Kennen Sie das: die Sonne scheint, die Natur explodiert, die Vögel zwitschern und Sie sind gerade völlig entspannt im Wald unterwegs, gönnen den Gedanken und dem Hund Auslauf, lassen die Seele baumeln und genießen die Natur und das Sein? Falls ja, Gratulation: Sie haben bei der Hundeauswahl alles richtig gemacht und vermutlich noch nie einen – oder gar mehrere – Beagle Ihr Eigen genannt! Falls nicht, lassen Sie sich als Trost mit auf den Weg geben: Sie sind nicht alleine! – Außer in der Dämmerung am Waldrand, wenn das Reh oder der Hase mit Ihrem Hund und Ihrer guten Laune im Schlepptau im nächsten Dickicht verschwinden, dann sind Sie sehr, sehr einsam …
Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Sophie S. und ich bin anonyme Beaglehalterin. Wie viele treue Wuff-Leser wissen, teile ich die letzten fast 20 Lebensjahre mit mindestens einem Beagle. Als ich es wirklich wissen wollte, waren es zwischenzeitlich sogar mal zwei, inzwischen bin ich aber wieder bei halbwegs vernünftigen eineinhalb angekommen.
Es begann damals ganz harmlos mit der Hündin Andra, die als Notfall aus einem Labor kam und bei mir landete. Hunde sind hier nun mal das, was passiert, während man andere Pläne macht … Jedenfalls brachte mir Andra schlagartig in Erinnerung, warum ich eigentlich nie einen Beagle wollte: ich wusste, dass sie verfressen und eigenständig sind, ab und zu ganz gerne jagen gehen, und ich fand sie auch nicht besonders schön.
Dann kam der zweite, Meier, den ich mit einem dreiviertel Jahr aus fünfter Hand übernahm. Danach wusste ich sehr schnell, dass Beagles noch schlimmer sind als ich immer dachte. Meier bestätigte all meine geheimen Beagle-Vorurteile bereits in der ersten Woche bei mir, und bereits da wurde mir klar, was »jagt ab und zu ganz gerne« tatsächlich bedeutet.
Ein bisschen muss ich Meier an dieser Stelle aber auch verteidigen: Ein »Gebrauchter«, der im ersten dreiviertel Lebensjahr nicht viel gelernt hat außer das Jagen und dazu die Erfahrung gemacht hat, dass er eh machen kann, was er möchte und als einzige Konsequenz eventuell mal wieder umziehen darf, ist sicherlich nicht mit einem Welpen zu vergleichen, bei dem man von Anfang an die Fäden bzw. die Schleppleinen in der Hand hat und selbst für die Macken des Hundes verantwortlich ist, anstatt mit den gebrauchten Macken anderer zu kämpfen. Umziehen würde Meier übrigens bis heute gerne, denn bei Umzügen gilt für ihn: immer her damit – für Langeweile ist irgendwann noch genug Zeit. Das ist vermutlich seine Definition eines »Wildwechsels« …
Schauriger Spurlaut von allen Seiten
Aber zurück zum Waldrand, denn da kenne ich mich aus, und ich wurde ja um einen Artikel zu den Emotionen der Halterin eines jagenden Hundes gebeten. Bereits während der Beagle sich vom Acker und auf in den Wald macht, spürt man eine unglaubliche Wut in sich aufkommen, zunächst auf sich selbst, weil man dem Beagle wieder das eine Mal zu oft vertraut hat. »Aber es war ja die letzten Jahre kein Problem« ist das, was man denkt. »Ich habe sie jetzt lange genug in Sicherheit gewogen« ist das, was der Beagle denkt. Die Wut richtet sich dann aber schnell auf den Beagle, weil das ja einfacher ist, als auf sich selbst wütend zu sein. Und während man so vor sich hin wütet, hört man – zumindest beim Beagle – den Spurlaut. Wenn Sie in dieser Situation als ahnungsloser Passant Geräusche aus dem Wald hören, die nahelegen, dass da gerade ein Hund großes Leid erfährt, ist es vermutlich nur ein sehr, sehr glücklicher Beagle. Spurlaut hat übrigens die Tendenz, innerhalb von einer Minute erst von vorne, dann von hinten, dann von links, dann von rechts und dann wieder von vorne zu erschallen.
Dem Hund hinterher? Suchen? Aussichtslos. Es bleibt also nur das Warten, und da sind wir bei einem speziellen Beagle- bzw. Brackenproblem: Sie wurden darauf selektiert, dem Hasen so lange zu folgen, bis sie entweder nicht mehr können oder eben am Ziel angekommen sind. Und das dauert. Stunden. Zeit für viele unschöne Gedanken im Beaglehalterinnenkopf, denn ganz abgesehen vom Wild, das auch gut ohne Beagles leben kann, gibt es Straßen, Jäger und andere Gefahren, die ein kleines, kopfloses Beaglechen ereilen können.
