Aromatherapie: Ätherische Öle für Tiere

Von Stefanie Köppler

Aromatherapie bei Menschen ist bekannt, aber ätherische Öle bieten auch vielfältige Möglichkeiten, die Gesundheit und das Wohlbefinden unserer Tiere wiederherzustellen und zu stärken.

Sie können ätherische Öle riechen, wenn Sie eine Orange schälen, Fichtennadeln zerreiben, nah an einem Busch Pfefferminze vorbeigehen oder an einer Rosenblüte schnuppern. Viele Pflanzen bilden ätherische Öle in Öldrüsen und lagern sie in Blüten, Blättern, Samen, Fruchtschalen, Wurzeln, Harzen, Rinden oder im Holz. Dort haben sie verschiedene Aufgaben, zum Beispiel Insekten zur Bestäubung anzulocken, Schädlinge und Pflanzenfresser fernzuhalten, die Pflanze vor Bakterien und Pilzen zu schützen, der Pflanze zu helfen, Wunden zu schließen oder zu verhindern, dass andere Pflanzen in unmittelbarer Nähe wachsen.

Wie wirken ätherische Öle?
Ätherische Öle können viele verschiedene Wirkungen haben. Sie können entzündungshemmend sein, gegen Bakterien, Viren oder Pilze wirken, lästige Insekten vertreiben, beruhigend, entspannend, anregend oder stimulierend wirken, Juckreiz stillen, die Verdauung anregen oder beruhigen, angstlösend wirken …

Die Gewinnung ätherischer Öle
Um ihre Wirkung auch außerhalb der Pflanze zu entfalten, werden ätherische Öle von den Pflanzen getrennt – meistens durch Wasserdampfdestillation, Extraktion oder Auspressen der Pflanzen oder der entsprechenden Pflanzenteile. Blüten, kleine Zweige, Blätter, Wurzeln und auch Harze werden meistens destilliert, Fruchtschalen von Zitrusfrüchten wie Orange, Mandarine, Grapefruit, Bergamotte oder Zitrone werden geraspelt und ausgepresst.

Hydrolate
Bei der Gewinnung ätherischer Öle durch Wasserdampfdestillation werden neben den ätherischen Ölen sogenannte Pflanzenwässer oder Hydrolate gewonnen. Sie wirken sehr sanft und können ebenfalls in der Aromatherapie eingesetzt werden. Tieren, die nicht so zutraulich sind, kann man etwas Hydrolat in einem Schälchen Wasser zusätzlich zum Trinkwasser hinstellen. Auch zum Anrühren von Gels und Sprays sind Hydrolate gut geeignet.

100% naturreines ätherisches Öl
Ätherische Öle enthalten sehr viele einzelne Inhaltsstoffe – bei der Rose sind mehr als 400 bekannt – die so nicht im Labor nachgebildet werden können. Um die vielfältige Wirkung für Gesundheit und Wohlbefinden zu erhalten, ist es sehr wichtig, 100% naturreines ätherisches Öl zu erwerben. Auch bei Hydrolaten gibt es große Qualitätsunterschiede. Nur echte Hydrolate ohne Zusatz von Alkoholen und anderen Konservierungsstoffen sind für Anwendungen im Bereich Gesundheit und Wellness geeignet.

Immer verdünnt anwenden
Für die Gewinnung von 5 ml Rosenöl werden 20 bis 25 kg Rosenblätter destilliert. Das ätherische Öl ist also sehr konzentriert. Es ist zwar natürlich, kommt so in der Natur aber nicht vor. Deshalb werden ätherische Öle immer verdünnt angewendet. Zum Verdünnen nimmt man fette Pflanzenöle oder Mazerate ((lat. maceratio, macerare = einweichen) oder Mazeration, Kaltwasserauszug, Kaltauszug, Kaltansatz ist ein Verfahren, um leichtflüchtige oder thermisch instabile Inhaltsstoffe aus pflanzlichen (seltener aus tierischen oder mineralischen) Rohstoffen zu lösen. (Wikipedia)) – Sonnenblumenöl, Mandelöl, Ringelblumenöl, Johanniskrautöl oder Hanfsamenöl sind sehr beliebt. Das Mischungsverhältnis variiert je nach der Größe und dem Zustand des Tieres. Für einen Hund reichen ein oder zwei Tropfen ätherisches Öl in einem Fläschchen mit 5 oder 10 ml Trägeröl meistens völlig aus.

