Immer mehr Arbeitsrassen sind mittlerweile in Familien zu finden. Dabei stellt sich häufig die Frage, ob Arbeitsrassen generell als Familienhunde überhaupt geeignet sind oder nicht. Einige Hundehalter entscheiden sich dafür, ohne über mögliche Konsequenzen nachzudenken.
Wildernde Jagdhunde werden nicht nur ungern gesehen, vielmehr stellen sie auch eine Gefahr für Wildtiere, und sogar sich selbst, dar. Unterforderte Hütehunde neigen oft zu unerwünschten Verhaltensweisen, die sich schnell in gefährliche Situationen hineinsteigern. Herdenschutzhunde brauchen sehr viel räumlichen Freiraum und zeigen in der Regel territoriales Verhalten, welches nicht überall erwünscht ist. Die Auflistung können wir noch endlos so weiterführen. Schließlich haben sich unsere Hunde im Laufe ihrer Geschichte zu ganz unterschiedlichen Hundetypen entwickelt. So lassen sich die Hunderassen verschiedenen Verwendungszwecken zuordnen und in Gruppen einteilen. Wobei es aber auch bei den verschiedenen Gruppen Überschneidungspunkte gibt.
Was jeder Hundehalter vor der Anschaffung eines Hundes beachten sollte, sind die Eigenschaften und Ansprüche, die der ausgesuchte Hund aller Wahrscheinlichkeit nach mit sich bringt. Denn jeder Verwendungszweck erfordert bestimmte Rasseneigenschaften.
Was bedeutet Familien- bzw. Begleithund?
Viele Menschen wünschen sich den idealen Familien- bzw. Begleithund. Aber was ist eigentlich »der perfekte Familienhund«? Eine durchweg schwierige Frage, schließlich hat jeder von uns eine genaue Vorstellung von einem Hund, also wie er sein soll und was er mitbringen muss. Die Einen wünschen sich einen treuen Begleiter, der sie im Alltag und auf Ausflügen überall hin begleitet und sich aufgeschlossen und respektvoll anderen gegenüber verhält. Andere wünschen sich einen sportlichen Hund, der die tägliche Joggingrunde mitläuft und für andere sportliche Aktivitäten offen ist. Während sich eine Familie mit Kindern vielleicht einen Hund wünscht, der sich ihrem recht aufregenden Alltagsrhythmus anpasst und trotzdem noch freundlich und geduldig im Umgang mit Kindern ist. Er soll es lieben, mit dabei zu sein und gestreichelt zu werden und vor allem gut sozialisiert sein.
Auch wenn es nach außen vielleicht nicht so wirkt, so erfüllt ein Familienhund eine gewisse Art von Job. Schließlich braucht er auf alle Fälle bestimmte Eigenschaften, um in die jeweilige Familie und deren Alltag zu passen. Selbst wenn die Intentionen je nach Familie variieren, so wird der Hund in den meisten Fällen als Sozialpartner angesehen und soll deshalb auch ganz bestimmte Verhaltensweisen an den Tag legen.
Das Jagdverhalten soll meist auf der einen Seite nicht so stark ausgeprägt sein, damit er kein starkes Beutefangverhalten zeigt und nicht nur mit der Nase auf dem Boden ist. Andererseits wünschen sich Hundehalter so viel Jagdverhalten, dass Ballspielen oder ähnliches möglich ist. Bei der territorialen Verteidigung wünschen sich Hundehalter einen Hund, der im Dunkeln anschlägt. Jedoch sollen Besucher jederzeit die Wohnung betreten dürfen. Die Bellfreudigkeit ist nur bedingt erwünscht. So darf ein Hund durchaus anschlagen. Allerdings sollte er sich auch schnell genug wieder beruhigen, um die Nachbarn durch lautes Gebell nicht zu nerven und um auch die eigenen Nerven nicht zu strapazieren. Vom Aktivitätslevel sollte der Hund meist schon aktiv sein, aber eben nicht übertrieben, so dass auch mal Ruhe einkehrt.
Die Anforderungen an den Familienhund können vielfältiger nicht sein. Daher ist es nicht immer so einfach, den passenden Vierbeiner für die eigene Familienkonstellation zu finden. Doch es kommt recht häufig vor, dass das zukünftige Familienmitglied anhand des Aussehens ausgewählt wird und die rassenbedingten Eigenschaften außer Acht gelassen werden.
Arbeitsrassen und ihre Aufgaben
Was zeichnet eine Arbeitsrasse aus? Zu den Arbeitsrassen zählen Hunderassen, die für bestimmte Verwendungszwecke genutzt wurden. Es war für den Menschen schon immer vorteilhaft, sich die besonderen Eigenschaften der Hunde zunutze zu machen, um somit ihre alltäglichen Aufgaben zu vereinfachen.
