Längst weiß man, dass das alte Sprichwort „Ein frisches Lob zur rechten Zeit, das kostet nichts und bringt doch weit" auch in der Hundeerziehung seine Berechtigung findet. Doch was genau empfinden unsere Vierbeiner eigentlich als echtes Lob, das richtiges Verhalten tatsächlich belohnt oder sogar zu Bestleistungen anspornt? Und warum werden Hunde lieber gestreichelt als verbal gelobt?
Mit diesem Thema hat sich im Jahr 2014 eine amerikanische Studie beschäftigt und das Ergebnis, das unter dem eingängigen Titel „Shut up and pet me", (zu deutsch „Halt den Mund und streichle mich") im Fachmagazin „Behavioral Processes" veröffentlicht wurde, zeigt wieder einmal, wie unterschiedlich Zwei- und Vierbeiner kommunizieren und interpretieren.
„Good Boy!" – Der Versuchsablauf
Das Ziel der Studie, die nicht nur in den USA für Aufsehen sorgt, lag darin, herauszufinden, welche Art der menschlichen Interaktion Hunde bevorzugen und welche sozialen Verhaltensweisen auf Seiten der Hunde darauf folgen. Erica Feuerbacher, heute Professorin im Fachbereich Anthrozoologie am Carroll College in Helena, Montana, und Clive Wynne von der Arizona State University untersuchten, wie lange Hunde sich in der Nähe einer Person aufhielten, die sie streichelte, im Gegensatz zu einer Person, die lediglich verbales Lob an die Hunde verteilte.
Das Experiment wurde in zwei Schritten vollzogen. Um sicherzustellen, dass die Ergebnisse nicht durch die sozialen Bindungen von Familienhunden beeinflusst werden, wurden neben privat gehaltenen Hunden auch Tierheimhunde eingesetzt. Im ersten Versuchsaufbau befanden sich dabei zwei Personen im Zimmer, und je nachdem, wessen Nähe der Hund suchte, wurde er entweder mit verbalem Lob in freundlicher Stimmlage à la „guter Junge", „Prima" oder „Fein" oder mit schweigenden Streicheleinheiten belohnt. Um die Ergebnisse zu verifizieren und sicherzustellen, dass die Wahl des Hundes sich nicht auf persönliche Zu- oder Abneigungen stützte, tauschten die beiden Personen nach fünf Minuten ihre Rollen.
Das Ergebnis war nach Feuerbach eindeutig: Egal ob Familienhund oder aus dem Tierheim: Die Hunde suchten weit häufiger die Nähe zu dem Menschen, der Streicheleinheiten verteilte.
Im zweiten Schritt wollten die Forscher herausfinden, ob die Hunde auch bei einem Menschen bleiben würden, wenn dieser sie lediglich verbal lobt und freundlich auf sie einspricht, sie aber nicht berührt. Bei diesem Versuchsaufbau befand sich also nur eine Person im Raum und die Hunde hatten nur die Wahl, entweder die Nähe zu dieser Person zu suchen oder sich zurückzuziehen. Feuerbacher resümiert: „Auch wenn dies die einzige Option der Interaktion mit einem Menschen war, blieben die Hunde nicht bei dieser Person. Tatsächlich zeigen unsere Ergebnisse, dass es für die Hunde, die die Nähe zum Menschen suchten, absolut keine Rolle spielte, ob diese Person sie ansprach und freundlich lobte oder sie einfach komplett ignorierte! Dies weist darauf hin, dass verbales Lob für Hunde eine eher untergeordnete Rolle spielt und sie andere Wege der Interaktion wie Streicheln, Spielen oder Leckerlis als wesentlich bedeutsamer empfinden."
Reden ist eben doch „nur" Silber
Hunde ziehen es also vor gestreichelt zu werden. Soweit so gut. Die Ergebnisse der Studie gehen allerdings noch weiter und regen zum Nachdenken an. So zeigte sich während der Studie beispielsweise, dass Hunde sogar Streicheleinheiten von Fremden dem „ewigen Gerede" ihrer eigenen Halter vorzogen. Verbales Lob und freundliches Einreden auf den Hund hatten in Bezug auf die soziale Interaktion mit Menschen die gleiche Wirkung auf die Hunde wie vollständiges Ignorieren durch die anwesenden Menschen. Feuerbacher: „Unsere Ergebnisse decken sich mit denen früherer Studien, die zeigten, dass verbales Lob konditioniert werden muss, um effektiv zu sein. Das bedeutet, Worte sind für unsere Hunde nur bedeutsam, wenn sie mit einer Handlung verknüpft werden, die dem Hund mehr verspricht." Aus diesem Grund lassen Worte wie „Guter Junge" oder „Fein gemacht" die meisten konditionierten Hunde völlig kalt im Vergleich zu den allseits beliebten Stichworten wie „Gassi" oder „Lecker".
