Beste Freunde – So klappt’s mit der Mensch-Hund-Beziehung

Von Mariella Bluemel

Als Hundehalter hat man es nicht leicht. Da hegt und pflegt man seinen Schützling, umsorgt ihn, verwöhnt ihn und will nur sein Bestes und dann das: man führt den direkten Nachfahren des Höllenhundes Cerberos Gassi, wird beim Abrufen seines Hundes eiskalt im Regen stehen gelassen, wischt zum x-ten Mal das Malheur des eigentlich stubenreinen Hundes vom ­Parkettboden oder bekommt in seiner flehentlichen Bitte um ein „Sitz“ des Hundes bestenfalls die kalte Schulter zu sehen. Gestatten – unser bester Freund, der Hund!

Zähneknirschend versucht man, „drüber“ zu stehen, sich in Zen-gleicher Hinnahme und Akzeptanz zu üben und „den Erwachsenen“ zu mimen. Doch im Hinterkopf schwirrt hartnäckig die Frage: Warum macht mein Hund das nur? Warum tut er mir das an, wo ich doch alles für ihn tue? Auf der Suche nach Rat und Hilfe für eine Veränderung dieses Zustands oder für die Ausbildung des eigenen Hundes zum „Hund von Welt“ befragt man meist entweder das Internet oder die Bücherei seines Vertrauens. Hier findet sich eine Vielzahl an Leitfäden und Anleitungen zum Thema ­Hundetraining. Detaillierte bebilderte Anleitungen zeigen Schritt für Schritt, wie es geht (oder gehen könnte), dass der eigene Hund lernt zu folgen und die wichtigsten Kommandos auszuführen.

Frisch gestärkt mit dem neuen Wissen versucht man sich dann zu Hause an der Umsetzung des soeben Gelesenen und ist nicht selten bitter enttäuscht. Denn: trotz sorgsamster Durchführung der einzelnen Schritte will die Übung beim eigenen Hund so gar nicht oder nur teilweise klappen. Oder sie hat geklappt, er würde es zwar theoretisch bereits können, doch sobald z.B. ein anderer Hund in der Nähe ist, scheint er plötzlich unter Amnesie zu leiden. Warum nur? Was macht man falsch?

Der kleine aber feine Unterschied
Hundetraining und Hundeerziehung sind zwei verschiedene Paar Schuhe: Das Eine meint mehr oder weniger eine Dressur, also ein Abspulen von Verhaltensmustern auf diverse Signale hin, das Andere beschreibt jenen 24 Stunden-Job, den man als Hundehalter eingeht (oder eingehen sollte), wenn man den eigenen Hund als entspannten Begleiter an seiner Seite wissen möchte. Hundeerziehung bedingt nicht unbedingt auch Hundetraining, ein Hundetraining aber ist ohne eine zuvor gut durchgeführte Hundeerziehung nie dauerhaft erfolgreich. Wer also nur einzelne Verhaltensweisen mit seinem Hund eintrainiert, ohne zuvor das „Große Ganze“ des gemeinsamen Miteinanders erarbeitet zu haben, kann sich nicht langfristig sicher sein, dass diese Verhaltensweisen auch zuverlässig befolgt werden. Und das in allen Lebenslagen.

Hundetraining führt also dazu, dass Ihr Hund Kommandos kennt und befolgen kann, Hundeerziehung dazu, dass er sie gerne mit Ihnen zusammen erlernt, mit Ihnen kooperiert, auch wenn er gerade gern ein anderes Ziel verfolgen würde, und damit zu einer lebenslangen Verlässlichkeit, zu Vertrauen und zu Harmonie. Und damit zur so wichtigen und wertvollen Beziehung zwischen Hund und Mensch. Bevor man sich also an das Einlernen von Kommandos macht, ist es wichtig, sich mit seinem Hund eine harmonische Beziehung zu erarbeiten und erst an den Regeln des entspannten Miteinanders und der Kompetenz Ihres Hundes zu feilen, Dinge gelassen zu sehen. Dann wird das Erlernen einzelner Signale, wie etwa eines „Komm“ zur schönsten Nebensache der Welt.

