Methoden zur Ausbildung von Hunden haben sich über viele Jahrhunderte entwickelt. Wir wissen, daß Hunde früher zumeist aus jagdlichen Gründen gehalten wurden, zur Zeit der Assyrer und der alten Griechen und Römer auch für Kriegszwecke. Daraus entwickelten sich einige simple Wahrheiten: Wenn diese Hunde bestimmte Aufgaben durchzuführen hatten, dann mußten sie auch entsprechend dafür ausgebildet und trainiert werden. Dennoch wissen wir praktisch nichts über die Ausbildungsmethoden zu jenen Zeiten, wenngleich man unter Berücksichtigung der sehr martialischen kriegerischen Einstellungen dieser Zeit annehmen kann, daß es sicherlich negative Methoden waren. Das dürfte sich in den folgenden Jahrhunderten auch nicht geändert haben.
Grausame Methoden im alten Preussen
Die Handbücher über Hundeausbildung im Preussen des 18. Jahrhunderts zeigen noch immer relativ grausame Methoden. Dabei waren die Preussen damit sehr erfolgreich und die Deutschen waren auf diesem Gebiet zu Beginn des 20. Jahrhunderts sicherlich führend in Europa. So waren auch deutsche Emigranten zu dieser Zeit die Pioniere der Hundeausbildung in Amerika und ich glaube, daß dies kein Zufall war. Im ersten Weltkrieg konnten die alliierten Soldaten die außergewöhnlichen Leistungen der deutschen Hunde bewundern. Mit ihrer Rückkehr in die USA brachten sie auch den Ruf der deutschen Hunde nach Amerika, einige importierten sogar Deutsche Schäferhunde in die USA.
Groteske Übertreibung
In den oft unglaublichen Geschichten der Soldaten beschrieben sie und übertrieben oft grotesk die Leistungen dieser Hunde. Der dadurch entstandene Ruf verbreitete sich über das ganze Land und führte zu einer großen Popularität. Gleichzeitig entwickelte sich ein Mythos, daß Deutsche Schäferhunde die einzige Rasse sei, die für Unterordnung und Gebrauchsarbeit geeignet sei. Wir wissen heute natürlich, daß dies nicht der Fall ist, aber in den 20er und 30er Jahren dieses Jahrhunderts wurde die meiste Arbeit in der Hundeausbildung mit Deutschen Schäfern gemacht. In den folgenden Jahrzehnten nahm jedoch die Anzahl der Rassen auf den Ausbildungsplätzen stark zu und man kann heute sagen, daß praktisch jede Hunderasse für die Ausbildung in Unterordnung geeignet ist. Die meisten Hundeausbilder stimmen dem zu – oder sollte ich sagen „Hundelehrer“, denn ein guter Trainer sollte den Hund ja eher lehren als „ausbilden“. Dennoch gibt es unter den „Hundeerziehern“ riesige Meinungsunterschiede, wenn es um die Methoden bei der Erziehung von Hunden geht.
Heisse Emotionen
Unterschiedliche Ansichten gibt es in fast allen Berufen dieser Welt. Der Grund dafür sind verschiedene Strategien und Ansichten in der Lösung von Problemen. Es gibt aber wenige Bereiche, wo unterschiedliche Meinungen in derart emotionellen Höhen präsentiert werden, wie in der Hundeerziehung. Die Emotionen sind etwa so hoch wie bei politischen Debatten. Scherzhaft könnte man sagen, daß es nur eine Sache gibt, in der sich zwei Hundeausbilder einig sind, nämlich daß ein dritter Unrecht hat.
Die Hauptthemen dieser gegensätzlichen Standpunkte sind zwei grundsätzlich unterschiedliche Methoden der Hundeausbildung, wobei jede durch die Art des verwendeten Hundehalsbandes symbolisiert werden kann. Die überwiegende Mehrheit der Hundetrainer in den USA lehnt sogenannte Würgehalsbänder ab und bezeichnet sie als inhuman und/oder altmodisch – ausgenommen bei einigen wenigen großen Rassen, die als Schutzhunde verwendet werden. Dennoch gibt es derzeit in den USA eine heftige Streitdiskussion über die Wahl zwischen einem Kettenhalsband (ein Trainingshalsband, das manchmal inkorrekt „choking collar“ genannt wird) und einem weichen Nylon-, Stoff- oder Lederhalsband. Eine kleine Gruppe von Hundetrainern verwendet überhaupt keine Halsbänder und Leinen.