Natürlich sind nicht alle Hunde gleich, und jeder Hund verfügt über einen eigenen, durch Neigungen und Erfahrungen geprägten Charakter und individuelle Präferenzen. So gibt auch Dr. Lisa Maria Glenk von der Abteilung für komparative Medizin am Messerli Forschungsinstitut der Veterinärmedizinischen Universität Wien zu bedenken: „Verhaltensstudienergebnisse sind natürlich nicht immer auf jeden Hund generalisierbar. Welche Art der Interaktion ein Hund tatsächlich bevorzugt, hängt von seiner individuellen Erfahrung, Persönlichkeit, Gesundheit und seinen Vorlieben ab. So weist eine rezente Studie deutscher Wissenschaftler im Fachmagazin „Journal of Veterinary Behavior" auch darauf hin, dass Streicheln nicht gleich Streicheln ist und viele Hunde lieber an der Brust gekrault als direkt am Kopf berührt werden. Auch das Festhalten der Pfote wurde von Hunden in der Studie nicht besonders geschätzt. Prinzipiell ist ja auch bekannt, dass Hunde sich mehr an non-verbalen Kommunikationselementen (z. B. Mimik, Gestik, Muskelspannung, Intonation der Stimme) orientieren als am Bedeutungsgehalt unseres sprachlichen Ausdrucks." Diese Präferenz der nonverbalen Kommunikation ist vermutlich evolutionär bedingt. Der weitaus größte Teil der Kommunikation zwischen unseren Hunden, aber auch ihren Vorfahren den Wölfen, findet über nonverbale „Zeichensprache" statt.
Die Ergebnisse der Studie kommen Hundehaltern vor allem beim Training zugute und helfen, die Bedürfnisse und die Kommunikation von Hunden besser zu verstehen: Verbales Lob wird von Hunden nur dann auch als solches wahrgenommen, wenn es als Aussicht auf eine weitere Belohnung wie Streicheleinheiten verstanden wird. Dabei weist Feuerbacher darauf hin, dass es wichtig ist, die Ergebnisse der Studie nicht nur negativ zu interpretieren nach dem Motto: Mein Gerede allein bedeutet meiner Pelznase gar nichts – sondern sich auf die positiven Rückschlüsse zu konzentrieren: Streicheleinheiten stellen eine wichtige Interaktion für den Hund dar und helfen mir dabei, eine positive Beziehung zu meinem Hund aufzubauen.
Schon der amerikanische Psychologe und Verhaltensforscher Harry Harlow wies auf die Bedeutung von „Contact Comfort", also Körperkontakt nicht nur für Menschen, sondern auch für Primaten und Hunde hin. Das Bedürfnis nach körperlichem Kontakt, so Harlow, variiert zwar von Individuum zu Individuum, scheint aber angeboren zu sein. Liebevolle Berührungen aktivieren Rezeptoren und fühlen sich für Mensch und Tier gleichermaßen gut an, während die Bedeutung von verbalem Lob erst anerzogen werden muss. Glenk erklärt: „Sanfte Berührungen und Streicheln stimulieren die Ausschüttung des Neuropeptidhormons Oxytocin, welches umgangssprachlich auch als Bindungshormon bekannt ist. Diversen Untersuchungen zufolge wirkt Oxytocin beziehungsstärkend, vertrauensfördernd, stressreduzierend und schmerzlindernd. Außerdem wird beim Streicheln auch das autonome Nervensystem dahingehend beeinflusst, dass Herzfrequenz, Blutdruck und Atemfrequenz abnehmen."
Der Ton macht die Musik?
Bedeutet dies im Umkehrschluss, dass unsere Hunde jegliche verbale Kommunikation seitens ihrer Menschen kalt lässt? Lassen sich Begeisterung und Freude oder auch Ärger nicht durch die Stimme auf unseren Hund übertragen? Auch auf diesem Gebiet wurde bereits geforscht, wobei in einigen dieser Punkte durchaus noch Nachholbedarf besteht. So verweist Feuerbacher auf die Studien der amerikanischen Verhaltenforscherin Patricia McConnell, die in den 1980ern bewies, dass hohe Stimmlagen die Aktivitäten von Tieren fördern, während tiefe Stimmen diese vermindern. Inwieweit unsere Stimme allerdings tatsächlich Emotionen transportiert und wie diese von Tieren wahrgenommen und verstanden werden, wurde bisher nur unzureichend erforscht. In Bezug auf das Lob vermutet Feuerbacher: „Obwohl ich denke, dass der Ton und die Stimmlage bei der Kommunikation mit Hunden durchaus eine Rolle spielen, denke ich auch, dass man jede Stimmlage als konditionierten (positiven) Verstärker einsetzen könnte – wenn ich meinen Hund jedes Mal, wenn er zu mir kommen soll, böse anschreie, ihm aber jedes Mal eine Wurst gebe, wenn er tatsächlich kommt, kann ich mir vorstellen, dass er immer, wenn ich schreie, meine Nähe sucht." Auch Glenk nimmt an, dass ständiges menschliches Gequatsche Hunde vermutlich eher kalt lässt und mit der Zeit für sie zu einer Art Hintergrundrauschen mutiert.
Auch oder eben besonders für unsere Vierbeiner gilt also: Taten zählen mehr als tausend Worte!