Assistenzhunde – Gemeinsam das Leben meistern

Von Liane Rauch

Serie: Hundeberufe

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Assistenzhunde leisten für ihre Menschen Enormes. Der Artikel gibt einen interessanten Einblick in den Alltag und die Ausbildung von Assistenzhunden.
Fakten kompakt
• Der Begriff Assistenzhunde umfasst viele Sparten. Hier werden zwei ­konkret vorgestellt.
• Der Begleithund eines Rollstuhlfahrers hat viele wichtige Aufgaben und darf dabei nicht hektisch oder ablenkbar sein.
• Signalhunde – z.B. für Gehörlose – ­arbeiten mit Anstupsen oder Anspringen und erleichtern so den Alltag ihrer Menschen.

Heruntergefallene Gegenstände aufheben, Waschmaschine ausräumen, Schuhe und Strümpfe ausziehen oder Reißverschlüsse öffnen – das sind einige der vielfältigen Aufgaben des Begleithundes für körperbehinderte Menschen. Des Weiteren gibt es sogenannte Signalhunde, die gehörlosen Menschen mit Hilfe von körperlichen Signalen anzeigen, ob jemand an der Tür ist oder der Wecker klingelt. Patienten mit Erkrankungen, wie z.B. Multiple Sklerose (MS), können ihren Alltag entspannter gestalten, da die Hunde schon vor Krankheits­schüben oder Anfällen warnen. Hundeberufe in diesem Bereich sind sehr vielfältig.

Der Begriff Assistenzhunde umfasst viele Sparten. Im Speziellen möchte ich in dieser Ausgabe zwei Einsatzgebiete näher vorstellen: Den Begleithund für Rollstuhlfahrer (Rolli-Hund) und den Signalhund für gehörlose Menschen.

Der „Rolli-Hund“

Anders als bei einem Blindenführhund spielen Größe und Gewicht in diesem Arbeitsbereich keine so große Rolle. Aus­gewählte Hunde sollten jedoch 50 cm Schulterhöhe nicht zu weit überschreiten und nicht unbedingt schwerer als 30 kg sein. Assistenzhunde müssen, je nach Anforderung, des Öfteren hochspringen, um etwas aus einem Regal oder aus Schränken zu holen. Besonders beliebt sind Labradore, Golden Retriever, Hütehunde wie Collies und Australian Shepherds, Pudel und mittelgroße Mischlinge. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass auch kleinere und leichtere Hunde für diesen „Job“ geeignet sind.

„Kleine Hunde tun sich schwerer etwas aus höheren Regalen zu holen. Große Hunde sollten keine skelettalen Probleme im Bewegungsapparat, wie z.B. HD (Hüftgelenksdysplasie) oder ED (Ellenbogendysplasie) haben“, erklärt die auf den Rollstuhl angewiesene Petra L. über geeignete Hunde.

Assistenzhunde – aufmerksam und menschenbezogen
Ein Assistenzhund sollte nervenstark, ausgeglichen und apportierfreudig sein. Zieht der Hund an der Leine, kann es für den Rollstuhlfahrer zu schlimmen Unfällen kommen, eine gute Leinenführigkeit sollte also von Anfang an eingeübt werden. Ein gewisses Maß Verspieltheit ist von Vorteil, der Hund sollte sich jedoch von spielenden Artgenossen während der Arbeit nicht verleiten lassen. Impulskontrolle, vor allem bei Hunde- und Wildbegegnungen, muss zuverlässig trainiert werden.

Lass mich dir helfen …
Eine der wichtigsten Aufgaben des Begleithundes eines Rollstuhlfahrers ist das zuverlässige Aufheben und Abgeben von Gegenständen. Je nach Grad der Behinderung kann ein Rollstuhlfahrer den Boden schwer oder gar nicht erreichen. Dabei sollte der Hund nicht hektisch sein, sondern den Gegenstand ruhig und zielgerichtet abgeben können. Auf ein Hörsignal, z.B. „Telefon“ oder „Halsband“, sollte der Hund in der Lage sein, den richtigen Gegenstand zu bringen, auch wenn dieser Gegenstand auf einem Regal oder einem Schrank liegt.