Diese Rassen benötigen auch heutzutage noch Aufgaben und ausreichend Arbeit. Natürlich gibt es auch bei Arbeitsrassen Ausnahmen. Denn jeder Welpe muss individuell betrachtet werden. Es gibt somit auch Charakterköpfe, die nicht der Rasse entsprechende Eigenschaften zeigen und ganz aus der Art schlagen. So kann auch ein Jagdhund weniger an Dummyarbeit oder der Fährtensuche interessiert sein oder ein Hütehund ein weniger ausgeprägtes Hüteverhalten an den Tag legen. Trotz alledem gehören gerade Jagd-, Hüte-, Herdenschutz- und Hofhunde zu den Arbeitsrassen schlechthin und mit ihnen auch ihre Veranlagung.
Jagdhunde
Zu den Jagdhunden zählen viele Rassen, denn es gibt viele Jagdvarianten, zu denen entsprechende Hundegruppierungen benötigt wurden. So gibt es die Bracken, die Schweißhunde, die Vorstehhunde, die Stöberhunde, die Apportierhunde, die Wasserhunde oder auch bestimmte Terrier. Sie alle haben ihre ursprünglichen Aufgaben und Verhaltensweisen aus dem Jagdbereich. Daher benötigen sie auch in einer Familie eine artgerechte Auslastung. Von der Dummyarbeit, dem Longieren, bis hin zu jeglicher Art der Nasenarbeit – bei einem Jagdhund kann man auf ein breites Spektrum Auslastungsmöglichkeiten zurückgreifen. Inwieweit es sich in den Familienalltag einbauen lässt, ist vom jeweiligen Hundehalter abhängig. Ein nicht ausgelasteter und ausgebildeter Jagdhund könnte unter Umständen seinen eigenen Weg gehen und unkontrolliert jagen. Passiert dies bei einem Spaziergang, werden der Hund und auch die Wildtiere unnötig gefährdet. Viele Hundeschulen bieten daher spezielle Kurse für Jagdhunde an, bei denen neben dem Grundgehorsam auch die Auslastung eine wichtige Rolle spielt. Es lohnt sich also herauszufinden, was der Hundehalter und sein Jagdhund gemeinsam unternehmen können, und was den Jagdhund somit auch artgerecht auslastet.
Hüte- und Koppelgebrauchshunde
Wer das Wort »Hütehund« hört, hat meist das Bild eines Border Collies im Kopf, der eine Schafherde zusammentreibt. Diese Rasse hat viele Fürsprecher. Allerdings stellt der Hüte- oder auch Koppelgebrauchshund, wozu der Border Collie zählt, eine starke Herausforderung dar. Wer einen Hund dieser Kategorie in seine Familie holt, muss mit ihm auch arbeiten. Da reicht ein zweimaliger Spaziergang pro Tag nicht aus. Denn diese Hunde haben ein hohes Bedürfnis an Bewegung, sind sehr fit, reagieren flink und sind schnell für etwas zu begeistern. Aber auch das hat eine Kehrseite. Schließlich können sie ebenso schnell hochfahren und überfordert werden. Ruhe und Entspannung steht also gleichermaßen auf dem Lehrplan wie artgerechte Auslastung. Leider trifft häufig auch das Gegenteil ein. Unterforderte Hütehunde suchen sich nämlich schnell neue Aufgaben und zeigen dadurch oft Verhaltensweisen, die im Alltag problematisch werden können. Bleiben wir beim Beispiel Border Collie. Dieser hat solch eine hohe Motivation zu arbeiten, dass er schnell zu übermäßigem Hüteverhalten gegenüber Familienmitgliedern, anderen Hunden, Autos oder auch anderen Menschen neigt. Wird dies nicht erkannt und eingegrenzt, kann es für Mensch, Tier und Umwelt unter Umständen gefährlich werden. Dabei sind die Möglichkeiten der Beschäftigung mit einem Hütehund immens vielfältig. Von Agility, Longieren, Obedience über sämtliche Arten der Nasenarbeit, bis hin zu Treibball oder Hoopers. Der Hütehund liebt es, mit dem Menschen gemeinsam viel zu erleben und sich kognitiv und körperlich auszupowern.
Herdenschutzhunde
Herdenschutzhunde sind immer mehr auch in Privathaushalten zu finden. Dort erfüllen sie jedoch nicht ihre ursprüngliche Aufgabe, eine Herde von Nutztieren vor Angriffen zu schützen. Stattdessen führen sie ein Leben als mehr oder weniger nützlicher Familienhund. Manchmal sind sie für das Bewachen von sehr großen Grundstücken oder Firmengeländen zuständig. Als Familienhund ist ein Herdenschützer mit Vorsicht zu betrachten. Ein Herdenschutzhund zeigt ein sehr stark ausgeprägtes Territorialverhalten. Eine kleine Wohnung ohne Grundstück ist für eine artgerechte Haltung nicht ausreichend. Ebenfalls stellt sich ein herkömmlicher Spaziergang als Herausforderung für Mensch und Umwelt dar. Diese Tiere beschützen ursprünglich große, weite Flächen. Sie übernehmen mit ihrem imposanten Erscheinungsbild die Schutzfunktionen einer Herde. Sie arbeiten selbstständig und nicht mit dem Menschen zusammen, so wie man es bei einem Hütehund gewohnt ist.