Durch die Nase
Ätherische Öle bestehen aus sehr kleinen Molekülen und sind sehr flüchtig, verteilen sich also schnell in der Luft, sobald das Fläschchen geöffnet wird. Deshalb können sie gut über die Nase aufgenommen werden. Man muss das Tier also nicht zwingen, etwas einzunehmen oder etwas auf sein Fell schmieren, das es nicht möchte. Man hält ihm einfach das geöffnete Fläschchen mit dem ätherischen Öl in Trägeröl in gebührendem Abstand vor die Nase (mindestens 30 cm). Einige ätherische Öle sind auch verdünnt noch sehr stark, man muss also sehr aufpassen, dass das Tier ausweichen kann, wenn es den Duft als unangenehm empfindet. Tiere haben immer ein Mitspracherecht und werden zu nichts gezwungen!

Zoopharmakognosie
Das bedeutet tierische Selbstmedikation. Tiere nehmen bestimmte Dinge zu sich, die eigentlich nicht zu ihrer normalen Nahrung gehören, um sich selbst zu helfen, wenn es ihnen nicht gut geht. Sie kennen das – der Hund hat sauberes, klares Trinkwasser, trinkt aber aus der Schüssel mit dem schon leicht eklig aussehenden Regenwasser. Oder er frisst Gras, um sich zu übergeben. Oder er nimmt Kot, Holz oder Erde auf, was uns natürlich meistens nicht gefällt. Dieser Instinkt kommt uns in der Aromatherapie aber zugute. Tiere sind nämlich in der Lage, sich die passenden ätherischen Öle auszusuchen, zu entscheiden, wie sie damit umgehen und wie lange sie sie im Verlauf der Behandlung noch brauchen.

Vorauswahl
Geben wir unseren Tieren nun alle ätherischen Öle und Hydrolate, die wir haben, und lassen sie entscheiden? Nein, wir treffen eine Vorauswahl. Dazu haben wir verschiedene Möglichkeiten. Wir können uns nach den Wirkungen der ätherischen Öle und Hydrolate richten. Suchen wir etwas gegen Entzündungen, haben wir die Wahl aus allen entzündungshemmenden Ölen und Hydrolaten. Oder wir schlagen nach, welche ätherischen Öle und Hydrolate für einen bestimmten Zustand, bestimmte Krankheitszeichen oder bestimmte emotionale Probleme geeignet sind. Eine weitere Möglichkeit bietet die Fünf-Elemente-Lehre.

Fünf-Elemente-Lehre und Aromatherapie
Die Fünf-Elemente-Lehre ist ein Teil der Traditionellen Chinesischen Medizin. Alles ist einem der fünf Elemente Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser zugeteilt. Zu jedem Element gehört unter anderem eine Emotion, eine Tageszeit, eine Jahreszeit, ein Klima, ein Klang, bestimmte Körperteile, eine Farbe usw. Zum Element Feuer gehört Freude, der Mittag, der Sommer, die Hitze, Lachen, als Körperteile die Zunge und die Blutgefäße und die Farbe Rot.

Menschen und Tiere tragen Teile aller Elemente in sich, meistens tritt aber eines deutlicher hervor. Ein Feuer-Hund ist graziös, schlank, hat feines Fell, fühlt sich warm und seidig an, schätzt Wärme und Aufmerksamkeit, sucht Kontakt, hasst es, allein gelassen zu werden, ist intelligent, freundlich, selbstbewusst, sprüht vor Lebensfreude – solange er nicht allein gelassen wird. Auch ätherische Öle sind einem oder mehreren der fünf Elemente zugeteilt. Zu Feuer passen besonders gut Neroli, Rose und Ingwer. Aber auch Jasmin, Lavendel, Melisse, Rosmarin und Ylang Ylang gehören zum Element Feuer.

Aromatherapie und meine Hunde
Nachdem ich nun erklärt habe, was ätherische Öle sind, wie sie wirken und wie man eine Vorauswahl treffen kann, kommen wir zu einem konkreten Beispiel. Dazu möchte ich Ihnen meine Hunde vorstellen:

Zoltan ist ein Husky-Mix aus Zypern, der nach einer Schussverletzung seine Hinterbeine nicht richtig bewegen und nicht richtig laufen kann. Auf der Suche nach einem Hund fiel mir sein Video auf – ein eigentlich trauriges Video von einem etwa sechs Monate alten Husky mit geschorenem Rücken (von der Operation), der nicht laufen konnte, aber voller Lebensfreude auf eine Katze zurutschte. Diese Lebensfreude hat mich sehr beeindruckt und tut das auch heute, vier Jahre später, noch genau so. Zoltan war von Anfang an zu allen freundlich, begrüßte auch in seinen ersten Wochen in Deutschland jeden, dem wir begegneten, wie einen alten Freund, egal ob Mensch oder Tier. Er liebt es, sich selbst in unserer Dachwohnung im Sommer in die Sonne zu legen. Er hat ein tolles Kuschelfell, das man einfach streicheln muss. Allein lassen konnte ich ihn lange nicht, das fand er ganz schlimm. Inzwischen trägt er es mit ­Fassung. Begegnungen mit anderen Hunden sind immer noch relativ emotional.

