Brauchen wir noch Hunde?

Von Dr. Frank Woerner

In der letzten Ausgabe von WUFF wurde eine Studie präsentiert, die den Gründen nachging, warum Menschen Hunde halten. 30% betrachten ihren Hund als Kumpel, während er für rund 20% ein Prestigeobjekt darstellt.

Der Hund als Last?
Weitere 20% der Hundehalter sind mit dem Hund „unzufrieden": Der Hund wird als lästig empfunden, wird nicht geliebt, eine Hundehaltung ist aber oftmals nötig, um bestimmte Aufgaben, wie beispielsweise Bewachung oder Jagd zu erfüllen. Hunden solcher Halter geht es – vordergründig betrachtet – meist nicht schlecht. Futter, Unterbringung und Versorgung durch den Tierarzt sind in vielen Fällen zwar gegeben. Das Wichtigste für den Hund, die sozialen Kontakte und Geborgenheit, fehlt. So verstoßen diese Besitzer, oftmals unwissentlich und keineswegs vorsätzlich, gegen den Sinn (!) des Tierschutzgesetzes, indem sie dem Hund durch Verweigerung des Auslebens seiner sozialen Bedürfnisse „Leiden" (was etwas völlig anderes ist als „Schmerzen") zufügen. Bei diesen Haltern könnte durch entsprechende Aufklärungsarbeit noch vieles für unsere Hunde verbessert werden.

Wer hat hier das Problem?
Die letzten rund 25% der Hundehalter sind die „Besorgten": Diese Gruppe liebt zwar ihren Hund, ist aber über dessen Verhalten ständig besorgt und hat deswegen keine rechte Freude an ihm: Fast alle Klienten von Hundetherapeuten fallen in diese Kategorie. Der Hund hat „Verhaltensprobleme", wie seine verunsicherten Besitzer meinen. Im Grunde kann aber ein gesunder Hund keine Verhaltensprobleme haben, sondern lediglich seine menschliche Umwelt hat Probleme mit dem Verhalten des Hundes – der in den meisten Fällen nur hundegerecht auf eine gestörte Umwelt reagiert. Hierzu gehören vor allem Hunde, die übermäßig vermenschlicht werden und denen oft auch zu viele Privilegien eingeräumt werden, die einem im Hause lebenden Hunde normalerweise nicht zustehen sollten!

Sozialpartner des Menschen
Bleibt zu hoffen, dass in nicht allzuferner Zukunft diese Statistik umgeschrieben werden muss und man den Hunden in unserer Gesellschaft den gerechten Platz einräumt, der ihnen aufgrund ihrer Eigenarten zusteht! Nicht der verhätschelte Sofarutscher, der sein „Menschenrudel" tyrannisiert, und auch nicht der Beißwütige mit Stachelhalsband an kurzer Kette, sondern der Hund, der bei aller denkbaren Einsatzmöglichkeit, im Privat- wie auch Dienstbereich, freudig auf den Menschen zugeht und ihn als Sozialpartner ansieht!
Hunde im Dienst des Menschen sind auch in unserer HighTech-Zivilisation unentbehrlich und, was kaum jemand noch vor ganz wenigen Jahrzehnten ahnte, sie nehmen in ihrer Bedeutung in immer stärkeren Maße zu: Klassische Einsatzgebiete des Diensthundes im weitesten Sinne waren und sind vor allem der Einsatz bei Polizei und Zoll als Diensthunde führenden Behörden, bei den Rettungshundestaffeln (Trümmersuche nach Erdbeben, Explosionen u.ä., Flächensuchhunde und Lawinenhunde), bei klassischen Bewachungsaufgaben (Objekt- und Personenschutz) und als Begleithund für Blinde und Behinderte.

Die Nase macht´s
Beim Einsatz bei Zoll und Polizei, aber auch bei den traditionellen Aufgaben als Rettungshund und Helfer bei der Jagd, sind die schier unglaublichen Leistungen der Hundenase der Schlüssel zum Erfolg des Hundes und überhaupt der Grund für die Einsatzmöglichkeit. Wir alle wissen vom Einsatz des Jagdhundes beim Aufspüren des Wildes, vom Hund, der die Spur des Verbrechers aufnimmt und von den Zollhunden und Spürhunden auf Flughäfen, die illegale Drogen oder Waffen und Explosivstoffe zuverlässig anzeigen.

Neufundländer retten Ertrinkende
Ein starker Hund, der Bernhardiner, wird – oft kitschig mit einem Schnapsfässchen an der Halsung versehen – als der Prototyp des Lawinensuchhundes und als Retter auf vier Pfoten dargestellt. Abgesehen davon, dass diese Hunde schon aufgrund ihres Gewichtes nicht zur Rettung von Lawinenopfern gebraucht werden können, gibt es eine noch weitestgehend unbekannte Einsatzmöglichkeit für einen speziellen großwüchsigen Rettungshund: Besonders in Frankreich, aber neuerdings auch in Deutschland, werden schwergewichtige Neufundländer, die vordem in ihrer Heimat als Helfer des Fischers verwendet wurden, bei der Rettung Ertrinkender eingesetzt, die sich an diese stabilen und Vertrauen einflößenden ruhigen Hunde anklammern und so gerettet werden können. Nach einer speziellen Ausbildung ziehen diese kräftigen Tiere auch ein mit mehreren Personen besetztes Boot. Ihre Kälteunempfindlichkeit und zähe Einsatzbereitschaft lässt sie auch im Winter ihren Dienst tun.
Der Wassersuchhund ist darauf spezialisiert, Ertrunkene und Ermordete, vom Rand eines Bootes aus, aufzuspüren. Aber auch für viele andere Einsätze lässt sich die Nase des trainierten Hundes gebrauchen: Wenig erstaunlich, dass Hunde inzwischen die bei dieser Sammelaktivität nach den teuren Trüffeln traditionell eingesetzten Schweine allmählich in Frankreichs Wäldern verdrängen. Hunde sind einfach effektiver einzusetzen, und – sie versuchen nicht, die von ihnen entdeckte Delikatesse zu naschen.

