollkommen entfernt. Es ist ein Irrglaube, dass der geschorene Hund Hitze besser erträgt. Hunde regulieren ihre Temperatur NICHT über die Haut. Das ist rein anatomisch nicht möglich, denn Hundehaut hat, im Gegensatz zu Menschenhaut, keine Poren. Hunde kühlen ihren Körper über Hecheln und schwitzen ausschließlich an den Pfoten. Es reicht also völlig aus, wenn Sie im Sommer Ihrem Hund die Füße kühlen. Zudem steigt nach dem Scheren das Risiko eines Sonnenbrandes und das damit einhergehende Risiko an Hautkrebs zu erkranken.

So pflegt Ingrid Burgardt ihre Collies Yukon und Harvey: „Die Fellpflege beim Collie ist nicht sehr aufwändig. Im Abstand von ca. 2 Wochen werden sie gut durchgebürstet, wobei die Stellen hinter den Ohren und die Befahnung der Beine häufiger kontrolliert werden, da sich dort Verfilzungen bilden können. Wenn die Haare an den Hocken zu lang werden, kürze ich sie mit der Schere, ebenso schneide ich die Haare zwischen den Ballen. Von täglichem Bürsten halte ich gar nichts. Ich verwende unterschiedliche Bürsten und Kämme, je nach Bedarf, da ich mit meinem Harvey auch Hundeausstellungen besuche. Scheren würde ich meine Collies niemals. Das Fell wächst langsam und schlecht nach und wird nie wieder so schön wie vorher. Colliefell ist so aufgebaut, dass der Hund mit jeder Witterung, egal ob Kälte oder Hitze, sehr gut zurechtkommt. Meine Hunde arbeiten als Therapieund Schulhunde. Die Senioren und die Kinder lieben das weiche, lange Fell, das wir vor allem wegen unserer durchdachten Fellpflege haben.“

Haarige Irrtümer: „Du weißt aber schon, dass der nicht haart?“
Der Pudel haart nicht und kurzhaarige Hunde muss man nicht so oft bürsten. Auch hier sitzen Sie zwei Mythen auf. Der Pudel ist wohl eine der pflegeaufwändigsten Rassen. Auch der Pudel verliert mal ein „Löckchen“. Spätestens alle 6 – 8 Wochen muss der Pudel zum Hundefriseur, da das Fell des Pudels endlos wächst. Würden Pudel nicht regelmäßig geschoren, sähen sie aus wie die ungarischen Hütehunde Puli und Komondor. Puli und Komondor sind, was den Fellaufbau betrifft, die Hippie-Ausgabe des Pudels.

Die Ohren des Pudels müssen regelmäßig von Haaren befreit werden, da der Gehörgang sonst zuwächst. Diese Haare werden gezupft. Mir wird immer wieder versichert, dass das Haare-Ausreißen keine Schmerzen verursacht. So ganz kann ich mir das aber nicht vorstellen.

Meine Sunny war ein kurzhaariger Collie-Podenco-Mix. Sie haarte das ganze Jahr über und ich musste täglich ihre losen Haare abbürsten. Wenn sich meine „Kurzhaarige“ schüttelte, stob eine Haarwolke aus ihr heraus. Auch der Kurzhaar-Collie haart, im Gegensatz zum Langhaar-Collie, das ganze Jahr über ohne Ende. Der Langhaar-Collie haart nur in der Zeit des Wollwechsels im September/Oktober.

Ganz schön „Doodle“
Labradoodle, Goldendoodle, Cockapoo und Colliepoo sind sogenannte Designer-Dogs. Die Grundidee dieser Mischlinge war ein nicht haarender Hund für gehandicapte Menschen mit Allergien (z.B. als Blindenführhund, Servicehund). Sehr schnell hat sich aber herausgestellt, dass das nicht so wirklich funktioniert. Ich kenne inzwischen gut ein Dutzend „Doodles“, die das ganze Jahr über mehr haaren als meine 3 Langhaarer zusammen. Da hat sich doch diese böse, hinterhältige Genetik mal wieder nicht an die Zuchtvorstellungen des Menschen gehalten …

Dazu kommt das Mixen völlig unterschiedlicher Fellstrukturen, die sich nicht immer gut miteinander „vertragen“. Weiches Deckhaar mit weicher Unterwolle ergibt einen „explodierten Wattebausch“, der nach dem Schwimmen oder bei starkem Regen schlecht trocken wird. Seidiges Deckhaar mit rauer Unterwolle erschwert das Entfernen der alten Wolle, das Trimmen wird für alle zur Qual. Üppige Pudel-Wolle, die auch noch ununterbrochen wächst, gemixt mit üppiger Collie-Wolle bringt regelrechte „Hund-Schafe“ hervor, deren Fellpflege das ganze Jahr über sehr aufwändig sein kann. Und so weiter und so weiter. Nicht alles, was vermixt wird, passt auch gut zusammen.

Der Collie – Fellpflege als Lebensaufgabe?
Es stimmt mich immer sehr traurig, wenn ich Collies sehe, die wie wandelnde Heuhaufen aussehen. Durch zu viel Bürsten oder gar Scheren wird die Schönheit dieser Rasse zerstört. Noch trauriger macht mich der Einsatz der Schermaschine aufgrund von Faulheit und Bequemlichkeit. Dass, wenn man sich einen felligen Mitbewohner ins Haus holt, Zeit für die Pflege eingeplant werden muss, sollte klar sein. Wobei nicht die Felllänge den Zeitaufwand bestimmt, sondern eben die Fellstruktur. Langhaarige Hunde sind oft pflegeleichter als kurz- oder rauhaarige.

Fühlt man sich mit der Fellpflege dennoch überfordert oder überlastet, rate ich gerne zu einem Goldfisch (aber bitte nicht im runden Glas!) …

WUFF Information
Fellschäden Reparieren – geht das?

Ja, es ist möglich, Fellschäden wieder zu reparieren. Mein Sheltie hatte große Fellschäden, als er damals zu uns kam. Er wurde viel zu viel und zu oft gebürstet und sah eher wie ein Pfannenputzschwamm als wie ein Sheltie aus.

1. Kämmen Sie Ihren Hund nur mit einem grobzinkigen Kamm und entfernen Sie nur lose Unterwolle.
2. Geben Sie dem Deckhaar genügend Zeit, wieder über die Unterwolle zu wachsen.
3. Schneiden Sie Filzknoten einzeln aus dem Fell und achten Sie darauf, dass Sie rund um den Knoten nicht zu viel Fell abschneiden.

Bei meinem Sheltie hat es etwa 6 Monate gedauert, bis wir sein schönes Fell zurück hatten. Bis heute – er ist inzwischen 12,5 Jahre alt – hat er glänzendes, glattes, wetterfestes und vor allem gesundes Fell.

Pdf zu diesem Artikel: fellpflege_langhaar

 

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