Corona-Schnüffelhunde: Spürnasen im Zeitalter der Pandemie

Von Sylke Schulte

Die Corona-Pandemie hat die Welt auch fast ein Jahr nach dem ersten Ausbruch fest im Griff. Gerade jetzt, in der dunklen Jahreszeit, verbreitet sich das Virus wieder rasant, da Abstands- und Hygieneregelungen in beheizten Räumen schwerer einzuhalten sind. Bis zur Entwicklung einer für alle Menschen zugänglichen Impfung müssen wir uns wohl weiterhin auf flächendeckende Tests und darauffolgend auf die Unterbrechung der Infektionsketten verlassen. Dabei arbeiten Forscher weltweit an der Eindämmung und Bekämpfung des Virus. Eine Hoffnung liegt dabei in den Nasen der besten Freunde der Menschen: Könnten Corona-Schnüffelhunde uns schon bald im Kampf gegen die Pandemie helfen?

Dass Hunde über einen erstaunlichen Geruchssinn verfügen, ist nichts Neues. Schon in grauer Vorzeit nutzten unsere Ahnen diese spezielle Anlage und ließen sich von den Vorfahren unserer Haushunde bei der Jagd helfen. Und aufgrund genau dieser Fähigkeit kommen sie heute immer noch – trotz all unserer modernen Technik – in den unterschiedlichsten Gebieten zum Einsatz, sei es als Drogen-, Leichen- oder Bombenspürhunde. Auch die Fähigkeit Krankheiten zu erschnüffeln machen sich die Menschen beispielsweise bei der Erkennung von bestimmten Krebserkrankungen oder Unterzuckerungen bei Diabetikern zunutze. Aus diesem Grund liegt es nahe, zu testen, ob die feine Hundenase auch in der Lage ist, den neuartigen SARS-CoV-2 Virus, der als Auslöser von COVID-19 identifiziert wurde, zu erkennen.

Supernasen
Hundenasen verfügen über Millionen von winzigen Kapillaren, welche ihren hypersensiblen Geruchssinn ausmachen. Vom Mops bis zum Schäferhund: Die Riechschleimhaut der Nasenhöhlen unserer Vierbeiner ist der menschlichen in jedem Fall überlegen. Hinzu kommt außerdem, dass Hunde das Riechen im Laufe der Evolution immer weiter perfektionierten, während sich der Mensch heute mehr auf seine Augen als auf seine Nase verlässt. Somit wenden Hunde auch einen größeren Teil ihres Gehirns zum Einordnen von Gerüchen auf, was es ihnen ermöglicht sogar »dreidimensional« zu riechen.

Diese olfaktorischen Meisterleistungen machen sich die Menschen auf den verschiedensten Gebieten zunutze, wobei Hunde vor allem in der medizinischen Forschung immer wieder für Schlagzeilen sorgen. So belegte eine mexikanische Studie beispielsweise vor ein paar Jahren, dass Hunde durch Schnüffeln an Damenbinden Gebärmutterhalskrebs sicherer erkennen konnten als jedes sonst übliche Verfahren inklusive der Pap-Tests. Eine andere Studie aus Frankreich zeigte, dass Schäferhunde Brustkrebs mit einer 100-prozentigen Genauigkeit an getragener Kleidung erschnüffeln können. Diese Leistungen sind nicht nur erstaunlich, sondern könnten vor allem in Regionen der Welt, welche medizinisch schlechter ausgestattet sind, Leben retten.

Covid-Hunde
Was genau Hunde in die Lage versetzt, Tumore und andere Krankheiten zu erkennen, gibt den Forschern bis heute Rätsel auf, denn soweit bekannt, sind viele Tumore absolut geruchslos. Das »Wie« wirft also noch einige Fragen auf, doch das hält die Wissenschaft nicht davon ab, auch in der Diagnostik von COVID-19 auf Hundenasen zu setzen. Schon relativ früh nach Ausbruch der Pandemie machten sich Forscher überall auf der Welt daran, Hunde auf die Erkennung des Virus zu trainieren – mit vielversprechenden Erfolgen.

Bereits im April dieses Jahres wurde eine Forschungsinitiative der University of Pennsylvania‘s School of Veterinary Medicine (Penn Vet) gestartet, in welcher ausgebildete Spürhunde eingesetzt werden, um zwischen Proben von COVID-19-positiven und COVID-19-negativen Patienten zu unterscheiden. Die Hoffnung der Forscher liegt darin, dass Hunde als Multiplikatoren bei der Erkennung von COVID-19 eingesetzt werden können, insbesondere bei asymptomatischen Patienten oder in Krankenhaus- oder Geschäftsumgebungen, in denen Tests am schwierigsten sind. »Duftspürhunde können niedrige Konzentrationen flüchtiger organischer Verbindungen, auch bekannt als VOCs, die mit verschiedenen Krankheiten wie Eierstockkrebs, bakteriellen Infektionen und Nasentumoren in Verbindung gebracht werden, genau erkennen. Diese VOCs sind in menschlichem Blut, Speichel, Urin oder Atem vorhanden«, wird Studienleiterin Dr. Cynthia Otto, Professorin für Arbeitshundewissenschaften und Sportmedizin und Direktorin des Penn Vet‘s Working Dog Center auf der Universitätswebseite zitiert: »Die potenziellen Auswirkungen dieser Hunde und ihre Fähigkeit, COVID-19 nachzuweisen, könnten erheblich sein. Diese Studie wird die außerordentliche Fähigkeit des Hundes nutzen, die nationalen COVID-19 Überwachungssysteme zu unterstützen, mit dem Ziel, die Ausbreitung zu reduzieren.« Im Rahmen dieser Studie wurden bisher neun Hunde ausgebildet, bei positiv diagnostizierten Patienten einen Duftstoff zu erkennen. Dabei wiesen die Hunde eine Genauigkeit von 95 Prozent auf. Im nächsten Schritt wollen die Forscher untersuchen, ob diese Hunde den Virus auch an der menschlichen Kleidung erkennen können.

