Balance, Koordination und ein gutes Körpergefühl helfen nicht nur uns Menschen, sich sicher durchs Leben zu bewegen. Doch kann man auch den eigenen Vierbeiner unterstützen, sich sicher in Bewegungen und gut im eigenen Körper zu fühlen und so Verletzungen vorzubeugen?
Eine gute Balance, Koordination und ein gutes Körpergefühl sind dabei keiner Alterklasse vorbehalten. Egal ob Welpe, Junghund, Familienhund, Sporthund oder älterer Hund, sie alle sollten über eine ihrem Alter und Gesundheitszustand entsprechende körperliche Fitness verfügen. Und dazu gehören eben auch Koordination, Balance und eine gute Körperwahrnehmung.
Warum sind dies so wichtig?
Gute koordinative Fähigkeiten und Balance schützen unsere Hunde vor Verletzungen und Verschleißerscheinungen des Bewegungsapparates. Zusätzlich fördern und erhalten wir nicht nur die körperliche, sondern auch die geistige Fitness – und bieten unserem Hund Beschäftigung.
Fort-Bewegung ist komplex
Es wird oft unterschätzt, wie komplex und anspruchsvoll Bewegung ist.
Damit sie funktioniert, müssen viele verschiedene Faktoren stimmen. Es sind starke Muskeln, bewegliche Gelenke, funktionierende Nerven notwendig. Der gesamte Prozess wird im Gehirn gesteuert. Leitend für die motorische Koordination ist das Kleinhirn, das auf zeitlich korrekte Informationen aus dem Bewegungsapparat angewiesen ist.
Was bringt uns Koordinations- und Balancetraining?
Mit diesem Training lernen die Hunde ihren Körper fühlen und wahrnehmen und ihn zu koordinieren. Durch langsame und gezielte Bewegungen werden Bewegungsabläufe sehr bewusst wahrgenommen. Gesunde Bewegungsmuster werden trainiert und der Hund lernt auch, komplexe Bewegungen sicher auszuführen.
Wie profitieren Hunde verschiedener Altersklassen?
Welpen und Junghunde profitieren davon, langsam den Einsatz ihres Körpers zu trainieren. Erwachsene Hunde trainieren die bewusste Wahrnehmung ihres Körpers, schulen gesunde Bewegungsmuster und ersetzen im Alltag oder durch Erkrankungen angeeignete „unnormale“ Bewegungsabläufe. Ältere Hunde bleiben durch die Übungen fit und agil und bleiben ebenfalls sicher in den Bewegungen. Vergleichbar ist es mit uns Menschen: Jeder aktive Sportler, ganz gleich welche Sportart er betreibt, integriert in sein Training nicht nur sportartspezifische Aktivitäten sondern trainiert gleichermaßen Kraft, Kondition, Beweglichkeit, Balance und Koordination. Dies sollten Sie auch im Alltag mit Ihrem Hund tun. Ganz gleich, ob Sie sportlich aktiv sind oder nicht. Das Training ist ohne Probleme Zu Hause – im Garten oder auch im Haus möglich und benötigt in der Regel weder spezielles Equipment noch einen großen Zeitaufwand. Im Folgenden möchte ich Ihnen einige Übungen an die Hand geben, mit denen Sie Koordination, Balance und Körpergefühl gezielt trainieren können.
Hurdle-race – Cavaletti-Training
Wirkung: Die Gelenkbeweglichkeit und die Muskulatur aller vier Läufe werden trainiert. Mittels langsamer, bewusster Bewegungen werden ein gesunder Bewegungsablauf, Balance und Koordination des gesamten Körpers geschult.
Wann nicht? Bei versteiften Gelenken
Equipment: Für die Variation: 4–5 flache Hindernisse wie Äste, Stangen, Besenstiele
Wie es geht: Setzen Sie sich mit gespreizten Beinen auf den Boden. Ist Ihr Hund zu Beginn aufgeregt, lassen Sie ihn zunächst neben sich absitzen, um etwas zur Ruhe zu kommen. Führen Sie ihn langsam, Schritt für Schritt über Ihre Beine. Sie können ihn hierzu auch an eine kurze Leine nehmen, um sein Tempo zu steuern. Am Ende angekommen lassen Sie ihn absitzen und vergessen nicht, ihn zu loben! Diese Übung erfordert viel Konzentration und ist für den Hund anstrengend. Nun geht es wieder zurück. Er sollte so langsam wie möglich gehen. Nur so verinnerlicht das Gehirn Ihres Hundes, wie die korrekte und gesunde Bewegung sein soll.
