Chucks grosser Auftritt

Von Iris Strassmann

Endlich ist der große Tag da. Hochspannung. Alle Schülerinnen und Schüler des Wahlpflichtkurses „Haustiere – Pflege und Haltung“ sitzen mucksmäuschenstill auf ihren Plätzen und starren gebannt auf die offene Klassentür: Wo bleibt er nur?
Alle sind pünktlich erschienen, auch die beiden notorischen Zuspätkommer hat es dieses Mal pünktlich aus den Federn getrieben. Nur nicht dumm auffallen! Ein leicht mulmiges Gefühl macht sich in der Magengegend breit. Endlich betritt der Star des Tages den Raum, schaut sich gelassen um und begibt sich dann an seinen Platz, wo er sich auf ein Zeichen seines Hundeführers niederlegt. Richtig: Chuck ist ein echter Polizeihund, ausgebildet zum Schutzhund, wie seine beiden anderen Flensburger Kollegen auch.
Während nun sein Herrchen und ein weiterer Hundeführer allen Rede und Antwort stehen, macht Chuck es sich im Klassenraum bequem. Es gibt viele Fragen, und blitzschnell ist die erste Stunde um.

Action!
Nun aber kommt der eigentliche Höhepunkt des Schultages: Chuck wird einen „Verbrecher fangen“. Zum Glück muss keiner der Schüler „herhalten“. Sein Herrchen hat für ihn einen „Privat-Verbrecher“ mitgebracht, seinen Kollegen und Freund, den auch Chuck sehr gut kennt. Nun begeben sich alle auf den Sportplatz, wo die Demonstration stattfinden soll. Imponierend, dass der Hundeführer darum bittet, die Vorführung auf einem weichen Untergrund stattfinden zu lassen, damit sich sein Hund nicht die Pfoten auf hartem Asphalt aufscheuert!
Chuck merkt, dass es nun endlich losgeht! Er spitzt die Ohren und schaut sich aufmerksam um, immer wieder mit Blick zum Herrchen! Inzwischen sind noch ein paar Klassen zu uns auf den Rasen gekommen, denn keiner möchte den Hund und das Schauspiel verpassen. Ein Hund in der Schule, das ist doch einmal etwas anderes, und dann noch ein echter Polizeihund! Die Großen bleiben ein wenig auf Abstand, denn sie trauen dem Frieden nicht so ganz. Anders die Kleinen! Am liebsten hätten sie den imposanten Hund sofort geknuddelt und gestreichelt. Aber Chuck hat im Moment nicht mehr viel mit seiner Umgebung im Sinn. Er ist voll auf seinen Hundeführer konzentriert, und er spürt, dass es nun Arbeit für ihn gibt.
Nun wird ihm ein recht massiver Maulkorb aus Leder angelegt, damit er den „Täter” nicht verletzen kann, da der Beamte ja nur einen dunklen Overall tragen wird. Um den Schülern und Lehrern Chucks ganze Kunst zeigen zu können, soll der Verdächtige nämlich fliehen und sich auch wehren. Jeder „normale“ Täter mit gesundem Menschenverstand würde beim Einsatz eines solchen „Spezialisten“ auf vier Beinen mit einem prächtigen Gebiss wahrscheinlich sofort stehenbleiben und sich ergeben. Völlig aussichtslos, an Flucht zu denken!

Fang den Dieb
Da! Ein dunkler Schatten am Schulzaun! Anruf durch die Polizei! Doch der Schatten bleibt nicht stehen, sondern gibt Fersengeld! Da hat er aber seine Rechnung ohne Chuck gemacht, der abgeleint und losgeschickt wird! Blitzschnell hat er den Täter erreicht und wirft ihn mit seiner Körperkraft und dem Schwung aus vollem Lauf zu Boden. Da der „Verbrecher“ sich heftig wehrt, kommt es zu einem „Ringkampf“, wobei der kräftige Hund seine Vorderbeine zum Niederringen des viel schwereren Menschen benutzt. Endlich kauert der Täter am Boden und gibt auf. Ein Kommando, und Chuck lässt vom Täter ab und legt sich gehorsam neben die kauernde Gestalt. Der Verdächtige wird mit erhobenen Händen abgeführt, immer beobachtet von Chuck, der beim folgenden Fluchtversuch sofort hinterhersetzt und „kurzen Prozess“ macht. Keine Chance, dem Hund zu entkommen.

Entspannung und Belohnung
Nun wird Chuck vom Maulkorb befreit. Er behält den Täter aber immer noch im Auge und würde bei einer verdächtigen Bewegung sofort reagieren, notfalls zubeissen, denn er ist noch „im Dienst“.
Alle sind sehr erstaunt darüber, wie ungewöhnlich schnell sich Chuck wieder beruhigt hat. 5 Minuten nach dem Einsatz ist er von allen Kindern ganz eng umringt und genießt die vielen Streicheleinheiten und Leckerchen, die vorsorglich von einigen Schülern mitgebracht worden sind. Wieder sind es die Kleinen, die keinerlei Scheu vor dem imposanten Schäferhund haben und ihn ganz eng umzingeln. Die Größeren bleiben vorsichtshalber ein wenig auf Abstand. Dieses Erlebnis wird den Schülern sicher länger im Gedächtnis bleiben als so manche Vokabel oder chemische Formel. So spannend müsste der Unterricht immer sein!
Auf die Frage unserer Redakteurin, warum er dieser Vorführung in der Schule zugestimmt habe, meinte der Leiter der Realschule Flensburg-West, Herr Bernd Kelling, dass dadurch die Schüler so den Hund als Helfer und Begleiter des Menschen kennenlernen und erleben könnten. Außerdem sei es ihm für die Kinder und Jugendlichen wichtig, dass sie in der Schule Kontakt mit der Realität bekommen und so unter anderem auch Ängste und Vorurteile gegenüber der Polizeiarbeit abbauen könnten.



