Nach dem tragischen Unfall, bei dem ein Militär-Diensthundeführer von einem Zugriffshund getötet wurde (siehe Bericht in dieser Ausgabe), werden Rufe lauter, ob man Spezialhunde – also Hunde, die im Dienst des Menschen stehen – überhaupt braucht. WUFF sucht nach Antworten.
Glücklicherweise passieren so schwerwiegende Unfälle mit Diensthunden, wie der Fall mit dem getöteten Diensthundeführer, äußerst selten. Dennoch hat dieser Fall ein enormes mediales Echo ausgelöst. In den sozialen Medien ist man immer wieder über die Frage gestolpert, ob und wozu man solche Hunde überhaupt braucht. Ganz radikale Personen gehen sogar so weit, dass sie sagen, Hunde dürften überhaupt nicht im Dienst des Menschen eingesetzt werden, weil dies eine Ausnutzung der Tiere sei.
Zugriffshunde
Doch zurück zum Auslöser dieser Diskussion. Zugriffshunde sind sehr spezialisierte Hunde, die auch nicht mit normalen Diensthunden vergleichbar sind. Vor dem Gesetz gelten sie im Einsatz als Waffe. Brauchen wir hierzulande überhaupt solche Zugriffshunde? Gibt es überhaupt Bedrohungsszenarien, bei denen man solche Hunde benötigt? Nun, solche Situationen gibt es, nur hört man selten über diese Einsätze, weil sie oft verdeckt im Hintergrund stattfinden. Selbst wenn man in den Medien über einen Einsatz hört, wird oft gar nicht erwähnt, dass Spezialhunde beteiligt waren. Überhaupt war diese Einheit, in der der erwähnte tödliche Unfall passierte, so diskret aufgestellt, dass selbst Kenner der Materie gar nicht wussten, dass dieses Jagdkommando über eine solche Zugriffshunde-Einheit verfügt.
Relativiert betrachtet kann man sagen, dass 99,9% der Bevölkerung solche Hunde nie benötigen werden und auch nie damit in Berührung kommen. Aber was ist mit den verbleibenden 0,1%, die es betrifft? Derjenige, der zufällig Opfer einer Geiselnahme wird oder sich in einem von Terroristen besetzten Gebäude befindet, wird die Sache vermutlich anders sehen. Bequem von der Couch aus die Nachrichten betrachtend kann man leicht sagen, »das brauchen wir nicht«, aber für die betroffenen Personen bedeutet es vielleicht leben oder sterben. Zugriffshunde sind Hunde für einen zwar sehr speziellen Bereich, aber genau dort werden sie benötigt und können die Zugriffsteams unterstützen.
Militärdiensthunde
»Normale Militärdiensthunde« unterscheiden sich deutlich von den für das Jagdkommando ausgebildeten Zugriffshunden. Militärdiensthunde begleiten ihre Hundeführer bei Übungen, im Auslandseinsatz, bei der Bewachung von militärischen Arealen und bei vielen anderen militärischen Einsätzen. Die Ausbildung unterscheidet sich auch deutlich von der von Polizeihunden, da diese eher als Allrounder in allen Disziplinen ausgebildet werden, während Militärdiensthunde deutlich spezialisierter sind. So werden z.B. die Rottweiler bei den Militärdiensthunden fast ausschließlich für Schutz- und Wachaufgaben ausgebildet und nicht jedoch für Suchaufgaben. Für diese wiederum werden die Schäferhunde – allen voran Malinois – verwendet und neuerdings auch Labradore. Der Grund dafür ist, dass ein leichter Malinois bei sehr fordernden Einsätzen – z.B. in Syrien bei 40 Grad – ausdauernder ist als ein schwerer Rottweiler mit dichtem Fell.