Variation: Sie können Ihren Hund alternativ auch über 4–5 Hindernisse wie Besenstiele, Cavaletti-Hindernisse oder dickere Äste führen. Legen Sie die Hindernisse in einer Linie auf den ebenen Boden. 4–5 Hindernisse sind ideal, um den Hund in einen Bewegungsfluss zu bringen. Er sollte bequem darübersteigen können und nicht dazu verleitet werden zu springen. Ein Abstand von einer Hundelänge ist optimal.
Trainingsempfehlung:
Level 1: Häufigkeit: 2–3 x wöchentlich Wiederholungen: 2–3 x
Level 2: Häufigkeit: 2–3 x wöchentlich Wiederholungen: 3– 5 x
Snake lines – Slalom-Training
Wirkung: Es werden eine gleichmäßige Belastung aller vier Läufe, ein gesunder Bewegungsablauf sowie Balance und Koordination trainiert. Gleichzeitig wird die Beugung der Wirbelsäule intensiviert und die Muskulatur des Rückens und der Läufe gestärkt.
Wann nicht? Instabilität oder Schmerzen in der Wirbelsäule
Equipment: Blumentöpfe, dicke Steine, Baumstümpfe oder Bücherstapel
Wie es geht: Legen Sie die Hindernisse in gerader Linie auf den ebenen Boden. Die Anzahl von 4–5 Hindernissen mit je einer Hundelänge Abstand ist optimal, um Ihren Hund in einen Bewegungsfluss zu bringen. Lassen Sie Ihren Hund absitzen, bevor es um die Hindernisse geht. Führen Sie ihn langsam an der kurzen Leine um die Hindernisse. Durch die Leine steuern Sie das Tempo und verhindern, dass der Hund die Übung abbricht. Am Ende angekommen lassen Sie ihn absitzen, bevor Sie zurückgehen. Gehen Sie so langsam wie möglich. Nur so verinnerlicht das Gehirn des Hundes, wie die korrekte und gesunde Bewegung sein soll.
Variation: Wenn keine Hindernisse zur Hand sind, kann der Hund auch zwischen Ihren Beinen Slalom laufen. Sie stellen sich breitbeinig hin, sodass der Hund bequem zwischen Ihren Beinen durchpasst. Locken Sie ihn mit einem Leckerli zwischen Ihren Beinen durch und führen ihn außen um Ihre Beine herum. Wiederholen Sie die Übung auch auf der anderen Seite. Achten Sie darauf, dass Sie ihn in beide Richtungen laufen lassen, damit beide Körperhälften belastet werden.
Trainingsempfehlung:
Level 1: Häufigkeit: 3 x wöchentlich Wiederholungen: 3 x
Level 2: Häufigkeit: 3 x wöchentlich Wiederholungen: 5 x
Laufen über verschiedene Untergründe
Wirkung: Mit dem Laufen über verschiedene Untergründe können Sie die Koordination und das Gleichgewicht Ihres Hundes optimal trainieren. Das Laufen über verschiedene Untergründe unterstützt zudem die Propriozeption. Darunter versteht man die Wahrnehmung der Bewegungen und Lage des Körpers und einzelner Körperteile im Raum, also die Eigenwahrnehmung des Körpers. Gleichzeitig wird Ihr Hund animiert, alle Pfoten gleichmäßig zu nutzen und ein gesunder Bewegungsablauf wird trainiert.
Wann ist das Laufen über verschiedene Untergründe tabu für Ihren Hund?
Wenn Ihr Hund instabile Gelenke hat, sollten Sie auf das Laufen über verschiedene Untergründe verzichten.