Hunde erkennen Krankheiten
Aber auch im medizinischen Bereich wird der Hund bei der Früherkennung bereits eingesetzt (s. WUFF 6/2001). Hunde, die stark mit ihrer Bezugsperson sozialisiert sind und ein bestimmtes Training absolviert haben, sind in der Lage, durch ihr Verhalten (Winseln, Bellen, Alarmieren von bestimmten Personen), beispielsweise Epilepsieanfälle oder drohende Herzinfarkte anzuzeigen, oder auch die gefährliche Unterzuckerung beim Zuckerkranken.
In Schweden gibt es speziell hierfür ausgebildete Hunde, die an den Telegraphenmasten schnüffeln und ihrem Führer anzeigen, ob diese Masten unterirdisch von Bakterien und Schimmelpilzen befallen und verfault sind und deshalb umzustürzen drohen. Ohne diese Hunde müssten kostenintensive Probegrabungen durchgeführt werden. Die gleiche Hundenase kann bei der Aufspürung von gesundheitsgefährdenden Schimmelpilzen bei den in Schweden weit verbreiteten Holzhäusern zum Einsatz kommen.

ID-Hunde
Die Polizei setzt die feine Hundenase der „Identifikationshunde" bei kriminaltechnischen Untersuchungen ein. Diese Hunde können Besitzer von Gegenständen oder Personen, die diese Gegenstände berührt haben, zuverlässig identifizieren. Der Einsatz dieser mit einer hochspezialisierten Ausbildung versehenen Hunde hat gegenüber beispielsweise den ebenfalls modernen DNA-Analysemethoden den großen Vorteil, dass keinerlei stoffliche Fragmente (von beispielsweise Blut, Speichel, Sperma, Hautschuppen u.ä.) hierfür notwendig sind, sondern allein die geruchliche Komponente zur sicheren Identifizierung des betreffenden Stoffes ausreichend ist.
In einigen fortschrittlichen britischen Krankenhäusern gibt es schon den klinikeigenen „Therapiehund", der selbständig die Kranken in ihren Zimmern aufsucht. Hierbei handelt es sich fast ausschließlich um Königspudel – sie sind für eine Kontaktaufnahme mit einsamen Bettlägerigen in den hohen Krankenbetten entsprechend groß und – für die Hygiene überaus wichtig – haaren kaum!

Hund ist gesund
Schon seit langem ist es bekannt, dass Hundebesitzer durchschnittlich gesünder sind als Leute ohne Hund – neuerdings kommt es immer mehr in Mode, neben dem allabendlichen Rundgang „um den Block" mit seinem Hund und dem altbackenen sonntäglichen „Schutzdienst" auch andere Sportarten auszuüben: Jeder Hund liebt es, neben seinem joggenden Herrchen oder Frauchen zu laufen, auch am Fahrrad ist der Hund unser idealer Begleiter. Auf die entsprechende Eignung, die Konstitution und das Alter unseres Vierbeiners braucht hier nicht eingegangen zu werden! Es gibt aber auch bereits einige weitere Sportarten für das alte Gespann Mensch-Hund, die beide zusammen ausführen können und die beiden sehr viel Spaß bereiten können. Am bekanntesten hiervon sind mittlerweile Agility und Flyball geworden. Diese Spiele haben schon feste Regeln, und hier werden für Hundebesitzer mit sportlichem Ehrgeiz richtige Turniere ausgetragen.

Vergessene Aufgaben
Noch bevor der vorzeitliche Hund seinen Herrn bei der Jagd begleitete, wurde er als Zugtier eingesetzt, sei es bei den Indianern der nordamerikanischen Prärien, bevor diese das Pferd bekamen, sei es als Schlittenhund der Ureinwohner arktischer Gebiete oder der Erforscher der Arktis und Antarktis. Leider verschwinden diese tollen Hunde immer mehr und werden von stinkenden und umweltverpestenden „Schneemobilen" abgelöst. Fast in Vergessenheit geraten sind die Milchwagen ziehenden Hunde Alt-Berlins und anderer Großstädte ebenfalls wie die „Rückehunde" im Bayerischen Wald, deren letzte Vertreter – zumeist ausgesprochen kräftige Schäferhundrüden-Mischlinge – vor bald vierzig Jahren in den Ruhestand gingen. Aber gerade diese Hunde erleben auch eine Renaissance! In Brandenburg und einigen anderen Regionen machen experimentierfreudige Forstverwaltungen Experimente mit diesen „Rückehunden". Diese Hunde sollen zwar nicht, wie ihre vierbeinigen Kollegen, die Rückepferde, Baumstämme ziehen. Sie sind aber durchaus in der Lage, Ast- und Kronenmaterial zu ziehen. Mit Packtaschen sind sie bei der forstlichen Kulturarbeit und bei Neuanpflanzungen behilflich, indem sie das Pflanzgut und Arbeitsgerät zu dem jeweiligen Arbeitsort transportieren.

Hund auch in Zukunft
Unbestritten wird der technische Fortschritt unaufhaltsam weiter gehen. Aber was keiner noch vor ganz wenigen Jahrzehnten für möglich gehalten hätte – der Hund wird auch in der Zukunft seine heutige Bedeutung behalten und weiter ausbauen. Denn nur der Hund kann den Hund ersetzen!

 

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