Die Lust am Frust
Hundeerziehung ist damit Alltagsbewältigung. Was erlaube ich meinem Hund und was nicht? Worauf muss er warten? Was muss er sich verdienen und wie? Das Wörtchen Frustrationstoleranz schwebt dabei über allen Antworten, denn sie ist der Schlüssel zum entspannten, harmonischen Miteinander. Hunde, die lernen, im Alltag geduldig zu warten, bis ihre Wünsche in Erfüllung gehen, lernen auch, entspannt und gelassen durchs Leben zu schreiten. Hunden, denen diese Erfahrung verwehrt bleibt (oft aus dem Bedürfnis heraus, dem Hund ein möglichst schönes Leben bieten zu wollen und ihn nicht in seinem Tun einzuschränken), haben es meist schwer im Leben, denn sie haben oft große Schwierigkeiten mit den Themen Selbstbeherrschung, Akzeptanz und Kooperation.

Doch genau diese drei Punkte entscheiden darüber, ob mein Hund aus der Hundegruppe kommt, wenn ich ihn rufe (oder nicht), ob er entspannt mit mir an bellenden Hunden vorbei gehen kann (oder nicht) oder im Hotelzimmer ein Schläfchen macht, wenn ich weg bin (anstatt das ganze Stockwerk in Aufruhr zu versetzen).

Das Arbeiten am „Aushalten können“ von unerfüllten Wünschen ist übrigens nicht nur wichtig für ein harmonisches Miteinander, es sorgt ganz nebenbei auch dafür, dass Ihr Hund gesund bleibt. Denn Dinge gelassen sehen zu können entspannt Körper und Geist, schafft Wesensfestigkeit und Souveränität. Und wer möchte nicht all das seinem Hund ins gemeinsame Leben mitgeben? ­Frustrationstoleranz erreicht man aber nur durch – wer hätte es gedacht – Frustrationstoleranz. Wenn Sie Ihren Hund also lieben, ihn gerne gesund, entspannt und glücklich sehen wollen und darüber hinaus auch noch jene Person auf der Hundewiese sein wollen, deren Hund auch wirklich kommt, wenn Sie ihn rufen, seien Sie ruhig hundsgemein. Verlangen Sie von Ihrem Hund im Alltag Höflichkeit und Entgegenkommen, indem Sie ihn auf Dinge warten lassen, ihn sich seine Wünsche verdienen lassen (wenn du … willst, musst zu zuvor … machen), ihn in seinen Freiheiten auch hin und wieder einschränken und ihm nicht alles durchgehen lassen.

Freundschaft braucht Gegen­seitigkeit
Hundeerziehung meint aber auch Beziehungsarbeit. Ohne dass ich mir mit meinem Hund eine gute Beziehung aufgebaut habe, werde ich nicht erreichen, dass er auch gerne zu mir kommt (außer vielleicht, wenn ich ihm dafür Futter in Aussicht stelle). Doch wer möchte schon, dass der Hund nur zum ­Leckerli kommt und nicht zu einem selbst? Ohne Beziehung also keine Erziehung und umgekehrt. Doch was entscheidet darüber, ob eine Beziehung erfolgreich ist oder nicht?

Was sind die wichtigsten Faktoren einer guten und langfristigen Freundschaft? Gegenseitigkeit und beiderseitiger Respekt. Gibt einer nur und der andere nimmt, handelt es sich nicht um Freundschaft, sondern um Verehrung bzw. Dienerschaft. Ständige Verehrung aber wird dem Verehrten über kurz oder lang zuwider. Oder wie viel Respekt würden Sie jemandem noch entgegenbringen, der stets bedingungslos alles für Sie tut, Ihnen jeden Wunsch von den Augen abliest, jahrein, jahraus? Und warum neigen wir dann dazu, dieses Verhalten unseren Hunden gegenüber an den Tag zu legen?

Mit dem Hund zusammenwachsen
Was uns mit unseren Hunden zusammenwachsen lässt, ist also im Prinzip das, was unsere Beziehung zu wirklich guten Freunden ausmacht, nur dass das Zusammenleben von Hund und Mensch überdies noch einen weiteren Faktor beinhaltet: es entspricht nämlich auch einer Eltern-Kind-Beziehung. Hunde unterliegen unserer Obhut, wir sorgen dafür, dass sie satt, ausgeschlafen und bei bester Gesundheit sind, und es ist unsere Aufgabe, sie so ins Leben einzuführen, dass sie es möglichst lange entspannt und gesund genießen können. Und damit sind wir wieder beim Thema Hundeerziehung. Wer seinen Hund also liebt, lässt ihm nicht alles durchgehen, sondern unterstützt ihn mit Lob und Tadel, Korrektur und Hilfestellung auf seinem Weg zum souveränen und vollwertigen Familienmitglied.

Die vier Säulen des erfolgreichen Miteinanders
Wie also kann eine gelungene Hunde­erziehung erreicht werden?