Türen öffnen und schließen, Lichtschalter bedienen und vor dem Rollstuhl rückwärts gehen sind ebenfalls wichtige Lernziele bei der Ausbildung eines ­Rolli-Hundes. Hunde, die einen MS (Multiple Sklerose)-Patienten im Rollstuhl begleiten, sollten vor allem sehr kleine Gegenstände aufheben können. Auch das Öffnen von Schuhbändern und Reißverschlüssen erleichtert Erkrankten den Alltag. Der Hund sollte ebenfalls in der Lage sein, durch ausdauerndes Bellen Hilfe zu holen. Bei an Multiple Sklerose erkrankten Personen treten immer wieder Krankheitsschübe ohne Vorwarnung für die Patienten auf. Eine Hilfs­person sollte dann schnell vor Ort sein, da die Patienten während des Schubes bewegungsunfähig sind. Ähnlich wie der Blindenführhund muss der Assistenz­hund lernen, an Straßen zuverlässig stehen zu bleiben und sich selbständig ohne Aufforderung zu setzen.

Ausbildung in mehreren Varianten
Es gibt mehrere Ausbildungsmöglichkeiten zum Assistenzhund. Die Art der Ausbildung sollte an die jeweiligen individuellen Bedürfnisse des Menschen angepasst werden:

Option 1
Der Hund lebt ca. 12 Monate in einem Ausbildungszentrum und bekommt dort die Grundausbildung und erste allgemeine Aufgaben vermittelt. Vom Aus­bildungszentrum geht der Hund dann in Begleitung mit einem Ausbilder in sein zukünftiges Zuhause und wird ­gemeinsam mit dem Behinderten an ­seine individuellen Aufgaben herangeführt.

Option 2
Der Welpe lebt von Anfang an in der künftigen Familie. Mensch und Hund werden dort von einem Ausbilder betreut, der Hund sofort auf seine individuell benötigten Aufgaben vorbereitet. Voraussetzung ist hier, dass andere ­Familienmitglieder Aufgaben ­übernehmen, die vom gehandicapten Menschen am Anfang nicht geleistet werden können. Diese Option wird bei Assistenzhunden für Kinder bevorzugt.

Option 3
Ein bereits vorhandener Hund wird, begleitet vom Ausbilder, zum Servicehund ausgebildet.

Alltagsleben eines Rolli-Hundes
Je nach Grad der körperlichen Behinderung gestaltet sich das Alltagsleben des Hundes mehr oder weniger anstrengend. Ist der Halter noch berufstätig, muss der Hund längere Wege bewältigen und stressige Situationen wie an z.B. Bahnhöfen und Supermärkten meistern können. Der Assistenzhund darf nichts Fressbares vom Boden aufnehmen und sich beim Einkaufen aus dem Regal nicht selbst bedienen.

Der Signalhund

Als Signalhunde sind eher kleinere Rassen zu bevorzugen. Der Hund soll seinen Halter körperlich aktiv, also durch Anstupsen oder Anspringen, auf Geräusche und/oder Menschen aufmerksam machen. Gerne eingesetzt werden Papillon, Sheltie, weitere kleine Rassen wie Spitz, Cavalier King Charles Spaniel und kleine Mischlinge. Ist der Signalhund zu groß und schwer, kann es zu Unfällen kommen.

Eine hohe Bindungsbereitschaft sollte den Hunden angeboren sein, da der Hund seine Umwelt und seinen Menschen ständig im Auge haben muss. Ständige Aufmerksamkeit und Toleranz von ungewöhnlichem Verhalten des ­Halters sind ein wichtiger Eignungspunkt für diese Ausbildung. Dafür geeignete Hunde sollten in der Lage sein, über Stunden höchst aufmerksam zu sein. Wie der Blindenführhund ersetzt der Signalhund einen dem Menschen verlorengegangenen Sinn.

Die Aufgaben eines Signalhundes be­stehen größtenteils darin, seine Umgebung aufmerksam im Auge zu behalten. Nicht immer hat der gehörlose Mensch den Lichtsignalgeber an Telefon oder Tür im Auge. Der Hund muss durch Pfoten­auflegen, Anspringen oder Nasenstupser darauf aufmerksam machen.

Der Signalhund fungiert für Gehörlose morgens als „Wecker“. Ein Wecken des Menschen wäre sonst nur über Vibrationssignal möglich. Im Haus wird der Mensch auf z.B. wegen Durchzug aufspringende Fenster oder Türen aufmerksam gemacht, und auch das Anzeigen des Timers, z.B. am Backofen, ist Aufgabe dieses vierbeinigen Helfers. Draußen macht der Signalhund auf Radfahrer und Autos aufmerksam. Auch hier durch Anstupsen oder Anspringen, weshalb der Hund eben nicht zu groß und schwer sein sollte. Der Signalhund wird in der Regel ausschließlich auf Handzeichen konditioniert.

Susanna Weber-Kühnlein ist gehörlos und sagt über Signalhunde: „Der Hund sollte mich immer im Auge und seine Umwelt immer im „Ohr“ haben. Er sollte mich ja sofort aufmerksam machen, wenn z.B. der Timer vom Backofen piepst oder das Wasser im Wasserkocher kocht“.