Das Militärhundezentrum Kaisersteinbruch liegt in Österreichs östlichstem Bundesland, dem Burgenland. Rund 180 Militärdiensthunde gibt es österreichweit, 65 davon befinden sich in Kaisersteinbruch in Ausbildung oder sind Zuchthunde. Rund 2/3 der Hunde sind Rottweiler, 1/3 Deutsche und Belgische Schäferhunde und einige sind Labradore. Im Alter von einem Jahr werden die Hunde einer umfangreichen Prüfung unterzogen und dann einem Hundeführer (es gibt auch Hundeführerinnen beim Militär) zugewiesen. Nur in sehr seltenen Fällen werden Hunde nach dieser Prüfung ausgemustert. Wenn doch, dann kommen diese Hunde zu privaten Familien. In der Regel deshalb, weil sie vom Wesen her »zu gemütlich« oder zu träge für den Dienst sind.
Fertig ausgebildete und geprüfte Hunde, die dann mit einem Hundeführer ein Team bilden, kommen in der Regel auf einen sog. Außenposten. Dort werden sie meist zur Bewachung von sensiblen militärischen Arealen eingesetzt, wie z.B. Funkstationen, Fliegerhorste (Abfangjäger) etc. Für die Wach- und Schutzaufgaben kommen die Rottweiler aus der eigenen Zucht zum Einsatz. Es ist jedoch nicht erwünscht, dass die Hunde zubeißen. Vielmehr sollen sie verdächtige oder flüchtige Personen nur stellen und verbellen. Bei Übergriffen dürfen die Hunde natürlich auch beißen, aber das ist eher die Ausnahme und die Hunde können Situationen auch sehr gut unterscheiden.
Polizeidiensthunde
Die meisten Einsätze von Polizeidiensthunden finden in Form einer »präventiven Sichtbarkeit« von Hunden statt (z.B. Überwachung sicherheitspolizeilicher Hotspots, Botschaften etc.), gefolgt von der Suche nach Menschen, Gegenständen, Suchtmitteln und Sprengstoffen, sowie dem Einsatz im Ordnungsdienst (Fußball, Demos etc.). Zusätzlich erfolgen bei Bedarf Einsätze im Ausland z.B. im Rahmen der EU Grenzschutzagentur FRONTEX. Eine Ausbildung zu Schutz- und Stöberhunden ist hierzulande für jeden Polizeidiensthund obligatorisch. Diese Ausbildung ist die Basis für eine etwaige spätere Spezialausbildung, z.B. zu Fährten- und Spezialfährtenhunden, Leichen- und Blutspurenspürhunden, Suchtmittelspürhunden, Waffen-, Munitions- und Sprengstoffspürhunden, Brandmittelspürhunden, Bargeld- und Dokumentenspürhunden, sowie Lawinenverschüttetensuchhunden. Allein an dieser Auflistung von Tätigkeitsbereichen erkennt man schon die große Bedeutung von Diensthunden.
Aufgezählt waren hier zunächst nur die Diensthunde der Polizei und des Militärs. Aber auch Rettungshunde sind gewissermaßen Spezialhunde, die im Dienst des Menschen stehen und eine umfangreiche Ausbildung absolvieren. Der Einsatz von Rettungshunden erfährt bei der Bevölkerung eine ungleich höhere Akzeptanz. Vielleicht weil man sich eher in die Lage hineinversetzen kann, selber einmal einen solchen Hund in Anspruch nehmen zu müssen?
Als Rettungssuchhund wird ein speziell ausgebildeter Hund – unabhängig von der Rasse – bezeichnet, der eine Rettungshundeprüfung erfolgreich absolviert hat. Er arbeitet immer mit seinem Hundeführer im Team zusammen. Die Aufgaben dieser Hunde sind vielfältig und gehen von Lawinensuche, Trümmersuche, Flächensuche, über Mantrailing, Leichensuche, bis hin zur Wasserrettung und Wasserortung. Rettungshunde müssen relativ selbstständig arbeiten. Der Hund darf bei der Rettungsarbeit nicht ausschließlich auf seinen Hundeführer fokussiert sein. Die Suche in der Fläche oder das Trailen innerhalb von Orten würde sich sehr langwierig gestalten, wenn sich der Hund nicht vom Halter lösen könnte oder immer wieder zum Hundeführer zurück käme, um »nachzufragen«, wie und wo es denn nun weiter gehe. Der Hund soll ja einen für ihn völlig fremden Menschen suchen, finden und helfen.