1. Durch Fachwissen. Fachwissen über Hunde im Allgemeinen, aber vor allem über den eigenen Hund (Wie ticken Hunde, wo liegen die Unterscheide/Gemeinsamkeiten zwischen Hund und Mensch, welche genetischen Voraussetzungen und Persönlichkeitsstrukturen bringt mein Hund mit, wie sieht er aus, wenn er…, was sind seine Stärken und Schwächen, wie reagiert er auf…?)
2. Durch Beziehung. Aufbauend auf diesem Wissen geht man daran, sich eine Beziehung zum Hund aufzubauen. Wie dieser Aufbau aussieht, ist von Team zu Team sehr unterschiedlich. Während der eine Hund etwas mehr Hilfestellung in Punkto Selbstbewusstsein braucht, um sich Menschen vertrauensvoll anschließen zu können, benötigt der andere Hund Einschränkungen und das Aufzeigen von Grenzen, um sich vertrauensvoll fallen lassen zu können. Ziehen Sie im Zweifelsfall hierfür einen fachlich qualifizierten Hundetrainer zu Rate. Der wohl wichtigste Punkt in der Beziehungsfindung zum Hund ist der Aufbau eines GEGENSEITIGEN Respekts. Nur wenn ein Hund seinen Menschen respektiert und wertschätzt, lässt er ihn nicht im Regen stehen, wenn dieser ihn z.B. ruft oder ihn bittet, etwas zu unterlassen. Das erreicht man aber nicht, wenn man dem Hund ständig für Verhaltensweisen Belohnungen in Aussicht stellen muss, damit er kooperiert.
3. Durch Erziehung. Dem Hund beizubringen, wo sein Platz in der Familie ist, was dabei von ihm alles erwartet wird und was dabei verboten ist, was man sich von ihm gefallen lässt und was nicht, ist Voraussetzung für eine gelungene Hundeerziehung. Ein Hund, der seine Aufgabe innerhalb der Familie nicht kennen lernen darf, wird immer unsicher sein, wo sein Platz in ihr ist. Solche Unsicherheiten äußern sich übrigens gerne in unerwünschten Verhaltensweisen. Außerdem ist es auch für Hunde schön zu wissen, dass sie vollwertige Familienmitglieder sind. Das schließt nicht nur Rechte ein, sondern bringt auch Pflichten mit sich.
4. Durch artgerechte Haltung. Kann ein Hund seinen Bedürfnissen entsprechend leben, ist er entspannter, glücklicher und fühlt sich wohl. Und Hunde, die sich in ihrer Familie und ihrem Alltag wohl fühlen, sind nicht nur wesensfester, sie haben auch weniger Tendenzen, das Zusammenleben mit ihrem Menschen zu hinterfragen. Was „artgerecht“ bedeutet, entscheidet sich wieder von Hund zu Hund. Während der Alaskan Husky lieber in der Kälte sein Dasein im Rudel fristet und damit nicht für eine Wohnung in der Stadt geeignet ist, reichen so manchem Windhund einige kurze Sprints im Freien und ein warmes Plätzchen auf der Couch völlig aus, um glücklich zu sein. Glück ist also individuell. Das gilt auch für unsere Hunde.

Aufbauend auf diesen vier Säulen, der Berücksichtigung des Hundes als Individuum und dem Wissen, dass jedes Mensch-Hund-Team anders tickt, wird also klar, warum Trainingstipps in Buchform so oft erfolglos bleiben. Wichtiger ist, mit Herz, Hirn und Sachverstand an die Erarbeitung eines harmonischen Miteinanders zu gehen. Denn mit dem besten Freund erarbeitet man sich neue Dinge doch gleich viel leichter!

Buchtipp

Beste Freunde
Beziehungsbuch für Mensch und Hund
Hundehaltung ist nicht immer lustig, denn das schöne Klischee vom Hund, der die Gedanken seines Menschen liest und ihm treu zur Seite steht, hat mit dem Alltag meist nicht viel zu tun. Mariella Blümel zeigt mit Witz und Verstand, wie man durch klare Regeln und Konsequenz, Gelassenheit und Humor zum guten Mensch-Hund-Team wird – ganz ohne Leckerli und Rudelkonzept. Der Halter lernt auf charmante Art, die individuellen Bedürfnisse seines Tieres zu verstehen, und gibt dem Hund so die Möglichkeit, sich von seiner besten Seite zu zeigen.

Mariella Blümel
208 Seiten
Preis: 24,99 €
Verlag Kosmos
ISBN: 9783440151273

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