Das Schwimmer-Syndrom:

Von Karin Strack

Der Begriff Schwimmer-Syndrom ist heute vielfach noch unbekannt, auch unter Züchtern und Tierärzten. Viele dieser Hunde werden aus dieser Unkenntnis heraus eingeschläfert. Was also ist das Schwimmer-Syndrom? Es ist eine Entwicklungsstörung, die bis zum 16. Tag nach der Geburt auftritt und sich in beidseitigem Grätschen der Vorder- und/oder Hintergliedmaßen mit rudernden Bewegungen (daher der Name „Schwimmer") äußert. Durch die abnormale konstante Bauchlage kommt es zu Verformungen des Gliedmaßen- und des Brustkorbskeletts, welcher queroval abplattet.

Die Ursache des Schwimmer-Syndroms ist die mangelhafte bis nicht vorhandene Bildung einer Myelin-Scheide der Nervenachsenzylinder im Laufe der ersten 10 Lebenstage. Dadurch erreichen die Nerven nicht ihre volle Kapazität; die Reizweiterleitung zum Muskel ist eingeschränkt. Durch einfache physiotherapeutische Maßnahmen kann man jedoch innerhalb kurzer Zeit den Normalzustand herstellen: Durch Bewegungsübungen wird die Bildung der Myelin-Scheide angeregt.

Möglichst früh: Diagnose und Therapiebeginn
Das möglichst frühe Erkennen und die intensive Beübung sind das A und O, um betroffenen Welpen zu helfen und ihnen eine normale weitere Entwicklung zu ermöglichen.

Erstes Anzeichen für das Schwimmer-Syndrom ist eine geringe Körperspannung: der Welpe liegt meist platt wie eine Flunder herum. Ziel der Physiotherapie ist es, die Gliedmaßen belastungsfähig zu machen und den Welpen zum Stehen und Laufen zu bringen, sowie die korrekte Ausbildung des Brustkorbs zu fördern. Letzteres erreicht man durch eine mittels Handtuchrollen gestützte Seitenlage des Welpen in den Ruhephasen, damit kein Druck mehr von unten auf das Brustbein einwirkt. Zur Kräftigung und Koordinationsschulung der Gliedmaßen sieht der Therapieplan ein Muskeltraining in Form von passiven und aktiven Bewegungsübungen vor, zu denen beispielsweise das „Radfahren" und der „Tanzbär" gehören.

Begleitet werden diese Übungen von kräftigenden Massagen der Gliedmaßenmuskulatur zur besseren Nähr- und Sauerstoffversorgung und Steigerung der Kontraktionskraft der Muskeln. Mit der ergänzenden Schulung des Körperschemas kommt der Welpe schließlich zum Laufen. Dabei hat sich auch eine Art „Strampler" bewährt, um die Beine in der richtigen Lage zu halten.

Die meisten Übungen zu Hause durchführbar
Je öfter am Tag die therapeutischen Maßnahmen durchgeführt werden, desto schneller kommen die Kleinen auf die Beine. Die Welpen werden in der Regel munterer und bewegen sich dank der schon erworbenen Fähigkeiten zunehmend selbständiger. Die Therapiezeit reicht von wenigen Tagen bis zu einigen Wochen. Die meisten Übungen können nach Anleitung durch den Tierphysiotherapeuten von den Hundehaltern selbst durchgeführt werden. Mit entsprechendem Engagement der Züchter lassen sich die „Schwimmer" in Rekordzeit auf die Beine bringen, wie das Beispiel des Boxerwelpen Frodo zeigt, der ein Schwimmer-Syndrom mit deformierten Hintergliedmaßen aufwies. Nach 8-maligen Gymnastikübungen am ersten Tag und 2-maligen in der Nacht waren bereits am nächsten Tag erste Erfolge sichtbar. Nach 3 Tagen lief Frodo ca. einen Meter, und nach 2 Wochen merkte man ihm beim Laufen nichts mehr an, auch die Beine waren nicht mehr deformiert.