Ein Rettungshund muss daher gut sozialisiert und verträglich sein, sowohl innerartlich als auch gegenüber Menschen. Trifft man während der Arbeit auf andere Hunde, darf der Rettungshund seine Arbeit nicht unterbrechen. Dennoch werden Hund und Halter von Anfang an gemeinsam ausgebildet und geprüft, sind also ein festes Team. Rettungshunde retten Menschenleben. Die Frage, ob man solche Hunde braucht, sollte sich erübrigen.
Assistenzhunde sind eine weitere Gruppe von Hunden im Dienst des Menschen. Sie können zum Beispiel Gegenstände aufheben, eine Waschmaschine ausräumen, Schuhe und Strümpfe des Halters ausziehen oder Reißverschlüsse öffnen – das sind nur einige der vielfältigen Aufgaben des Begleithundes für körperbehinderte Menschen. Des Weiteren gibt es sogenannte Signalhunde, die gehörlosen Menschen mit Hilfe von körperlichen Signalen anzeigen, ob jemand an der Tür ist oder der Wecker klingelt. Patienten mit Erkrankungen, wie z.B. Multipler Sklerose (MS), können ihren Alltag entspannter gestalten, da die Hunde schon vor Krankheitsschüben oder Anfällen warnen. Hundeberufe in diesem Bereich sind sehr vielfältig.
Der »Rolli-Hund«: Eine der wichtigsten Aufgaben des Begleithundes eines Rollstuhlfahrers ist das zuverlässige Aufheben und Abgeben von Gegenständen. Je nach Grad der Behinderung kann ein Rollstuhlfahrer den Boden schwer oder gar nicht erreichen. Ein Assistenzhund sollte nervenstark, ausgeglichen und apportierfreudig sein. Zieht der Hund an der Leine, kann es für den Rollstuhlfahrer zu schlimmen Unfällen kommen, eine gute Leinenführigkeit sollte also von Anfang an eingeübt werden.
Signalhunde: Dafür sind eher kleinere Rassen zu bevorzugen. Der Hund soll seinen Halter körperlich aktiv, also durch Anstupsen oder Anspringen, auf Geräusche und/oder Menschen aufmerksam machen. Neben dem »Rolli-Hund« und dem Signalhund gibt es noch einige weitere Assistenzhunde. Sie unterscheiden sich im Wesentlichen von Rettungshunden oder Diensthunden dadurch, dass sie nicht für die Allgemeinheit arbeiten, sondern für einen konkreten Menschen, den sie ein Leben lang begleiten und unterstützen.
Warnhunde werden hierzulande erst seit gut zehn Jahren eingesetzt, dementsprechend unbekannt ist diese Form der Spezialhunde auch noch. Um einen Hund zum Warnhund ausbilden zu können, sollte er schon im Welpenalter bestimmte Verhaltensweisen zeigen, z.B. Reaktionen auf verändertes Verhalten oder eine ungewöhnliche Körperhaltung des Menschen. Der Warnhund muss den Diabetes-Patienten im Idealfall schon VOR der einsetzenden Unter- oder Überzuckerung warnen und nicht erst aufgrund eines Kommandos agieren, wie z.B. Drogenspürhunde, die in einer klassischen Ausbildung auf einen bestimmten Geruch konditioniert werden. Das Gleiche gilt auch für Epilepsie-Warnhunde. Diese »Alarmanlagen auf 4 Pfoten« müssen eine besonders enge und innige Beziehung zu ihrem Menschen aufbauen. So einen Hund zu finden ist eine Kunst. Bevorzugt werden mittelgroße bis große Rassen, wie Labrador und Golden Retriever, die auch am häufigsten in diesem Bereich ausgebildet werden. Epilepsiewarnhunde müssen auch in der Lage sein, den Halter körperlich zu unterstützen, z.B. ihn vor einem Sturz bewahren. Weiter sollte der Hund Hilfe holen und/oder ein Notfalltelefon bedienen können. Für die betroffenen Personen sind diese Hunde eine lebenswichtige Stütze.