Ein Wechselbad der Gefühle
Sorgen und Wut wechseln sich ab, während man im Regelfall immer noch schaurige Töne aus dem Wald hört, die einem immerhin die Gewissheit geben, dass noch nichts passiert ist. Und man wartet weiter. Als Beaglehalterin sollte man also auf jeden Fall in der Lage sein, sich auch mal ein paar Stunden alleine im Wald zu beschäftigen. Und irgendwann, meist mit zunehmender Dauer, Dämmerung und kälter werdenden Füßen (ich kann mich tatsächlich nicht erinnern, jemals bei strahlendem Sonnenschein auf den Beagle gewartet zu haben, sondern ausschließlich an kalten, düsteren und nassen Tagen), schlägt die Sorge immer mehr in Richtung Wut um und es kommen einem Gedanken wie »Lass es wenigstens schnell gehen und ihn sofort tot sein«, »Wenn der Jäger es nicht schafft, bringe ich es eigenhändig zu Ende« oder »Wenn er wieder kommt, verkaufe ich ihn ans Labor!«.
An dieser Stelle zunächst die gute Nachricht: bisher kam er immer wieder, und das äußerst zielstrebig. Sorgen, dass er sich verlaufen könnte, hatte ich also nie. Immerhin. Na ja, das Ende kann sich jeder denken: kommt irgendwann dann endlich der übers ganze Gesicht strahlende, aber komplett fertige Beagle wieder aus dem Gebüsch, ist das wie Weihnachten, Ostern und Geburtstag auf einmal, alle Wut ist schlagartig verflogen, und man fällt dem kleinen, vor Dreck, Zecken und Kletten nur so strotzenden Beaglechen erleichtert um den Hals – bevor man ganz schnell eine Schnur dranmacht, um eine erneute Flucht zu verhindern, und sich schwört, ihn nie, nie wieder offline zu lassen!
Und dennoch schlagen ehrlich gesagt auch hier zwei Herzen in meiner Brust, denn insgeheim (das würde ich natürlich niemals jemandem sagen!) liebe ich jagende Hunde. Ich liebe natürlich nicht die Konsequenz des Jagens, denn die liebt auch das Wild nicht, sondern die Ernsthaftigkeit, die Ausdauer, die Ursprünglichkeit und die Zielstrebigkeit, die ein Hund dabei an den Tag legt. Dafür wurde der Beagle gezüchtet, und ich kenne keinen einzigen, der das nicht weiß. Der Job eines Beagles war es aber zum Glück nie, Beute zu machen, sondern »nur«, Beute zu finden und zu verbellen. Das soll aber an dieser Stelle nicht als Entschuldigung oder Relativierung verstanden werden! Nein, der Tierschutz hört für mich nicht hinter der weißen Beagle-Rutenspitze auf.
Jagdhunde wurden zum Jagen »gemacht«
Viele Menschen haben Erfahrungen mit jagenden Hunden, dennoch redet man selten darüber. Klar würde auch ich gerne behaupten können, dass der Beagle mir noch nie ausgebüchst ist, anstatt mich dafür verurteilen zu lassen, dass er es doch schon ein paarmal geschafft hat, aber ich bin eben auch nur ein Mensch. Und Meier ist auch nur ein Beagle. Also stehe ich an dieser Stelle einfach mal zu meiner Unperfektion.
Ja, einen Beagle sein Eigen zu nennen (oder eineinhalb, oder auch einen anderen jagdlich entsprechend passionierten Hund), kann unter Umständen verdammt viele Nerven, graue Haare und Falten kosten! Tatsächlich auch deswegen, weil ich mir immer wieder Gedanken dazu mache, einen Hund zu haben, bei dem ich ein Leben lang gegen die Anlagen dieses Hundes ankämpfen muss. Mir macht das regelmäßig zu schaffen bzw. tat es das, als Meier noch »voll im Saft stand«. Inzwischen ist er dreizehn und ganz, ganz langsam wird er zwar etwas ruhiger, aber das Thema wird mich wohl bis ans Ende seiner Tage verfolgen. Ähnliche Gedanken und Gefühle habe ich übrigens auch jedes Mal, wenn ich eine Meute besuche und bei der Arbeit sehe – denn dann tut es mir leid, dass ich meinem Beagle das nicht bieten kann; er würde dieses Leben vermutlich gerne gegen eine eigene Couch eintauschen. So darf er das, wofür er »gemacht« wurde und was Teil seines Lebensinhaltes und vielleicht auch seiner Identität ist, leider nicht tun, und alles, was ich ihm an Ersatzbeschäftigungen angeboten habe (Dummytraining, Fährten, Steinpilze suchen usw.) war eben maximal eine Ersatzauslastung, aber keine Ersatzbefriedigung. Denn mit einer frischen Wildfährte kann in den Augen bzw. der Nase eines Beagles nichts mithalten, noch nicht mal ein fertig zubereiteter Hasenbraten.
