Crossdogging – Abwechslung und frischer Wind

Von Raphaela Niewerth

Die Hundebranche boomt und Hundehalter werden immer anspruchsvoller. Sitz, Platz, Fuß war gestern, ein breit gefächertes Angebot muss her!

Dieser Denkansatz, den viele Hundehalter mitbringen, ist nicht nur nachvollziehbar, sondern auch richtig. Durch ein und dasselbe Training an immer demselben Ort wird die Erwartungshaltung des Hundes erhöht. Diese Erwartungshaltung regt die Produktion der Stresshormone an. Nicht immer ist Stress negativ, denn »die Dosis macht das Gift«. Besser ist jedoch, ein exzessives Training in nur einer Sportart zu vermeiden. Dieser Faktor wird beim Crossdogging berücksichtigt, aber nun eins nach dem anderen.

Was ist dieses Crossdogging eigentlich?

Beim Crossdogging werden im Rahmen des Trainings in der Hundeschule den Hundehaltern fünf kniffelige und lustige Aufgaben, die als Circletraining aufgebaut werden, zur Verfügung gestellt. Zirkeltraining, diese schreckliche Quälerei aus der Schulzeit, kehrt also zurück. Diesmal jedoch mit einem gewissen Spaßfaktor und, das ist wohl das Beste daran, mit Hund! Genau wie in der Kindheit bekommt auch hier der Akteur zwei Minuten Zeit und absolviert die Station so oft wie möglich. Anschließend notiert ein anderer Hundehalter, der das Geschehen beobachtet und die Punkte zählt, diese auf einem Zettel. Nun wird gewechselt. Ist die Station von beiden Teams gemeistert, geht es gemeinsam weiter zur nächsten. Wer mag, kann die in der Woche erreichten Punkte in eine überregionale Rankingliste eintragen lassen. So ist ein Vergleich aller teilnehmenden Crossdogger aus Deutschland, Österreich und der Schweiz möglich, ohne dem Druck eines Turniers ausgesetzt zu sein. Horst mit Fifi aus Hamburg kann sich mit Doro und Anton aus Wien messen. Wer die Punkte lieber für sich behält oder womöglich gar keine zählen möchte, ist herzlich dazu angehalten, nur »just for fun« mitzumachen.

Was Dich beim Crossdogging erwartet

Die Frage, was den Kunden beim Crossdogging erwartet, ist nicht so leicht zu beantworten. Das Ziel ist eine abwechslungsreiche Auslastung des Hundes, ohne dabei jedoch den Aspekt der Erziehung aus den Augen zu verlieren. Wir wollen dazu anregen, die »Rassebrille« abzunehmen und einem Border Collie mehr als nur das Hürdenspringen und dem Labrador nicht nur das Apportieren zuzutrauen. Der Allrounder unter den Hunden wird gesucht, und das kann auch ein Mops sein! Warum nicht?

Haben Sie schon mal versucht, Ihren Hund sitzen zu lassen, während Sie mit ­Chinastäbchen ein Heißwürstchen transportieren? Gelingt es Ihnen, Ihren Hund nicht nur über ein Hindernis, sondern auch drunterher zu lotsen? Können Sie sich darauf konzentrieren, Ihren Hund durch Ihre Beine laufen zu lassen, während Sie ein Kinderlied trällern? Dies und noch viel mehr ist Crossdogging.

Die Schwierigkeit besteht darin, Objekte, die der Hund schon kennt, in einen vollkommen anderen Kontext zu bringen. Beim Umrunden von Hürden beispielsweise ist zu beobachten, dass die Mensch-Hund-Teams zu Beginn die Aufgabe einfach nur zu schaffen versuchen. Das Handling vom Menschen ist noch uneindeutig, der Hund unsicher in der Ausführung, erwartet er doch beim Anblick der Hürde springen zu müssen, nicht das Umrunden. Nach der dritten Wiederholung jedoch scheinen sowohl Mensch als auch der Hund den Ablauf verstanden zu haben und sind aktiv und mit Feuereifer dabei. Dies ist immer ein ganz besonderer Augenblick für alle Beteiligten. Der Moment, in dem es bei dem Hund ganz offensichtlich »klick« macht und er im weiteren Verlauf die Aufgabe fast eigenständig bewältigt. An der nächsten Station wartet dann eine vollkommen neue Herausforderung auf das Team. Im Vordergrund steht hierbei nicht die reine Konditionierung von Signalen, vielmehr ist eine gute Kommunikation mit dem Hund gefragt und die Fähigkeit, die passende Lösungsstrategie zu finden. Und die kann bei jedem anders aussehen.

Ein weiteres Phänomen beim Crossdogging ist der Moment, in dem der Hund alte Muster durchbricht und neue Wege sucht. Ein Hund, der in der Vergangenheit einen Ball immer apportiert hat, nun jedoch die Aufgabe bekommt, ihn lediglich zu stupsen – das ist ein schwieriges Unterfangen. Hunde lernen nämlich objektbezogen und zeigen somit mit diesem Objekt immer das Verhalten, das in der Vergangenheit zum Erfolg geführt und er damit verknüpft hat. Das führt auf Dauer jedoch auch zu einer hohen Erregung und dem Abbau der Konzentration. Der Hund hört in dem Moment nicht mehr richtig zu und spult lediglich das bekannte Verhalten ab. Verändern wir nun aber die Aufgabenstellung an dem Objekt, wird seine Erwartungshaltung sich verändern und seine grauen Zellen werden aktiviert, seine Erregung sinkt. Das wiederum senkt die Stressproduktion und hält den Hund gesund.

Ganz konkret bitte!