In 98% erfolgreich ohne Strafe
Die größte Organisation in den USA, die für die Anwendung positiv motivierender Trainingsmethoden eintritt, ist die 1.600 Hundeausbilder umfassende Association of Pet Dog Trainers (APDT). Dr. Ian Dunbar, ein englischer Tierarzt und anerkannter Hundeverhaltensexperte, ist ein intellektueller Guru dieser Organisation. Unter seiner Leitung entwickelt die APDT systematische Ausbildungsprogramme für Hundetrainer zur Verbesserung ihrer Methoden. Ich nahm an den letzten beiden APDT-Ausbildungskonferenzen in King of Prussia (Pennsylvania) im Oktober 1998 und in Chicago im Mai 1999 teil. In meinen Diskussionen mit Dr. Dunbar erfuhr ich, daß er Bestrafung in der Hundeausbildung zwar akzeptiert, aber nur als allerletztes Mittel. Zugleich tritt Dr. Dunbar sehr stark für ein Training ein, das ausschließlich auf positiven Methoden beruht, wobei er zumeist Futter als Stimulus verwendet. Nach seiner Meinung führt die Anwendung eines positiven Trainings mit Futter bei der Arbeit mit Hunden zu einer 98%igen Erfolgsrate.
Absolute Gegner
Innerhalb der APDT gibt es auch einige Trainer, die beim Thema der positiven Motivation in der Hundeausbildung in einen gewissen Fanatismus kommen. Sie meinen, daß Hunde NIEMALS bestraft werden dürfen und die Verwendung eines Kettenhalsbandes auch nur im Training ist für sie nahezu kriminell. Für diese fanatischen Hundetrainer gibt es nur ein „Sein oder Nichtsein“. Folgende Argumente werden von ihnen ins Treffen geführt:
– Würgehalsbänder können zu Verletzungen der Halswirbelsäule und der oberen Atmungsorgane führen, in ernsten Fällen zum Tod des Hundes.
– Die Verwendung von Würgehalsbändern zerstöre die Harmonie der Beziehung des Hundes zu seinem Halter.
Falsche Anwendung
Viele Hundeerzieher in den USA unterstützen diese Argumente nicht und verwenden in der Hundeausbildung (im Training!!) weiterhin Würgehalsbänder. Eine anerkannte Autorität unter diesen Ausbildern ist Matthew Margolis, der seit vielen Jahren Hunde erzieht und durch seine Bücher und Fernsehprogramme bekannt wurde. Seine Gegenargumente lauten folgendermaßen:
– Verletzungen der Halsregion beruhen auf einer falschen Verwendung der Würgehalsbänder. Diese sollen einen Hund nicht würgen, sondern vielmehr lediglich in Form eines kurzen, dynamischen Zuges angewendet werden, der lediglich den Bruchteil einer Sekunde andauern darf und sofort wieder gelockert werden muß. Leider würde dieses Halsband aber von 99% der Leute falsch angewendet.
Sanftere Erziehungsmethoden
Margolis meint, wir sollen die Bemühungen intensivieren, Hundeerziehung immer „humaner“ zu machen, aber unsere Anstrengungen sollen sich mehr darauf richten, das (im Training verwendete) Würge- bzw. Kettenhalsband korrekt anzuwenden, anstatt es komplett zu verbannen. Ein Würgehalsband in Kombination mit einem zweiten Halsband aus Leder verursache bei RICHTIGER Anwendung beider Halsbänder beim Training keine Schmerzen, sondern verstärke die dominante Position des Hundehalters und zur gleichen Zeit die submissive des Hundes. Die Beziehung zwischen Hund und Besitzer werde nicht zerstört, sondern – im Gegenteil – innerhalb gesunder Regeln und Grenzen entwickelt.