Eine Lösung für die »Ersatzbefriedigung« habe ich auch leider in den letzten dreizehn Jahren nicht gefunden, also müssen der Beagle und ich weiter damit leben, dass das, was er tatsächlich neben dem Fressen am liebsten tut, tabu ist und tabu bleibt. Denn auch, wenn ich hier so augenzwinkernd darüber schreibe, ist das natürlich keineswegs lustig – weder für den Halter, noch für das Wild, und für den Hund ist es eben auch gefährlich, für das Wild sowieso. Natürlich käme ich also nie auf die Idee, ihn im Wald abzuleinen und mit den Worten »Hab Spaß!« loszuschicken. Aber wer an dieser Stelle frei von Schuld ist, werfe den ersten Hasen …
Mein Leben bestand also in den letzten Jahren in Hundeangelegenheiten vornehmlich darin, den Beagle vom Jagen abzuhalten, Waldränder zu meiden und mich mit den Jägern in der Umgebung gut zu stellen. Die allerdings mögen den Beagle – warum auch immer? Zitat unseres Jägers: »Der ist super, ich sehe den immer nur auf Komposthaufen! Außerdem läuft er immer brav an der Straße entlang und nicht im Wald!« What?! Straße?! Das beruhigt meine Nerven jetzt nicht unbedingt …
Man lernt dazu
Zu meiner Entschuldigung – und weil der Shitstorm überall lauert – muss ich aber an dieser Stelle auch noch anmerken, dass er seit Jahren nicht mehr jagen war, weil ja zum Glück auch ich dazulerne. Entweder bin ich mental voll und ganz bei den Hunden (was in der Praxis bedeutet, den Beagle akribisch zu beobachten und den Rest nebenher laufen zu lassen), oder er ist eben an der Schnur. Hier kommen wir aber sofort zum nächsten Problem: Ich hasse Schleppleinen! Sie sind für mich auch das größte Argument, ausreichend Arbeit und Mühen in die Abrufbarkeit eines Hundes zu stecken!
Aber auch mit stolzen dreizehn Lenzen ist sein Freiheitsdrang nach wie vor ungebrochen. Sonst wäre Meier auch nicht Meier. Draußen habe ich ihn »im Griff«, was durchaus jahrelange, harte Arbeit bedeutete. Aber sie lohnt sich und schont Nerven, Beagle und Hasen. Ich konnte ihn mittlerweile sogar schon aus vollem Galopp vom Hasen abrufen, was ich für unmöglich hielt. Aber eine offen stehende Türe wird für ihn auch weiterhin ein Angebot bleiben, das er nicht ausschlagen kann. Kürzlich war ich im Ort unterwegs und hatte die Handwerker, die gerade bei mir zu tun hatten, natürlich vorher stundenlang gebrieft, dass sie extrem aufpassen müssen, weil der Beagle schneller ist, als die Haustüre ins Schloss fällt. Ich glaube, sie hielten mich ob der vielen Wiederholungen irgendwann für total bescheuert; oder dachten, dass ich sie für komplett bescheuert halte. Aber damit kann ich leben. Als ich dann auf Erledigungstour durch den Ort gelaufen bin, kreuzte zwei Straßen weiter ein Beagle. Ich denke bei mir, ach schau an, nochmal ein Beagle in Oberrimbach? Ein hübscher Kerl, der sieht ja fast aus wie Meier. Meier? »MEIER!«. Na ja, das zeigt, dass ich auch nach dreizehn Jahren noch an das Gute im Beagle (und im Handwerker) glaube, wohingegen der Beagle seit dreizehn Jahren denkt »Zäune und Türen sind dazu da, hindurchzugehen, egal, was auf der anderen Seite ist!«. Aber damit, dass sich das bis zu seinem letzten Atemzug nicht ändern wird, muss ich wohl leben.
So richtig gemerkt, was die Jahre mit Andra und Meier mit mir gemacht haben, habe ich übrigens erst, als die kleine Rita-Line (ihres Zeichens ein Beagle/Terrier und damit das Einzige, was in meinen Augen noch schlimmer ist als ein Beagle) hier einzog. Rita ist – trotz Damenbart – ein Traum, auch was ihre Abrufbarkeit angeht. Und sie ist eben ein Hund, der hier als Welpe einzog, bei der ich also ganz alleine für die oben bereits erwähnten »Macken« verantwortlich bin. Damit stand dann auch von Anfang an fest, dass ich mich bei ihr nicht mit einem »das ist der Lieferzustand« rausreden kann, und dadurch stand der verbindliche Rückruf ganz oben auf der Prioritätenliste – viel mehr kann Klein-Rita auch bis heute nicht, aber das ist auch nicht so wichtig. Und selbstredend war ich in ihrem ersten Lebensjahr bemühter als je zuvor, Meier vom Jagen abzuhalten, denn ich denke, ein einziges Mal hätte gereicht, um auch Rita »auszulösen« und dauerhaft auf den Geschmack zu bringen.
Der Grund für alles? Wie bereits erwähnt: ich hasse Schleppleinen! Und außerdem möchte auch ich irgendwann mal die Erfahrung entspannter Waldspaziergänge machen!
Pdf zu diesem Artikel: jadgverhalten_beagle