Eine Aufgabe aus dem Crossdogging könnte lauten: Gehen Sie mit Ihrem Hund auf die Pylone zu. Dabei halten Sie einen Löffel, auf dem ein Ball liegt, in der Hand. Vor der Pylone bleiben Sie stehen und dirigieren den Hund mit der noch freien Hand einmal drumherum. Ist der Hund wieder bei Ihnen angekommen, bringen Sie ihn ins Sitzkommando. Nun lassen Sie den Ball vom Löffel fallen. Erst wenn der Ball still liegt, fordern Sie den Hund auf, den Ball zurück zum Startpunkt zu tragen.

Das ist doch viel zu schwer! Habe ich als Neuling überhaupt eine Chance?

Damit es auch für die Neuankömmlinge machbar ist, gibt es beim Crossdogging drei verschiedene Leistungsklassen. Die Studys, so heißen die Anfänger, dürfen bei der Aufgabe den Ball auf den Boden legen und müssen ihn nicht fallen lassen. Auch beim Apport dürfen sie ihren Hund noch unterstützen. Für den Bachelor, das sind die fortgeschrittenen Teams, wird es schon kniffeliger. Sie absolvieren die Aufgabe wie beschrieben. Und der Profi, der Master genannt wird, lässt den Ball fallen und geht alleine zurück zur Ausgangsposition. Der Hund wartet an Ort und Stelle im Sitzkommando und apportiert den Ball auf ein Signal hin zurück zum Halter.

Der große Vorteil ist, dass die verschiedenen Leistungsklassen voneinander profitieren können. Anfänger können sich Tricks von den »alten Hasen« abschauen und die Profis festigen ihr Können durch das Anleiten und die Hilfestellung bei den »Neuen«. Ein einfaches, aber geniales Konzept.

Ziele setzen mit monatlichen Hausaufgaben

Um Ziele zu stecken und an Aufgabenstellungen zu wachsen, bekommen die Crossdogger monatliche Hausaufgaben, die sogenannten Trainingstipps. Das ermöglicht auf bereits Erlerntes aufzubauen und den Hund weiter zu fördern. Ein Trainingstipp könnte z.B. lauten, dass der Hund lernen soll, im Slalom durch die Beine des Menschen zu laufen oder mit den Vorderpfoten auf einer Kiste zu stehen. Den ganzen Monat über werden die Aufgaben sich dann an drei solcher Trainingsschwerpunkte orientieren. So bekommen Mensch und Hund Zeit, sich zu Hause ein gewisses Handling zu erarbeiten und sich so ein wenig auf die Aufgaben der kommenden Wochen vorzubereiten. Wie genau diese Aufgaben aussehen werden, weiß zu diesem Zeitpunkt jedoch noch niemand. Die Aufgaben werden immer erst in der laufenden Woche zur Verfügung gestellt.

Was müssen Hund und Mensch können?

Der Hund sollte:
• neugierig sein
• über Futter zu motivieren sein
• gerne Neues erlernen
• Freude an der Zusammenarbeit mit seinem Menschen haben
• beschäftigt werden wollen.

Das Alter des Hundes spielt keine Rolle. Auch Hunde mit Handicap können noch viel Freude am Crossdogging haben und im Ranking ganz oben mitspielen. Natürlich gibt es auch mal kleine sportliche Herausforderungen, die dann die jüngeren Hunde mit Bravour meistern. Mindestens genauso häufig bringt einen jedoch eine kreative Lösungsfindung und ein großer Erfahrungsschatz nach vorne. Nicht exzessiv, sondern vielseitig und spontan lautet die Devise!

Der passende Mensch sollte:
• neugierig sein
• nicht in »Schubladen« denken
• über den Tellerrand gucken
• flexibel denken und handeln
• sich in den Hund einfühlen können
• gerne auch mal albern sein
• an den Hund und seine Fähigkeiten ­glauben.

Ist keine Punktejagd gewünscht, können die Aufgaben auch einfach nur zum Spaß absolviert werden. Dennoch sollten diese Akteure sich ebenfalls an die Zeitvorgabe von zwei Minuten halten und im Anschluss, während des Stationswechsels, die zweiminütige Pause einhalten. So entsteht ein ausgewogenes Verhältnis von Anspannung und Entspannung.

Bislang bieten über 150 Hundeschulen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz Crossdogging an. Die Tendenz ist steigend. Wenn Ihr Interesse geweckt ist, sprechen Sie einfach die Hundeschule Ihres Vertrauens an und bitten Sie sie, Crossdogging einmal unverbindlich zu testen. Eine kostenlose Probestunde für die Hundeschule gibt es unter www.crossdogging.de.

Die Initiatorinnen

Raphaela Niewerth
Raphaela wohnt mit ihrem Mann, den drei Kindern und zwei Hunden in Ahaus. Sie ist Hundetrainerin und angesehene Expertin für Hundeschulen. Sie agiert als Verlegerin und stellt Hundetrainern ausgearbeitete Trainingskonzepte zur Verfügung. Des Weiteren ist sie Erfinderin der Denkspielstation »mentra« und veröffentlichte 2015 gemeinsam mit Melanie Fydrich das Buch »Crossdogging – Hundesport querbeet«.

Melanie Fydrich
Melanie wohnt mit ihrem Mann und drei Hunden in Duisburg und betreibt dort die Hundeschule Heinrichsen. Sie ist mehrfache Welt- und Europameisterin im Hundefrisbee. Regelmäßig gibt sie dazu Seminare im deutschsprachigen Raum. Außerdem veröffentlichte sie das bei Hundetrainern sehr beliebte Buch «Longiersport für Hunde«.

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