Henry ist ein junger rumänischer Straßenmix, vielleicht 7 Monate alt, seit knapp 2 Monaten bei mir. Er ist ebenfalls ein freundlicher, fröhlicher, verspielter Hund, der gern im Mittelpunkt steht, reagiert mehr als Zoltan auf meine Stimmungen, findet allein gelassen zu werden aber ebenso furchtbar, obwohl er ja gar nicht allein ist. Mit Zoltan versteht er sich gut, bei mir ist er sich noch nicht so sicher. Einerseits genießt er es, gestreichelt zu werden, andererseits knurrt er auch schon mal und zeigt seine Zähne, wenn es ihm zu eng wird. Andere Hunde sind lange, bevor sie da sind, spannend und werden schon aus der Entfernung angebellt – es wirkt, als wolle er sie gleichzeitig auf Abstand halten und freudig begrüßen. Er ist also einerseits kontaktfreudig, andererseits schüchtern. Ich habe den Eindruck, er möchte auf gar keinen Fall, dass irgendjemand auf die Idee kommt, er könnte eigentlich noch ein schutzbedürftiger Welpe sein.

Behandlungsziel
Zunächst muss man sich darüber klar werden, was man eigentlich behandeln möchte. Für mich ist es schwierig, an anderen Hunden vorbeizukommen, weil beide Hunde so stark auf jeden Hund reagieren. Zoltan fängt an zu quietschen und zieht meist freundlich, aber doch recht übertrieben auf den anderen Hund zu, Henry fängt an zu bellen, zieht auf den anderen Hund zu, ist sich aber gar nicht sicher, ob er ihn kennenlernen oder doch lieber in die Flucht schlagen möchte. Natürlich kann man hier auch durch ein vernünftiges Training Abhilfe schaffen. Aber mein Ziel ist es nicht, ein anderes Verhalten einzuüben. Ich möchte, dass die Hunde gar nicht mehr das Bedürfnis haben, derart massiv auf andere Hunde zuzugehen, sondern entspannt abwarten können, ob das andere Hund-Mensch-Team an einem näheren Kennenlernen oder Begrüßen interessiert ist oder es für alle sinnvoller ist, einfach weiter zu gehen.

Vorauswahl
Bei beiden Hunden tritt das Feuer-Element recht deutlich in Erscheinung. Bei Zoltan ist es eher die draufgängerische, bei Henry eher die schüchterne Form. Ich sehe also nach, ob und wie die oben genannten Öle passen. Neroli hilft bei Trennungsangst und kann gut vor stressigen Ereignissen gegeben werden, weil es gleichzeitig beruhigend und erhebend ist. Rose stellt das Vertrauen in sich selbst und in andere wieder her und hat einen Bezug zu früherer Misshandlung. Ingwer erhöht das Selbstwertgefühl, Jasmin ist gut für unsichere Hunde mit übertriebenem Macho-Verhalten. Lavendel ist beruhigend und hilft bei Schüchternheit, aber auch, wenn Emotionen den Verstand übermannen und der Hund vor lauter Begeisterung gar nicht mehr zugänglich ist. Melisse stärkt den Fokus und das Selbstempfinden. Rosmarin hilft ebenfalls bei Mangel an Vertrauen und Selbstvertrauen. Ylang Ylang ist gut für junge Hunde, die wenig Selbstvertrauen haben und ihren Platz in der Gruppe finden müssen.

Selbst-Selektion
Für Zoltan könnten Neroli, Rose, Lavendel und Melisse passen, für Henry kommen Neroli, Rose, Ingwer, Jasmin, Lavendel, Melisse, Rosmarin und Ylang Ylang in Frage. Neroli, Rose, Melisse und Rosmarin habe ich als Hydrolate, die anderen als ätherische Öle. Nun lasse ich die Hunde auswählen. Dazu nehme ich das verschlossene Neroli-Hydrolat in die geschlossene Faust und halte es in einigem Abstand vor Zoltan und gucke, was er macht. Er riecht einmal kurz und dreht den Kopf ein wenig weg – nein, danke. Zoltan ist sehr sparsam in seinen Reaktionen, andere Hunde laufen auch schon mal bis ans Ende des Gartens. Auf das Rosenhydrolat reagiert er ebenfalls nur mit einem leichten Kopfdrehen. Das Lavendelöl findet er gut, hier schnuppert er ein paar Mal. Auch das Melissenhydrolat findet seine Zustimmung – er schnuppert und guckt freundlich. Zoltan hat sich also für das Lavendelöl und das Melissenhydrolat entschieden.

