Wie alle Märchen beginnt auch dieses mit „es war einmal …“
Es war einmal auf einem wunderschönen Hundeplatz im Bayerland. Die Sonne schien, der Himmel war weiß-blau. Ein paar mutige Recken mit ihren Hunden tummelten sich auf der grünen Wiese, machten Unterordnungsübungen und auch Schutzdienst. Plötzlich näherte sich aus dem grünen Wald ein Knappe mit einem kleinen Drachen … oder war es doch nur ein weisser Bullterrier? Doch ja, es war ein Bullterrier! Der Knappe bat bei den anderen Hundegesellen um freundliches Gehör. Er wollte gerne mitwirken bei diesem fröhlichen Tun, insbesondere auch bei der Unterordnung. Dies wurde ihm gewährt. Jedoch beim Schutzdienst durfte er nicht mitwirken. So fragte sich der Knappe, warum er nicht mitmachen durfte, da er doch – wie die anderen auch – seinen Hund gerne vorführen wollte. Diese erwiderten: „Lieber Knappe, dein Bullterrier kann nicht am Schutzdienst teilnehmen, da er ein Kampfhund ist und somit eine Beiß-Sperre hat. Das bedeutet, wenn der Kampfhund den Hetzarm des Figuranten einmal gepackt hat, so kann er sein Maul nicht mehr öffnen, um diesen loszulassen. Auch nicht auf das Kommando „aus“, denn das ist unmöglich, da er hinten im Kiefergelenk eine Spange hat, die einrastet. Dann kann man ihn natürlich nur noch mit Gewalt losreissen.“
Soweit zu dem Märchen aus dem Bayernland. Jedoch für viele Menschen – und dies gilt nicht nur in Bayern – sind Märchen wahr.
Jetzt zur kynologischen Realität
Im Rahmen meiner langjährigen Tätigkeit im Bereich der Ausbildung von Hunden, stieß ich des öfteren auf die unsinnige Meinung (und das überraschenderweise auch bei sogenannten Hundefachleuten), daß es bei bestimmten Hunderassen, so z.B. Pit Bullterrier, American Staffordshire Terrier sowie Bullterrier, zu einem „Beißkrampf“ kommen kann. Hierbei meinen viele Leute, daß der Hund seinen Griff sowohl von sich aus, als auch auf Kommando, nicht mehr lösen kann. Diese Meinung ist falsch.
Um diesen Aberglauben auszuräumen, habe ich mich kynologisch mit diesem Thema befaßt.
Der Wolf als Urvater aller Hunde – vom kleinsten Zwergpinscher bis hin zur größten Dogge – hat allen Hunden die gleiche genetische Grundveranlagung vererbt. Dies allein müßte schon klarmachen, daß es keine einzelne Hunderasse geben kann, die anatomisch in der Lage wäre, das oben beschrieben Phänomen vorzuweisen.
Aufgrund der unterschiedlichen Zuchtziele der einzelnen Rassen gibt es Hunde mit einer mehr oder weniger starken Beißkraft. Dies hat jedoch mit der anatomischen Möglichkeit des Ablassens nichts zu tun.
Auf die unendlich vielen – in der Ausbildung von Hunden – angewandten Möglichkeiten, einem Hund das „AUS“ beizubringen, möchte ich in diesem Zusammenhang nicht eingehen. Dabei hat der Erfolg oder Mißerfolg einer solchen Ausbildung nur am Rande mit der Rasse, um so mehr mit Härte, Trieb und der Veranlagung des einzelnen Hundes zu tun.
Die eigentliche Sperre liegt nicht im Kiefer sondern im Gehirn des Hundes, der durch falsche Lernverknüpfungen nicht das erwünschte Auslassen, sondern das in diesem Fall unerwünschte Festhalten als Triebziel erlernt hat.
Die Grundlage für ein problemloses Ablassen ist jedoch bei allen Hunden, gleich welcher Rasse, eine gute Unterordnung sowie das Verständnis des Hundeführers für die Wesensveranlagung des einzelnen Tieres.
Bis bald, euer Michael Abelski
>>> WUFF STELLT VOR
Mike Abelski ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Verhalten von Hunden der Regierung von Oberbayern, und Mitarbeiter von WUFF. WUFF-Leser profitieren von seinem grossen kynologischen Fachwissen und seiner reichen praktischen Erfahrung als Gutachter im Hundewesen
(Internet: http://hundegutachter.de).<//a>