Dank Züchterengagement bleibt nichts zurück
Familie Schmidt, gleich mit 7 Schwimmer-Welpen ihres Beagle-Wurfs in unterschiedlicher Ausprägung, gelang es, durch unermüdliche Bemühungen rund um die Uhr alle Welpen nach längstens 4 Tagen zum Laufen zu bringen! Der Erfolg ist hier der größte Lohn. Erfahrungsgemäß bleibt nichts zurück, nach einigen Wochen ist kein Unterschied zu einem „Nicht-Schwimmer" zu bemerken. Alle von mir betreuten „Schwimmer" nehmen an einer Langzeitstudie teil, um mehr Erfahrungen sammeln zu können. So liegen jetzt schon Rückmeldungen von älteren ehemaligen „Schwimmern" vor, und ich freue mich berichten zu können, dass einer Polizeihund geworden ist und Frodo auf einer Hundeausstellung eine ganz normale Bewertung erhalten hat, in der nichts auf das ehemalige Schwimmer-Syndrom hinweist.

„Trickkiste" der Physiotherapie
Die Schwimmer-Therapie ist eine „dankbare" Sache und sozusagen zu meinem Steckenpferd geworden. Aber der Alltag einer Tierphysiotherapeutin besteht eher aus der Behandlung von Arthrosen, Hüftgelenkdysplasien, Lähmungen, Altersbeschwerden, Rehabilitation nach OPs (z.B. nach Knochenbrüchen oder Kreuzbandrissen), Muskelverspannungen und -schwund usw.. Dabei werden die Hunde im günstigsten Fall vom Tierarzt überwiesen – denn dann liegt eine genaue Diagnose vor –, oder aber die Halter suchen selbständig einen Therapeuten auf. Die Behandlungsmethoden lehnen sich an die der Human-Physiotherapie an, wobei aber naturgemäß nicht alles so übernommen werden kann. Neben Geduld und Feingefühl ist stets auch die Phantasie des Therapeuten mit einem Griff in die Trickkiste (Leckerli und Spielzeug) zur Motivation und Mitarbeit bei den Maßnahmen gefragt. Zu den verschiedenen von Tierphysiotherapeuten angewandten Therapieformen im Folgenden eine kurze Übersicht:

• Massage: spannungsausgleichende, lockernde und kräftigende Griffe.
• Passive Bewegungsübungen: Hierbei werden die Gliedmaßen ohne Zutun des Patienten vorsichtig bewegt.
• Aktive Bewegungsübungen: Dazu gehören einseitige Gliedmaßenbelastungen, Balanceübungen, Reflexauslösungen, Laufen auf unterschiedlichem Untergrund oder über kleine Hindernisse.
• Thermotherapie: Wärme- oder Kältereize werden mit den verschiedensten Verabreichungsformen gesetzt, auch mit Ultraschall gegen Schmerzen und Entzündungen.
• Hydrotherapie: Hierbei kommt das Wasser zum Einsatz, wie z.B. bei den Kneipp´schen Güssen, Waschungen oder Wickeln.
• Balneotherapie: Behandlung mit Bädern.
• Lichttherapie: Der Einsatz von Sonnenlicht (Heliotherapie), UV-Licht, Infrarotlicht und farbigem Licht (Chromotherapie), z.B. gegen Antriebsschwäche und schlechtes Allgemeinbe- finden.
• Lasertherapie: Hauptsächlich zur verbesserten Wundheilung und bei Entzündungen.
• Elektrotherapie: Dabei bedient man sich elektrischer Ströme in den verschiedenen Verabreichungsformen, z.B. zum Muskelaufbau.
• Magnetfeldtherapie: Pulsierende Magnetfelder regen im Organismus den gesamten Stoffwechsel an (Durchblutungsförderung), was die Genesung beschleunigt.
• Aquatherapie auf dem Unterwasserlaufband.

WUFF HINTERGRUND


Sieben auf einen Streich
von Hans-Peter Schmidt aus Preußisch Oldendorf

Dass der eigene Wurf betroffen ist, damit rechnet doch niemand. Nachdem wir die Diagnose Schwimmer-Syndrom erkannten, standen wir erst einmal ratlos da, bevor wir im Internet die Adresse von Karin Strack, Physiotherapeutin aus Bergisch-Gladbach, fanden.