So erweitern sie auf einem Spaziergang auch gerne ihr Territorium, wodurch sich ihr zu bewachendes Umfeld auf eine große Umgebung ausweitet. In städtischen Gebieten sorgt dieses Verhalten schnell für Schwierigkeiten mit anderen Hunden oder gar Menschen. Denn diese kreuzen schließlich das Territorium des Herdenschutzhundes. Entscheidet sich eine Familie für eine Herdenschutzhunderasse, dann sollte der ursprüngliche Verwendungszweck wohl bedacht werden. Denn gerade, wenn Kinder im Haushalt leben, herrscht immer Trubel und ein Aus- und Eingehen durch Besuch. Für solch einen Hund stellt es eine Herausforderung dar und bedeutet Stress, nicht eingreifen zu dürfen. Auch möchte solch ein Hund nicht über Hindernisse springen oder mit den Kindern Sportarten wie Longieren oder Obedience ausüben. Daher sind die Auslastungsmöglichkeiten sehr begrenzt.
Hofhunde
Hofhunde gibt es heutzutage teilweise noch in ländlichen Regionen mit ihrem ursprünglichen Verwendungszweck. Sie dienen dazu, Haus und Hof zu bewachen und durch Bellen alles Fremdartige anzuzeigen. Dementsprechend sind sie sehr kommunikativ und zeigen deutliches territoriales Verhalten. Typische Vertreter dieser Hunde sind beispielsweise der Hovawart, der Spitz, ebenso der Rottweiler oder Dobermann, der Schäferhund, der Berner Sennenhund, aber auch Pinscher oder Schnauzer.
Sucht sich eine Familie eine Hunderasse der Gruppierung Hofhunde aus, können diese durchaus auch in das Familienleben integriert werden. Jedoch sollten diese Hunde ebenfalls vernünftig ausgelastet werden. Mit der Nase zu arbeiten wäre eine Möglichkeit, den Hund vor allem kognitiv auszulasten. Zudem sollte die verbale Kommunikation nicht als Problem empfunden werden. Denn schließlich sollten diese Hunde ursprünglich Meldung geben. Bei manchen Hofhunderassen ist das Territorial- oder das Jagdverhalten auch ausgeprägter als bei anderen Rassen. Dies muss somit auch beim Spaziergang bedacht werden. Gerade, wenn das Jagdverhalten ausgeprägter vorhanden ist, ist ein schnelles und unbedachtes Ableinen ohne vorheriges Training nicht ratsam.
Klein und doch ganz groß
Widmen wir uns noch den oft unterschätzten kleinen Hunderassen. Denken wir an Hunde mit einer Größe von 30 oder 40 cm, haben wir meist Schoßhunde im Kopf. Doch viele der Kleinen wurden tatsächlich für bestimmte Zwecke genutzt. Die Menschen verwendeten sie einst zum Jagen, Hüten oder auch Bewachen. Ein gutes Beispiel ist hier der Tibet Terrier. Entgegen seiner Bezeichnung ist er kein Terrier, sondern ein Hütehund. Seine Aufgabe bestand darin, Viehherden im Hochgebirge von Tibet zu behüten. Er hat seinen Ursprung in der Arbeit und braucht ebenso eine Beschäftigung, wie andere Arbeitsrassen. Wie viel und welche Art der Auslastung, muss natürlich ausprobiert werden. Neben Nasenarbeit können viele kleinere Rassen auch gut Agility, Longieren oder Dogdancing ausüben.
Fazit
Betrachten wir die einst gezüchteten Arbeitsrassen mit ihren ursprünglichen Verwendungszwecken und Eigenschaften und schauen, welches Leben sie als Familienhund führen, ist so manches verständlicher. Bestimmte Arbeitsrassen können durchaus ein erfülltes Leben als Familienhund führen, wenn sie bedürfnisgerecht ausgelastet und gehalten werden. Es bietet sich in jedem Fall an, sich vor der Anschaffung mit der jeweiligen Rasse auseinanderzusetzen und ganz ehrlich mit sich selber zu sein. Wir neigen dazu, uns vom Aussehen verführen zu lassen. Aber vielleicht eröffnet sich auch die Möglichkeit, einen erwachsenen Hund der gewünschten Rasse kennenzulernen und sich somit einen genaueren Eindruck zu verschaffen.
Pdf zu diesem Artikel: arbeitsrassen_familienhunde