Vereinzelte Berichte aus China über das aktuelle Coronavirus (SARS CoV-2) bei Hunden verunsichern viele Halter und Halterinnen. Wie ernst sind solche Berichte zu nehmen? Können Hunde sich mit dem Virus infizieren? Und wenn ja, können sie das Virus auf ihren Menschen übertragen? WUFF hat für Sie die aktuelle wissenschaftliche Literatur (Stand Mai 2020) gesichtet.
Coronaviren gibt es bei Hunden und Katzen seit vielen Jahren. Je nach Virusstamm können sie bei Hunden beispielsweise zu Darmproblemen oder bei Katzen zur gefürchteten FIP (feline infektiöse Peritonitis), einer tödlichen Bauchfellentzündung, führen. Eine direkte Übertragung dieser Viren von Hund oder Katze auf den Menschen ist jedoch bislang nicht nachgewiesen. Dies gilt sowohl für die SARS-Epidemie (SARS: Schweres Akutes Respiratorisches Syndrom) Ende 2002 in China (WHO 2003), als auch für die aktuelle SARS-CoV-2-Pandemie, die hierzulande zum Glück wieder im Abklingen ist.
Wenn also eine direkte Virusübertragung von Hund auf Mensch nicht nachgewiesen wurde, so ist allerdings eine indirekte Übertragung des Virus zumindest vorstellbar. Dann nämlich, wenn das Virus von einem infizierten Menschen auf das Hundefell gelangt (bspw. durch Streicheln mit ungewaschenen Händen, an denen sich das Virus befindet, oder durch direktes Anhusten des Hundes). Wenn nun innerhalb kurzer Zeit ein anderer Mensch den Hund ebenfalls streichelt, gelangen Viren (bei entsprechend hoher Viruslast auf dem Hund) auf dessen Hand. Reibt sich der Mensch dann mit der (ungewaschenen) Hand unbewusst die Augen oder greift sich sonst ins Gesicht, kann es zu einer Infektion kommen. Nachgewiesen ist dies bislang zwar nicht, allerdings ist dieser Übertragungsweg theoretisch vorstellbar. Verhindern kann man das, indem man derzeit nicht zulässt, dass der Hund von unbekannten Personen gestreichelt wird, die möglicherweise asymptomatische Virusträger sein könnten. War dies doch der Fall, dann genügt es einfach, sich selbst die Hände nach dem Kontakt mit dem Hund zu waschen. Wie lange das Virus im Fell des Hundes überlebt, ist unbekannt. Sicherheitshalber sollte man von mehreren Stunden ausgehen.
Hunde von COVID-erkrankten Haltern
Eine aktuelle Studie aus Hongkong, die in der renommierten Zeitschrift Nature im Mai 2020 publiziert wurde, untersuchte in der chinesischen Millionenmetropole Hunde aus 15 Haushalten, in denen mindestens eine Person an COVID-19 erkrankt war (Sit et al. 2020). Da diese Personen im Krankenhaus behandelt wurden und eventuell vorhandene Familienmitglieder einer strikten Quarantäne unterworfen wurden, bot die für Tiere zuständige Hongkonger Behörde den Hundehaltern an, ihre Hunde in eine Quarantänestation zu bringen und sie zu überwachen. In dieser Zeit wurden die 15 Hunde auch mittels Nasen-Rachen-Abstrich sowie Stuhlproben auf das SARS-CoV-2 getestet. Tatsächlich waren die Abstriche bei zweien der 15 Hunde im PCR-Test positiv. Die Hongkonger Wissenschaftler gehen dabei von einer Mensch-zu-Hund-Übertragung aus. Die anderen 13 Hunde waren sowohl beim PCR-Test (direkter Nachweis des Virus oder dessen Partikel) als auch beim Antikörpertest negativ.
Einer der beiden positiv getesteten Hunde war ein 17-jähriger Zwergspitzrüde, der an chronischen Erkrankungen der Herzklappen, der Nieren und der Schilddrüse litt. Durch die Coronavirus-Infektion hat sich sein Zustand aber nicht verschlechtert, d.h. in dieser Hinsicht war er asymptomatisch. Eine Anzüchtung des Virus misslang als Folge der offenbar zu geringen Viruslast.
Der andere Hund war ein zweieinhalbjähriger gesunder Deutscher Schäferhundrüde, ohne jegliche Beschwerden. In demselben Haushalt befand sich auch ein zweiter Hund, der jedoch CoV-2-negativ war. Sowohl der Zwergspitz als auch der Schäferhund waren eindeutig von ihren Haltern angesteckt worden, was sich mittels der Genom-Sequenz des Virus nachweisen ließ. Die Hunde blieben aber über die gesamte Zeit der Quarantäne in Bezug auf COVID-19 ohne jegliche Symptome.
Während also bei zweien der 15 Hunde von an COVID-19 erkrankten Personen das Coronavirus und damit eine Mensch-zu-Hund-Übertragung nachweisbar war, so konnte trotz vieler einschlägiger Untersuchungen weltweit eine umgekehrte Übertragung des SARS-CoV-2 vom Hund auf den Menschen nicht bewiesen werden.
Hunde als »virale Sackgasse«: Keine Übertragung auf den Menschen
Ausgehend sowohl von den Studien zur chinesischen SARS-Epidemie Ende 2002 als auch zur aktuellen SARS-CoV-2-Situation müssen Halterinnen und Halter von Hunden nicht befürchten, von ihrem Vierbeiner direkt mit dem Coronavirus angesteckt zu werden. Der Mensch kann offenbar in seltenen (in der Hongkonger Studie in 2 von 15) Fällen das Virus auf den Hund übertragen, ein umgekehrter Infektionsweg ist jedoch nicht nachgewiesen. Die Daten der Hongkonger Studie korrelieren auch mit denen einer anderen chinesischen Studie, in der bei Hunden eine schlechte Virusreplikation (Vermehrung) nachgewiesen wurde (Shi et al. 2020). Und selbst wenn es in seltenen Fällen zu einer Infektion kommt, so seien infizierte Hunde sog. »virale Sackgassen«, was bedeutet, dass sie die Infektion nicht weiter verbreiten.
Dass dennoch manche Wissenschaftler die Vermeidung hundlichen Kontakts mit Menschen empfehlen, die an COVID-19 erkrankt sind, und zwar solange, bis diese Virus-negativ geworden sind, ist eine bloße Meinung, der man sich anschließen kann oder auch nicht. Eine evidenzbasierte Grundlage für diese Empfehlung gibt es nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft jedenfalls nicht.
Literatur
• Shi J. et al. Susceptibility of ferrets, cats, dogs, and other domesticated animals to SARS–coronavirus 2. Science 08 Apr 2020: eabb7015. DOI: 10.1126/science.abb7015
• Sit, T. H.C. et al. Infection of dogs with SARS-CoV-2. Nature https://doi. org/10.1038/s41586-020-2334-5 (2020).
• WHO (2003) Consensus document on the epidemiology of severe acute respiratory syndrome (SARS) available at https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/70863/ WHO_CDS_CSR_GAR_2003.11_eng.pdf 85
Pdf zu diesem Artikel: covid19_hunde