Wie es geht: Das Laufen über verschiedene Untergründe können Sie mit Ihrem Hund sowohl Zu Hause durchführen als auch auf dem Spaziergang. Wenn Sie das Laufen über verschiedene Untergründe auf dem Spaziergang durchführen möchten, eignen sich Waldboden auch mit Wurzeln, Feldwege, ein umgepflügter Acker, Kiesel und Sandboden. Ihrer Kreativität sind keine Grenzen gesetzt und Sie können alles nutzen, was die Natur bietet. Nehmen Sie Ihren Hund dafür an die Leine und führen ihn langsam über die verschiedenen Untergründe. (So wie sie Ihnen beim Spaziergang begegnen).
Ihr Hund sollte im Schritt laufen, so dass er die wechselnden Untergründe bewusst wahrnimmt und Unebenheiten ausbalanciert. Wenn Sie mit Ihrem Hund auch im Haus trainieren möchten, können Sie verschiedene Untergründe, die sich beim Spaziergang bieten, leicht nachahmen. Ideen hierfür sind künstlicher Rasen, eine raue Fußmatte oder Matte mit Noppen, die man auslegen kann. Sie können Korken, Kieselsteine und Sand sammeln und in flachen Behältnissen hinstellen. Führen Sie dann Ihren Hund an der Leine durch. Gerade für wenig mobile Hunde bietet es sich an, das Laufen über unterschiedliche Untergründe im Haus (Terrasse, Garten) durchzuführen. An verschiedenen Untergründen und Materialien sind Ihnen und Ihrer Kreativität keine Grenzen gesetzt. Achten Sie nur darauf, dass Ihr Hund sich an den Materialien nicht verletzen kann.
Trainingsempfehlung: Steigern Sie die Trainingseinheiten immer langsam, da das Koordinations– und Balancetraining über verschiedene Untergründe für Ihren Hund sehr anstrengend ist.
Der Start: Häufigkeit: 3–4x wöchentlich 1 Minute
Für Fortgeschrittene: Häufigkeit: 3–4x wöchentlich 2–3 Minuten
Paws up – Pfoten anheben
Wirkung: Die Übung ist ein effektives Muskeltraining, ohne dass eine Gelenkbewegung nötig ist. Daher spricht man von einer isometrischen Übung (Muskelstärkung ohne aktive Bewegung des Gelenks). Zusätzlich trainieren Sie die Koordination und die Balance Ihres Hundes.
Wann nicht? Instabilität im Rücken oder in den Hinter- oder Vorderläufen
Wie es geht: Ihr Hund steht und Sie hocken sich vor oder neben ihn. Sie greifen einen Vorderlauf (oberhalb der Pfote) und heben ihn für die in der Trainingsempfehlung angegebene Zeit an. Setzen Sie die Pfote ab, greifen den anderen Vorderlauf und heben das Bein leicht an. Hocken Sie sich hinter Ihren stehenden Hund. Heben Sie den einen Hinterlauf – ebenfalls oberhalb der Pfote – an und beugen den Lauf leicht, so wie Sie es machen, wenn Sie Ihrem Hund die Pfote abtrocknen. Halten Sie die Pfote für die in der Trainingsempfehlung angegebene Dauer. Auch wenn die Übung einfach aussieht, Effekt und Anstrengung sind hoch, gerade wenn Ihr Hund einen Schwachpunkt im Bewegungsapparat hat. Beim Anheben des Laufs kräftigen Sie durch die Gewichtsverlagerung die Muskulatur der übrigen drei Läufe und Ihr Hund muss die Verlagerung des Körperschwerpunktes ausgleichen.
Trainingsempfehlung:
Level 1: Häufigkeit: 3 x wöchentlich Wiederholungen: 3 x pro Lauf
Dauer: je 3 Sek.
Level 2: Häufigkeit: 3 x wöchentlich Wiederholungen: 3 x pro Lauf
Dauer: je 3–5 Sek.
Wichtig: Beim Training zu beachten ist, dass das Training ein Hundeleben lang regelmäßig durchgeführt wird. Achten Sie beim Training immer auf die Tagesform Ihres Hundes und vergessen Sie nie den Spaß beim Training. Denn Spaß ist die Basis für ein tolles und effektives Training mit Ihrem Vierbeiner.
Aus „Mein Herz bellt“ 1/2018
Pdf zu diesem Artikel: koordination_balance