Henry ist in einer sehr oralen Phase – er leckt grundsätzlich erst mal an allem, was ihm vor die Schnute kommt. Hier muss ich sehr genau auf weitere Zeichen achten. Er leckt ein bisschen begeisterter bei Lavendel, Melisse und Ingwer. Da ätherische Öle immer in einem Trägeröl verdünnt werden, lasse ich jeden Hund an meinen fetten Pflanzenölen und Mazeraten riechen. Eigentlich nimmt man bei emotionalen Problemen ein neutrales Öl – Sonnenblumenöl oder Traubenkernöl passen hier gut. Ich weiß aber, dass meine Hunde das Ringelblumen-Mazerat, das ich habe, sehr mögen und Zoltan das Johanniskraut-Mazerat gut findet, also lasse ich sie an beiden schnuppern. Beide wählen das Johanniskraut-Mazerat.

Anmischen
Die Hunde haben zwei ätherische Öle ausgewählt. Ich nehme also zwei dunkle 5 ml-Fläschchen und gebe das Johanniskraut-Mazerat hinein. In das erste Fläschchen gebe ich anschließend einen Tropfen Lavendelöl, in das zweite einen Tropfen Ingweröl. Das Melissenhydrolat verdünne ich mit Wasser. Ich gebe einen Sprühstoß in einen mit Wasser gefüllten Napf.

Anbieten
Nun nehme ich das Fläschchen mit ­Lavendel in Johanniskraut, halte es ­Zoltan in einigem Abstand vor die Nase und ­beobachte, wie er reagiert. Manche Tiere schnüffeln und scheinen dann in eine Art Trance oder Tiefschlaf zu fallen, in der sie das Öl verarbeiten. Zoltan reagiert auch hier etwas sparsamer – er schnüffelt nur ein paar Mal freundlich. Henry ist deutlich überschwänglicher – er kriecht fast in das Fläschchen, leckt meine Hand, leckt das Fläschchen. Ich gebe einen Tropfen in meine Handinnenfläche und lasse
Henry ihn auflecken. Auch einen zweiten und einen dritten Tropfen darf er auflecken, mehr aber nicht. Ingwer in Johanniskraut leckt Henry ebenfalls von meiner Hand.
Dreht der Hund den Kopf weg oder steht auf und geht, mag er das Öl jetzt nicht. Es kann sein, dass er es tatsächlich nicht mag, es kann aber auch sein, dass er erst ein anderes Öl braucht, ich also die Reihenfolge ändern muss, in der ich die Öle anbiete. Auf jeden Fall nehme ich das Öl erst mal weg und biete das nächste Öl an, das der Hund sich ausgesucht hat. Der Napf mit dem Hydrolat steht zur freien Verfügung, und zwar an einer anderen Stelle als der Napf mit dem Trinkwasser, damit ich mitbekomme, wer wann davon trinkt. Ich gebe ätherische Öle generell nicht innerlich, schon gar nicht über das Futter, weil der Hund dann keine Wahlmöglichkeit mehr hätte. Hydrolate biete ich zwar im Wassernapf an, aber es steht grundsätzlich ein zweiter Napf mit frischem Wasser zur Verfügung.

Wie oft, wie lange?
Öle, die der Hund toll findet, biete ich morgens und abends an, Öle, die er ganz ok findet, biete ich nur einmal am Tag an. Mag er ein Öl nicht (mehr), biete ich es noch ein paar Tage an, um sicherzugehen, dass er es wirklich nicht mag. Danach lasse ich es weg. Das Hydrolat erneuere ich einmal täglich, bis keiner der Hunde es mehr möchte. Manche Probleme brauchen lange, andere sind schnell gelöst. Es kann also sein, dass ein Hund ein Öl 14 Tage und länger riechen möchte, es kann aber auch sein, dass es reicht, wenn er ein einziges Mal daran gerochen hat.

Zum Weiterlesen

Stefanie Köppler ist Tierheilpraktikerin, Aromatherapeutin und Übersetzerin. Sie hat ein Buch zum Thema Aromatherapie übersetzt:
»Ätherische Öle für Tiere – Ein umfassender Leitfaden für das Wohlbefinden Ihrer Tiere mit ätherischen Ölen, Hydrolaten und Pflanzenölen« von Nayana Morag, erschienen 2019 bei OtE Press. ISBN 978-989-33-0120-3

Pdf zu diesem Artikel: aromatherapie

 

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