BAT – Behavior Adjustment Training: Für reaktive Hunde mit Angst, Aggression und Frustration

Von Natascha Vecernik

Behavior Adjustment Training – kurz BAT – ist ein Training für Hunde, welches deren Verhalten den Umweltbedingungen und Reizsituationen anpasst. Die Methode ist von Grisha Stewart in den USA vorrangig für Hunde mit Angst, ­Aggression und Frustration entwickelt worden.

Von diesem Trainingskonzept profitieren besonders Hunde, die mit überschießendem Verhalten an der Leine reagieren; sie bellen, knurren, springen in die Leine, winseln oder erstarren auf diverse Reize wie Artgenossen, Menschen, Kinder, Autos, Fahrräder oder Weidetiere. Die Ursachen dieses Verhaltens sind vielfältig. Häufig verbergen sich dahinter Erkrankungen, Schmerzen, Angst, Unsicherheit und negative Lernerfahrungen. Überdies eine falsche Ausrüstung des Hundes und der Umgang damit, Über- oder Unterforderung im Alltag sowie Zwang durch den Menschen und damit verbundener Kontrollverlust in Begegnungssituationen. BAT 2.0 als ein ganzheitliches Konzept nimmt auf die gesamte Lebenssituation und deren Umstände Rücksicht. Der Hund erhält die Möglichkeit, frei von Ängsten vor Reizauslösern über seine eigene Befindlichkeit neue positive Erfahrungen zu sammeln. Als Team erlernen so Mensch und Hund ruhiges und entspanntes Verhalten, das sie gemeinsam wachsen lässt.

Praktische Umsetzung von BAT
Zur praktischen Umsetzung von BAT 2.0 zählen ein eigenes BAT-Leinenhandling, diverse Begegnungstrainings, die sogenannten »Set ups« und vor allem das Erlernen der Körpersprache des Hundes, damit man angemessen auf seine Bedürfnisse reagieren kann.

BAT Leinenhandling
Die Leine macht einen großen Teil der Reaktivität bei Hunden aus. Was ist so besonders am BAT Leinenhandling? Der Hund kann sich trotz Leine sehr frei fühlen, wodurch in Begegnungssituationen schon sehr viel an Stress weggenommen wird. Mit einer entspannten Leine reagieren Hunde eher mit deeskalierenden Gesten, sie schauen weg, schnüffeln oder meiden einfach den Auslöser. Die Technik ist besonders sanft und schenkt trotzdem größtmögliche Freiheit, Sicherheit und Kontrolle für Hund und Mensch. Sie dient als wertvolles Kommunikationsmittel bei Begegnungen, ohne dass für alle Beteiligten noch mehr Druck und Stress entsteht. Den Hundehaltern wird vermittelt, wie man die eigene Körpersprache achtsam und für den Hund verständlich einsetzen kann, was den Alltag wesentlich erleichtert. Bei der Ausrüstung werden 5 Meter lange, weiche Seilleinen verwendet, die am hinteren Karabiner eines gut sitzenden Brustgeschirrs befestigt sind. Die Führung erfolgt zweihändig, wobei die Leine stets locker durchhängt und je nach Notwendigkeit mit einer speziellen Wickeltechnik verlängert und verkürzt wird.

BAT »Set ups«
Hat man das Leinenhandling erlernt, kann man auch schon in die Set ups starten. Diese sind eine Form von entspanntem Training, in dem der Hund an der Leine einem Artgenossen oder anderen Reizauslösern in einem sicheren Rahmen begegnen kann. Die Umgebung wird dabei so gewählt, dass der Hund den Abstand zum Reiz selbst bestimmen darf, damit er sich in seiner »Wohlfühlzone« befindet. Ziel ist, dass er dauerhaft unter seiner Reizschwelle bleibt und dadurch höfliches, prosoziales Hundeverhalten zeigen und üben kann. Er soll die Umwelt in aller Ruhe erkunden, Informationen über seinen Trainingspartner sammeln und sich dabei ständig in seiner körperlichen und emotionalen Unversehrtheit wissen. So werden statt unerwünschten Verhaltens, wie z.B. den Artgenossen zu verbellen, alternative Bewältigungsstrategien wie z.B. sich abwenden und schnüffeln gehen erlernt und nachhaltig negative Emotionen abgebaut.

Im Alltag führen wir die Hunde oft unbewusst zu schnell, nahe und direkt an Menschen oder anderen Hunden vorbei, was diese meist vollkommen überfordert. Dabei übersehen wir die vielen feinen, körpersprachlichen Signale, die der Hund VOR Eintreten des reaktiven Verhaltens zeigt. Meist werden die Hunde bereits in größerer Distanz zum Reiz langsamer, d. h. sie nehmen von selbst Tempo aus dem Spaziergang, zeigen kleine Beschwichtigungssignale oder aber sie finden plötzlich eine scheinbar äußerst interessante Stelle, an der sie sich regelrecht festschnüffeln. Hier gilt es auf die Fellnasen einzugehen und sie keinesfalls am Reiz vorbeizuziehen oder zu drücken, sonst könnte dies in den Bereich einer Explosion führen, oder der Hund friert ein und lässt sich nicht mehr vom Fleck bewegen. In diesen Momenten ist der Hund schlecht oder gar nicht mehr ansprechbar und kann sich nicht willentlich vom Reiz abwenden.

Follow your dog – auf dem Weg zur Selbstsicherheit
In den Set ups haben wir Menschen die Aufgabe, uns möglichst hinter dem Hund her zu bewegen. So können wir gut erkennen, was er an eigentlichem, natürlichem Hundeverhalten gegenüber dem Reiz bietet. Damit eröffnet sich dem Hundehalter ein völlig neuer Blick auf seinen Vierbeiner, was oft zu einem grundlegenden Wandel in der Haltung und im Umgang mit dem Hund führt.