Dreamy`s Welpen wurden am 57. Trächtigkeitstag geboren. So um den 14. Lebenstag beobachteten wir, dass die Welpen mit stark gespreizten Vorderläufen bäuchlings schliefen. Auch fiel uns bei den Welpen ein auffallend flacher Brustkorb auf – so flach wie die Unterseite einer Schildkröte. Am 18. Tag war unser Tierarzt im Haus, dem die abgeflachten Brustkörbe zwar auffielen, doch wollte er zum damaligen Zeitpunkt noch nicht von einer Anomalie sprechen. Das gäbe sich schon, man müsse abwarten. Doch am 22. Tag lagen die Welpen immer noch auf dem Bauch, niemals auf der Seite. Versuchten sie, sich auf die Seite zu legen, fielen sie sofort wieder auf den Bauch zurück oder sogar auf den Rücken. Drei Welpen waren nicht einmal in der Lage, sich aus eigener Kraft aus dieser Rückenlage zu befreien, schliefen dann irgendwann vor Erschöpfung ein und streckten alle 4 Gliedmaßen von sich, die Vorderläufe zur Seite, parallel zum Boden. Die auf dem Bauch liegenden Welpen hatten ebenfalls die Vorderläufe im rechten Winkel zum Körper zur Seite liegen und die Hinterläufe nach hinten gestreckt. Diese waren zudem in sich gedreht, teilweise um 270° um die Längs-achse.

Jetzt wurde uns langsam klar, dass wir einen kompletten Wurf mit dem Schwimmer-Syndrom in unterschiedlicher Ausprägung hatten. Was tun? Ab ins Internet und nach einer Lösung suchen. Wir wurden fündig und haben mit Karin Strack aus Bergisch-Gladbach eine Physiotherapeutin gefunden, die gerade eine Studie über das Schwimmer-Syndrom erstellt. Schon für den nächsten Tag wurde ein Termin in ihrer Praxis vereinbart.

So fuhren wir mit sieben Welpen und der Mutterhündin ins Tierheim Köln-Dellbrück, wo Frau Strack ihre Praxis hat. Ihre Diagnose war eindeutig: Ein gesamter Wurf mit Schwimmer-Syndrom unterschiedlicher Ausprägung. Aber zum Glück früh genug erkannt, so dass noch für alle Welpen berechtigte Chance bestand, bald ein normales Leben führen zu können. Wir wurden dann 2 1/2 Stunden in die richtige Durchführung von Massage und Gymnastikübungen an den Welpen eingewiesen. Zu Hause haben wir die Übungen dann an 4 aufeinander folgenden Tagen jeweils viermal mit jedem Welpen praktiziert. Ebenso haben wir mit Handtüchern für eine stabile Seitenlage der Welpen während des Schlafens gesorgt.

Das Ergebnis der Bemühungen kann sich sehen lassen: Alle 7 Welpen kamen nach längstens 4 Tagen auf die Beine und haben sich mittlerweile völlig normal weiterentwickelt. Die Wurfabnahme durch eine Zuchtwartin des Beagle Clubs Deutschland erfolgte im Welpenalter von 8 Wochen. Uns wurde ein normal entwickelter, fehlerfreier Wurf bestätigt. Die Untersuchung unseres Tierarztes ergab ebenfalls: 7 gesunde Welpen!



WUFF STELLT VOR


Tierphysiotherapie
Die Autorin des Artikels, Karin Strack, absolvierte nach einer 2-jährigen Ausbildung am Freien und Privaten Ausbildungsinstitut für Alternative Tierheilkunde (FAT) in Gelsenkirchen erfolgreich die Abschlussprüfung zur Tierphysiotherapeutin vor der Deutschen Gesellschaft der Tierheilpraktiker & Tierphysiotherapeuten e. V. (DGT). Seit Juli arbeitet Karin Strack in ihrer Praxis im Tierheim Köln-Dellbrück.

• Infos: www.tierphysio-strack.de

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