Herdenschutzhunde
Nun zu einem ganz anderen Hundeschlag. Herdenschutzhunde sind selbstbestimmte und eigenständige Hunde. Sie arbeiten durchwegs autark, in der Regel völlig selbstbestimmt. Kangal und Co. treffen eigene Entscheidungen, sie dürfen NICHT auf Anweisung des Hirten oder Schäfers warten. Der Schutztrieb ist IMMER da, Herdenschutzhunde sind, auch wenn es oft nicht so aussieht, ständig in »hab Acht«-Stellung. Mit Beginn der Abenddämmerung beginnen die Hunde häufiger Patrouille zu laufen, das heißt, die Grenzen der Weide entlang des Zaunes zu kontrollieren. Es ist fantastisch zu beobachten, wie sich die Hunde dabei durch Blickkontakte »absprechen«. Im Übrigen haben Herdenhunde nichts mit Hütehunden zu tun (dies nur als Anmerkung, weil diese Hunde oft verwechselt werden).
Seit einiger Zeit ist das Thema Wolfsrisse bei Schafherden präsent. Der Wolf kehrt zurück in unsere Wälder und »vergreift« sich gelegentlich an Herdentieren. Während in den östlichen Bundesländern Deutschlands Herdenschutzhunde seit über 10 Jahren und in der Schweiz bereits seit 1999 erfolgreich eingesetzt werden, diskutiert man dieses Thema in den anderen Bundesländern Deutschlands und in Österreich sehr kontrovers. Jäger und Landwirte würden die Wölfe am liebsten alle abschießen, die Politik spricht vom Einzäunen von Weiden. Letzteres ist oft aufgrund der örtlichen Gegebenheiten aber nicht so einfach oder gar nicht möglich. Der Einsatz von Herdenschutzhunden funktioniert in einigen Regionen schon sehr gut, aber für den Einsatz braucht es auch hundliches Know-how.
Für Wanderer gilt: Da Herdenschutzhunde durch Bellen frühzeitig genug warnen, kann man einem Konflikt mit diesen Wächtern ganz einfach aus dem Weg gehen. WUFF-Autorin Liane Rauch hat für Sie ein paar einfache Regeln zusammengestellt:
• Gehen Sie nicht zu nah an die Herden heran.
• Versuchen Sie NIEMALS mit den Herdenschutzhunden Kontakt aufzunehmen.
• Radfahrer bitte absteigen und das Rad langsam an der Herde vorbei schieben.
• Nehmen Sie Ihren Hund an die Leine und halten Sie ihn ruhig.
• Gehen Sie NIEMALS durch eine von Herdenschutzhunden geschützte Herde.
• Provozieren Sie die Hunde nicht durch schnelle Bewegungen, Stöcke oder Schreien.
Es gäbe noch zahlreiche Spezialgebiete für Spezialhunde aufzuzählen. Auch Jagdhunde sind Hunde, die im Dienst des Menschen stehen. Oder beispielsweise Besuchs- und Schulhunde, die Kindern frühzeitig den richtigen Umgang mit Hunden näherbringen sollen. Und nicht zu vergessen sind die Therapiehunde.
Hunde stehen schon immer im Dienst des Menschen und viele Rassen sind überhaupt erst aus dem Bedarf einer bestimmten Aufgabe entstanden. Auf jeden Fall geht es einem im Dienst stehenden und geforderten Hund in der Regel besser als einem unterforderten Familienhund, der entweder 9-10 Stunden am Tag allein zu Hause verbringt oder von seiner Familie als Beschäftigung bzw. Spielzeug für die Kinder herhalten muss.
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