Nun muß man aber auch objektiverweise sehen, daß leider viele Hundetrainer, die Würgehalsbänder im Training verwenden, den positiven Motivationsmethoden völlig ignorant gegenüberstehen, ohne sich mit ihnen ernsthaft zu befassen, geschweige denn auch nur zu versuchen, sie zu verstehen.
Besser gar nicht als falsch
Dann gibt es auch noch amerikanische Hundeexperten, die mit keiner der beiden erwähnten grundsätzlichen Standpunkte sympathisieren. Dazu gehört Captain Haggerty, ein Kolumnist der „AKC Gazette“ (Zeitschrift des American Kennel Club), der sozusagen in der Mitte steht.
– Trotz seines Namens sollte ein Würgehalsband nicht würgen. Bevor man es falsch anwendet, sollte man es lieber überhaupt nicht verwenden. Der Zweck eines Würgehalsbandes ist es, den Hund rasch korrigieren zu können. Wenn man aber von der Methode der „negativen Verstärkung“, also quasi Bestrafung, nichts hält, dann sollte man das Würgehalsband nicht verwenden.
– Cpt. Haggert: „Im Hundeausbildungskurs verwende ich mehr als nur ein Halsband. Wenn das Training Fortschritte macht, warum sollten sich dabei nicht auch meine Methoden und Hilfsmittel verändern und anpassen? Sie müssen meinen Rat, welches Halsband ich bevorzuge, nicht annehmen, aber ich möchte Sie ermutigen, Ihr Wissen und Ihre Einstellung über dieses Thema zu erweitern! Lernen Sie als Hundetrainer die Möglichkeiten und Grenzen ALLER Halsbänder, sodaß Sie das richtige Halsband zur richtigen Zeit beim richtigen Hund anwenden können.“
Individuelle Anpassung
Ich denke, Cpt. Haggertys Theorie trifft den Kern des Problems: Die Anpassung der Art des Hundehalsbandes an den jeweils individuellen Hund unter den jeweils individuellen Bedingungen. Und unabhängig von der Art des Halsbandes, sollte jeder Trainer bewußt stets DIE MILDESTE ALLER EFFEKTIVEN TRAININGSMETHODEN anwenden. Mir ist aufgefallen, daß häufig Hundetrainer kleinerer Rassen die neuen positiven Motivierungsmethoden bevorzugen, ohne Trainingshalsband und damit auch ohne Korrektur bzw. ohne negative Bestärkung. Andererseits verwendet die Mehrheit der Trainer der sogenannten Gebrauchshunderassen und anderer größerer Rassen die Würgehalsbänder, zumeist mit dem bereits o.a. Argument der Betonung der dominanten Position des Halters und der untergeordneten Stellung des Hundes.
Grosse Rassen dominanter
Wissenschaftliche Quellen (James Serpel, The Domestic Dog, 1995) beweisen die stärkeren Dominanztendenzen bei den meisten Gebrauchshunderassen. Vielleicht verwenden die Trainer dieser Rassen deshalb eher Würgehalsbänder, weil sie damit ganz einfach anderen Anforderungen entsprechen müssen, als Trainer kleiner Rassen, die eine geringere Neigung zu dominantem Verhalten aufweisen. Bei diesen besteht selten die Notwendigkeit, durch negative Bestärkung (Korrektur bzw. Bestrafung) den Hund zu erinnern, wer der Rudelführer ist. Mit diesem Standpunkt habe ich die ganze Sache natürlich sehr verallgemeinert, denn in der Praxis hat jeder individuelle Hund – sogar innerhalb derselben Rasse – seine eigene, unterschiedliche „Persönlichkeit“ und benötigt daher auch ein individuelles Eingehen.
Sein oder Nichtsein
Natürlich habe auch ich als Hundeerzieher meine bevorzugten Trainingsmethoden, die ich aber hier nicht erwähnt habe, um möglichst objektiv zu bleiben. Trotz des Mangels an ernsthaften und überlegten Argumenten bei vielen Hundetrainern, werden die kontroversiellen Debatten immer heisser und verschlingen schon fast das ganze kynologische Amerika. Das Problem – gesehen mit den Augen eines Hundes – kann am besten mit einer Abwandlung der Worte des Lord William Shakespeare beschrieben werden: „Bestraftsein oder Nichtbestraftsein – das ist die Frage!“