Doch auch auf der anderen Seite des großen Teiches melden Wissenschaftler vielversprechende Erfolge. Schon im Juli veröffentlichte ein Forscherteam unter der Leitung der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover in Zusammenarbeit mit der Bundeswehr, der Medizinischen Hochschule Hannover und dem Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf, seine Studie »Scent dog identification of samples from COVID-19 patients – a pilot study« (Identifizierung von Proben von COVID-19-Patienten durch Duftspürhunde – eine Pilotstudie). Dabei mussten die Hunde lediglich eine Woche trainiert werden, um zwischen Proben von SARS-CoV-2-infizierten Patienten und nicht infizierten Kontrollen zu unterscheiden. Die Studie wurde mit acht spezialisierten Spürhunden der Bundeswehr durchgeführt. Nach dem Training waren sie in der Lage, von 1.012 Speichel- oder Tracheobronchialsekretproben 94 Prozent korrekt zu identifizieren. Die Proben wurden automatisiert nach dem Zufallsprinzip verteilt und weder die beteiligten ­Hundeführerinnen und Hundeführer noch die Forscherinnen und Forscher vor Ort wussten, welche Proben positiv waren und welche der Kontrolle dienten. Die Hunde konnten zwischen Proben infizierter (positiver) und nicht infizierter (negativer) Individuen mit einer durchschnittlichen Sensitivität von 83 Prozent und einer Spezifität von 96 Prozent unterscheiden. Die Sensitivität benennt die Erkennung positiver Proben, die Spezifität die Erkennung der negativen Kontrollproben.
Dr. Esther Schalke, Verhaltensforscherin und Hundetrainerin, arbeitet an der Schule für Diensthundewesen der Bundeswehr in Ulmen und begleitete das Projekt auf Seiten der Bundeswehr. Sie sagt: »Die Geruchserkennung von Hunden ist weit besser, als sich die breite Öffentlichkeit vorstellen kann. Trotzdem waren wir erstaunt, wie schnell unsere Hunde trainiert werden konnten, um Proben von SARS-CoV-2-infizierten Personen zu erkennen«.

Schon im Einsatz
Am finnischen Flughafen Helsinki-Vantaa hat man bereits damit begonnen, mit Coronaviren infizierte Passagiere mittels Spürhunden aufzuspüren. Die 15 Hunde sind Teil eines Pilotprojekts, das vom Flughafen durchgeführt wird, um die Sicherheit der Fluggäste zu gewährleisten und neben anderen Maßnahmen die Verbreitung von COVID-19 einzudämmen. Es wird vermutet, dass die Hunde die Krankheit bis zu fünf Tage vor dem Auftreten der Symptome erkennen können. Ein Team von 15 Hunden und 10 Ausbildern wird in Finnland von Freiwilligen, die von einer privaten Tierklinik gesponsert werden, für diese Aufgabe ausgebildet. »Was wir in unserer Forschung gesehen haben, ist, dass die Hunde die Krankheit fünf Tage finden, bevor die Patienten irgendwelche klinischen Symptome bekommen«, wird Anna Hielm-Bjorkman, außerordentliche Professorin an der Universität Helsinki und tätig in der klinischen Forschung für Haustiere, von Reuters zitiert: »Sie sind darin sehr gut. Wir kommen nahe an die 100-prozentige Sensitivität heran.« Der Flughafenbetreiber scheint begeistert, zumal die Hunde in der Lage sind, das Virus aus einer sehr viel kleineren Probe als bei PCR-Tests zu identifizieren. Der Test braucht hierzu circa 18 Millionen Moleküle, während die Hunde lediglich 10-100 benötigen.

Auch an anderen Flughäfen der Welt laufen nun ähnliche Pilotprojekte, wobei die Abgabe einer Schweißprobe durch die Passagiere auf freiwilliger Basis erfolgt. Identifiziert ein Hund einen Passagier als positiv, werden demnach weitere Maßnahmen und Tests ergriffen. Die Hoffnung der Forscher, die Tests ausweiten zu können und dass langfristig Hunde bei der Eindämmung der Pandemie helfen könnten, sind also nicht unbegründet. Zudem sind die Tests nicht invasiv und ein einziger Hund kann pro Stunde bis zu 250 Personen untersuchen.

Ausblick
Auch wenn wir alle hoffen, dass der Corona-Spuk bald ein Ende findet und mit einer wirkungsvollen und flächendeckenden Impfung wieder Normalität einkehrt, können unsere Vierbeiner uns auf dem Weg dahin also wertvolle Dienste leisten, indem sie helfen, Infektionsketten zu durchbrechen und Hot-Spots zu identifizieren. Wieder einmal stellen unsere Vierbeiner ihre Supernasen in den Dienst der Menschen, und das (fast) ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Zudem liefern die Erkenntnisse der weltweiten Studien auch Ansätze und Ausblicke auf zukünftige Projekte und weiterführende Forschungen nicht nur im medizinischen Sektor. Doch nicht nur die professionellen Spürnasen unter den Hunden spielen derzeit eine nicht zu unterschätzende Rolle während der Pandemie: Auch in unserem Heim leisten die besten Freunde des Menschen durch Trost und Ablenkung großartige Arbeit in Zeiten von Social Distancing.

Das könnte Sie auch interessieren: