Die Kolumne zum Thema „Alltagsprobleme mit dem Hund“. WUFF-Autorin Yvonne Adler, Tierpsychologin, akademisch geprüfte Kynologin und Hundetrainerin, beantwortet Ihre Fragen. Schicken Sie uns Ihr Alltagsproblem mit Ihrem Hund , kurz formuliert und mit 1 bis 2 Bildern.
In dieser Ausgabe geht es um das Thema hundlicher Blickkontakt vs. Anstarren.
Liebe Frau Adler!
Unsere kleine Holly ist eine Cavalier King Charles-Dame, 1 ½ Jahre alt, und lebt bei uns seit ihrem Welpenalter.Sie ist ein richtiges Goldstück. Unsere einzige Herausforderung ist, dass wir draußen und auch in gewohnter Umgebung meistens wie „Luft“ für unsere Holly sind. Sie schaut uns nie an, würdigt uns keines Blickes, ist jedoch immer um uns herum und überall mit dabei. Sie achtet also zwar schon auf uns, aber wir kriegen nie ihre volle Aufmerksamkeit bzw. schaut sie uns nie an. Vielleicht haben Sie einen Tipp für uns? Vielen Dank im Voraus für Ihre Antwort!
Liebe Grüße, Familie Schmitz
Liebe Familie Schmitz!
Um Hollys Verhalten zu verstehen, ist es notwendig, die Situation zunächst aus Hundesicht zu betrachten. Für uns Menschen ist es ganz normal, uns in die Augen zu sehen. Dies wollen wir oftmals auch von unseren Hunden. Jedoch sollten wir uns vorher bewusst machen, dass „in die Augen schauen“, wie es Menschen tun, ein unnatürliches Verhalten für einen Hund ist. Hunde zeigen dieses starrende Verhalten beim „Drohfixieren“ (gehemmtes Angriffsverhalten), im Jagdverhalten (Beute anstarren, etc.) und beim Spielverhalten (wenn Teile der Jagd- und/oder Angriffssequenzen mit Hundefreunden spielerisch geübt werden). Sobald Hunde in die soziale Interaktion und Annäherung gehen, wenden sie eher den Blick ab und beobachten viel über den Augenwinkel. Sie nähern sich am liebsten seitlich an und sind dabei sehr fein in ihren Ausdrucksformen.
Holly scheint genau dieses Verhalten zu zeigen: sie schenkt Ihnen zwar Aufmerksamkeit, jedoch scheut sie aus Höflichkeit den direkten Blickkontakt. Sie muss also erst lernen, dass es absolut erwünscht ist, ihre Menschen frontal anzusehen, also aus Hundesicht „unhöflich“ zu sein. Dies kann jedoch meist schnell erlernt werden.
Für Holly muss es in Zukunft immer etwas Gutes bedeuten, ihren Menschen anzusehen. Es muss sich für sie sehr „auszahlen“. Bitte beachten Sie hier, dass es bei kleinen Hunden genügen sollte, wenn Holly zu Ihnen hinsieht. Direkt in die Augen zu sehen würde für einen kleinen Hund eine Halsverrenkung bedeuten, die wir auf keinen Fall wollen.
Die Übung hierzu ist relativ simpel, jedoch sollten Sie sich vorab zwei Dinge überlegen: erstens müssen Sie sich im Klaren sein, auf welche Stelle Ihres Körpers Holly blicken soll, damit Sie zeitnah und richtig belohnen können. Außerdem benötigen Sie ein Kommando für den gewünschten Blickkontakt. Dieses kann zum Beispiel „Schau“ oder ein Geräusch wie Pfeifen, Schnalzen etc. sein. Wichtig ist, dass das Kommando noch nicht für eine andere Übung bzw. im Spiel mit Ihrem Hund verwendet worden ist.
Wenn Ihnen dies klar ist, zeigen Sie Holly ein gutes Leckerchen. Dann führen Sie das Futterstück mit der Hand vor Ihren Körper. Somit lenken Sie den Blick von Holly auf sich. Sobald Ihr Hund auf die gewünschte Körperstelle schaut, folgt das Kommando und Sie bestätigen mit dem Leckerchen. Üben Sie diese Abfolge eine Zeit lang. Wenn Sie merken, dass Holly dies verstanden hat, können Sie zum nächsten Schritt übergehen: Hierzu geben Sie einfach das Kommando (ohne den Blick mit der Hand zu führen), und sobald Holly den Blick zu Ihnen wendet, folgen Lob und Leckerchen.
Wenn auch dies gut klappt, können Sie den Schwierigkeitsgrad erhöhen. Sie können entweder den Ablenkungsgrad verändern (z.B. beim Spazierengehen) oder die Leckerchengabe adaptieren (variable Belohnung/ Bestärkung) oder die Dauer anpassen, wie lange Holly Sie ansehen soll.
Diese Übung kann somit so weit variiert werden, bis Holly in jeder Situation auf Kommando sofort aufmerksam zu Ihnen schaut. So haben Sie auch die Möglichkeit, den Blick Ihres Hundes von anderen spannenden Dingen zu lösen und auf sich zu ziehen. Beachten Sie aber unbedingt, dass Holly Ihnen die gewünschte Aufmerksamkeit nur dann gerne zeigen wird, sofern es sich (aus Hundesicht) für sie lohnt. Lob und Leckerchen (wenn auch nur hin und wieder) sind dafür essentiell.
Ich wünsche Ihrer Familie und Holly, dass Ihr gemeinsames Training großen Erfolg und viel Aufmerksamkeit bringt!
Ihre Yvonne Adler