Wir beobachten seine Körpersprache und -ausrichtung sorgfältig und greifen nur dann ein, wenn er wirklich Unterstützung benötigt. Für den Hund ist diese Vorgehensweise überaus befriedigend, weil er das wählen kann, was seinen Bedürfnissen und Interessen entspricht. All dieses wird als »Follow your dog« bezeichnet. Im Set up bewegen sich Hunde optimal mit weichem Muskeltonus und in lockeren und eher langsameren und bogenförmig schlängelnden Fortbewegungen, wobei die Nase meist tief getragen wird. Von Zeit zu Zeit werden dem Trainingspartner kurze Blicke zugeworfen und es darf viel geschnüffelt werden. Mit einem sanften Stopp wird der Hund nur dann ausgebremst, wenn er sich zu schnell und frontal dem Reiz nähert und seine Erregung steigt. Aber auch dann hat er besonders durch die lockere Leine die Wahl, gute Entscheidungen zu treffen und sich vom Auslöser selbstständig abzuwenden.

Schafft er beispielsweise im Alltag die Ablösung vom Reiz nicht alleine, weil dieser plötzlich auftaucht und zu nahe kommt, unterstützen wir ihn der Situation entsprechend nach einem fein abgestuften System vieler möglicher Unterbrechungen seines Verhaltens. Die stärksten Signale wären dabei ein Clicker- oder Markerwort, verbale Umorientierung oder ein Abbruch mit einer Kehrtwendung. Erste Wahl sollten aber immer möglichst »kleine« Hinweise von uns sein.

Bei der Umorientierung zu seinem Halter muss der Hund in den Set ups nicht zwingend direkten Kontakt zu diesem aufnehmen. Es reicht, wenn er kleine Abbruchsignale zeigt, wie etwa den Kopf abwenden oder sich mit der Zunge über die Lefzen lecken und dann beispielsweise an einem Strauch schnüffeln. Die Umwelt dient hier als natürlicher Verstärker für sein höfliches Verhalten, und wir müssen zukünftig nicht sein »Navigationsgerät« sein und ihn durch Begegnungen führen oder füttern. Er wird nicht von unserer Hilfe allein abhängig gemacht.

Selbstwirksamkeit als Schlüssel zur Veränderung
Sein Mitspracherecht ist der Schlüssel zum Erfolg. Es gilt mit dem natürlichen, prosozialen Verhalten des Hundes zu arbeiten, ihm in entsprechenden Situationen die Wahl für gute Entscheidungen durch Raum und Zeit zu geben und dadurch selbstwirksame Interaktionen zu fördern, was sich in jedem Fall positiv auf den Verlauf weiterer Begegnungen auswirkt!

Auch wenn sich im Laufe der Set ups der Abstand zum Reiz nach und nach verringert, da die Hunde immer selbstsicherer und neugieriger werden, geht es nicht in erster Linie um den Nahkontakt, um den anderen Hund oder Mensch sofort zu begrüßen oder mit ihm spielen zu müssen. Er soll lernen, in Anwesenheit eines Auslösers ruhig und entspannt zu bleiben, sich abwenden zu können und diese positiven Lernerfahrungen auch im Alltag umzusetzen. Je nach individueller Geschichte des Hundes reichen dafür oft nur wenige Set up-Einheiten aus, um zum Ziel zu gelangen.

Einschätzung des Stresspegels durch das Bild einer Analogie des Meeresspiegels
BAT will ein Umfeld schaffen, in dem die Menschen verstehen, die Körpersprache und Signale des Hundes zu »lesen«. Dabei orientieren wir uns an dem Bild einer Analogie in Form eines in verschiedene Farben unterteilten Strandes bis hin zum Meeresspiegel, die den Stresspegel des Hundes verdeutlicht. Im Alltag und in den Set ups erleichtert dies wesentlich die Einschätzung, welche körpersprachlichen Signale dieser sendet, wie wir Bedürfnisse gut erkennen, um angemessen darauf zu reagieren. Wir vermeiden damit, dass der Hund im wahrsten Sinne des Wortes »lauter« werden muss, um uns und seiner Umwelt seine Befindlichkeit mitzuteilen.

Begegnungssituationen nicht mehr hilflos ausgeliefert sein
Zwar ist die BAT-Methode unaufdringlich und zurückhaltend, nichtsdestoweniger wird damit heftiges und für alle Beteiligten belastendes Hundeverhalten sehr gut beeinflusst. Hunde lernen, Situationen selbstständig zu meistern, wodurch sich das Wohlbefinden steigert und Kontrolle gegenüber dem Auslöser vermittelt wird, was als wesentlicher Verstärker für höfliches Verhalten gilt. Er braucht nicht mehr bellen, knurren oder flüchten. An beiden Enden der Leine entsteht Selbstvertrauen, da man nun Begegnungen keinesfalls hilflos ausgeliefert ist, denn BAT bietet eine Menge Wissen und praktische Hilfen!

Wem nützt BAT?
BAT ist für alle Hunderassen jeglichen Alters geeignet. Besonders Welpen, die in ihrer Sozialisierung mit BAT unterstützt werden, entwickeln sich zu resilienten, zuverlässigen Hunden. Natürlich beugt es auch einer Reaktivität vor, ehe diese sich überhaupt entwickeln kann. BAT kann überall und zu jeder Zeit umgesetzt werden, für den Einstieg ins Training sind keine besonderen Vorkenntnisse notwendig. BAT hat einen erheblichen Wert für jeden Hundehalter, denn BAT-Hunde wissen, dass sie verstanden werden und nötige Hilfe bekommen!


 

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