Alltag und Freizeit des Signalhundes
Da sich der Signalhund eigentlich ständig im „hab-Acht-Modus“ befinden sollte, kann der Alltag für die Hunde sehr strapaziös sein. Der Hund muss ja einen dem Menschen verlorengegangenen Sinn zuverlässig ersetzen. „Unser Alltag läuft im Prinzip wie bei anderen Hundehaltern auch ab. Der Hund muss auf meine Handzeichen achten. Um den Hund aus dem Freilauf ­abzurufen, kann man eine Pfeife verwenden. Im Bett schlafen darf er nicht, er ist aber im ­gleichen Raum. ­Morgens beim ­Wecken zieht er mir die Decke weg.“ sagt ­Susanna Weber-Kühnlein.

Man sollte bei der Freizeitgestaltung dieser Hunde ganz besonders auf ihre individuellen Bedürfnisse eingehen. Es gibt Hunde, die in Arbeitspausen einfach nur ein „Kopf-durchblasen“ brauchen, also rennen, spielen, buddeln, alles, was ein Hund eben so tun muss. Andere Hunde nehmen sich wirklich ganz bewusst eine Auszeit, ruhen oder schlafen viel und haben kein Interesse an aktiver Bewegung.

Assistenzhunde in Rente
Der Rolli-Hund: Abhängig vom gesundheitlichen Zustand des Hundes, kann er bis zu einem Alter von 10 – 12 Jahren berufstätig sein. Wie erwähnt, wird der Assistenzhund physisch wie psychisch sehr beansprucht. Stellen sich körperliche Gebrechen beim Hund ein oder lassen Hör- und Sehsinn nach, wird es Zeit, den Hund in Rente zu schicken. Ist die Versorgung des Hundes nach Ablauf seiner Tätigkeit gesichert, bleibt dieser beim Halter. Die verschiedenen Ausbildungszentren handhaben das unterschiedlich. Manchmal kann der Hund zu seinem Trainer zurück oder die Vereine und Ausbildungszentren haben für die Hunde sogenannte Paten, die den Hund dann übernehmen können.

Der Signalhund: Es gibt keinen fest eingegrenzten Zeitraum, in dem der Hund diese Aufgabe erfüllen kann. Der Hund sollte jedoch auf jeden Fall aus der Arbeit entlassen werden, wenn sein Seh- und Hörvermögen nachlässt. Da die kleinen Rassen, die als Signalhund bevorzugt werden, auch in höherem Alter meist noch fitter sind als große Hunde, können Signalhunde schon mal bis in ein höheres, zweistelliges Alter arbeiten.

„Ich würde meinen Hund nicht abgeben, wenn er in Rente geht. Wir haben ja eine sehr enge Bindung und ein ­großes Vertrauensverhältnis zueinander aufgebaut.“, berichtet Susanna Weber-­Kühnlein.

Assistenzhunde – mehr als Trick-Dogs
Die Erziehung zum Assistenz- oder Warnhund ist sicher eine der anspruchsvollsten Ausbildungen im Bereich der Hundeberufe. Jeder Hund kann Tricks lernen, das steht fest, und im Grunde gesehen sind die Dienstleistungen, die ein so ausgebildeter Hund erfüllt, nichts anderes als Tricks. Die Besonderheit besteht darin, dass sich Assistenz-­Hunde bei ihrer Arbeit von nichts und niemandem ablenken lassen dürfen, was bei einem reinen Trick-Dog nicht so schlimm ist.

Es gibt keine Assistenzkatzen, die am Rollstuhl laufen und ihrem Menschen im Alltag helfen. Es gibt kein anderes domestiziertes Haustier, das menschliche Sinne so ersetzen kann. Einzig Hunde können dies. Der außerordentlich große Wille des Hundes, mit uns Menschen zusammen zu arbeiten, mit uns zusammen zu leben, macht es möglich, diese Tiere zum Helfer aus­zubilden.

Ich wünsche mir häufig mehr Respekt vor diesen „felligen Wunderwesen“. Hunde erleichtern uns das Leben. Sie retten Menschen, selbstlos und ohne große Erwartungen. Respektlosigkeit gegenüber Hunden, Misshandlungen oder sogar das sinnlose Töten machen mich sehr traurig. Und oft denke ich mir dann: „Na, hoffentlich ist dieser Mensch nicht irgendwann einmal auf einen Hund angewiesen.“ …

Pdf zu diesem Artikel: assistenzhunde

 

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