>>> WUFF – HINTERGRUND


Ein WUFF-Interview mit dem Polizeibeamten und Hundeführer Dirk Nicolaysen. Das Gespräch führte Iris Strassmann, WUFF-Deutschlandredaktion.

WUFF: Welche Hunderassen sind Ihrer Meinung nach für den Polizeidienst am besten geeignet?
Nicolaysen: Wir bevorzugen den Deutschen Schäferhund und den Malinois (belgischer Schäferhund). Diese Hunde gelten als sehr robust und widerstandsfähig. Der Mali ist sehr flink und wendig, besitzt große Ausdauer und ist ein vortrefflicher Springer. Dagegen ist das Erscheinungsbild des DSH imponierend. Er ist geeignet für alle Verwendungsmöglichkeiten. Er hat eine sehr gute Lernfähigkeit, Härte und Triebveranlagung. Beide Rassen überzeugen durch eine große Robustheit und gute Führigkeit.
WUFF: Welche Anforderungen stellen Sie noch an einen Polizeihund?
Nicolaysen: Der Hund sollte anpassungsfähig wie auch flexibel sein. Zudem sollten die Sinne, wie Geruchs-, Gehörs- und Gesichtssinn, gut ausgeprägt sein. Alles dies sind Voraussetzungen für einen guten Gebrauchshund (Polizeihund).
WUFF: Was können Sie zur Ausbildung eines Diensthundes sagen?
Nicolaysen: Die Ausbildung beginnt bei der Auswahl des Hundes. Wie man z.B. aus einem „Ackergaul“ kein Rennpferd machen kann, so kann aus einem ängstlichen Hund kein Schutzhund werden. Der Hund kann nur das Ausbildungsziel erreichen, für das er die Naturanlagen besitzt.Bei der Vielzahl von Ausbildungsgrundsätzen ist die zentrale Frage: Wie mache ich mich meinem Hund verständlich? Wenn es Sie interessiert, können Sie sich noch näher im Handbuch für Hundeführer informieren. (Anmerkung der Red.: von Gerhard Ruland, Leiter der Diensthundestaffel der Polizei des Saarlandes, und Dr. jur. Kurt Gintzel, Boorberg -Verlag).
WUFF: Wie schätzen Sie die Bedeutung des Diensthundes in der heutigen Zeit ein? Kann man ihn nicht durch Elektronik ersetzen?
Nicolaysen: Dass man ihn in absehbarer Zeit z. B. durch elektronische Mittel ersetzen könnte, ist meiner Meinung nach nicht zu erwarten. Wir haben hier im Land Schleswig-Holstein 145 Diensthunde im Einsatz, überwiegend Schutzhunde. Für die Kollegen vor Ort ist die Anwesenheit eines Diensthundes ein beruhigender Faktor. Es kommt in diesen Situationen seltener zu Aggressionshandlungen. Allein durch die Anwesenheit eines Diensthundes beruhigen sich viele Situationen von selbst. Gerade auch bei größeren Veranstaltungen ist der Einsatz einer Diensthundestaffel ein wirksames Mittel gegen Aggressionen.
WUFF: Die Flensburger Polizei gilt als besonders bürgernah, was man ja auch an den vielen kleinen Polizeistationen erkennen kann, die über das gesamte Stadtgebiet verteilt sind. Hängt Ihr Besuch in der Realschule Flensburg West damit zusammen?
Nicolaysen: Ja. Diese Veranstaltung soll u. a. eine Möglichkeit bieten, Fragen an die Polizei zu richten oder Wünsche an sie heranzutragen. Wir wollen die „Angst“ vor der Polizei etwas abbauen und dann auch direkter Ansprechpartner für die Jugendlichen und Kinder sein. Außerdem soll diese Aktion auch Aufklärungsarbeit über die Aufgaben der Polizei (hier Diensthundewesen) sein. Es sind bis zum heutigen Tag schon vielerlei ähnliche Besuche der Polizei in Kindergärten und Schulen der Stadt Flensburg durchgeführt worden.
WUFF: Uns erscheint dies eine sehr vernünftige und sinnvolle Art der Prävention zu sein. Unseres Wissens ist dieses neue Konzept der absoluten Bürgernähe der Polizei ziemlich einmalig in der Bundesrepublik. So mancher Hundehalter in anderen Bereichen Deutschlands dürfte neidvoll nach Flensburg blicken, vor allem in der heutigen Zeit der Hundehysterie, wo gelegentlich auch von Seiten der Polizei überreagiert wird. Wie lebt nun aber ein Polizeihund?
Nicolaysen: Mein Diensthund Chuck lebt seit bald vier Jahren bei uns zu Hause mit in der Familie. Da er es seit Welpenalter gewohnt ist draußen zu leben, hat er einen Zwinger mit Hundehütte im Garten, wo er, eingemummelt in einem Ballen Stroh, jede Jahreszeit verbringt. Ansonsten begleitet er mich täglich zum Dienst und zu allen anderen dienstlichen wie auch vielen privaten Veranstaltungen.
WUFF: Wir bedanken uns sehr herzlich bei Ihnen und Ihrem Kollegen für dieses Interview und die Veranstaltung.

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