Allzu rund ist ungesund

Von Dr. Hans Mosser

Übergewicht und insbesondere Fettleibigkeit erhöhen die Anfälligkeit des Hundes für bestimmte Erkrankungen.
Studien zeigen interessante Risikofaktoren für die Entwicklung von Übergewicht oder Fettleibigkeit beim Hund auf. Auffällig auch die Schlussfolgerung aus einer Studie:  Billiges Hundefutter macht dicker als höherpreisiges. Und täglich zweimaliges ­Füttern scheint dem Gewicht Ihres Hundes besser zu bekommen als ein- oder drei- und mehrmals pro Tag. Bleibt noch die Frage: Ab wann ist ein Hund ein dicker Hund? WUFF-Herausgeber und Mediziner Dr. Hans Mosser über ein ebenso interessantes wie wichtiges Thema.

Nicht selten zeigt die Entwicklung der Gewichtskurve eines Hundes eine gewisse Paralleli­tät zu der seines Halters, doch – wie man oft hört – meist lediglich, was den Aufwärtstrend betrifft. Denn während seine Menschen der Gewichtskurve ab und an einen (leider oft zu kurz andauernden) Abwärtstrend verpassen, schafft es unser Wuffi in solchen Phasen, ziemlich konstant zu bleiben. Dies aber nur, um dann auf höherem Niveau den Aufwärtstrend fortzusetzen.

Die Aussage, je dicker der Mensch, umso dicker sein Hund, gilt immerhin schon für jeden vierten Halter eines übergewichtigen Hundes (Kienzle 1998). Je nach Studie und Land sind bis zu 44% aller Hunde übergewichtig oder leiden regelrecht an Fettleibigkeit (Courcier 2010). Dieser Trend bei Hunden ist im Zunehmen und
verläuft parallel zu dem der ­Menschen in der westlichen ­Zivilisation.
 
Die Wissenschaft ist sich einig, dass Fettleibigkeit (Adipositas) krank macht. Bei Mensch und Hund ­gleichermaßen besteht ein erhöhtes Risiko zu Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, Diabetes mellitus sowie Atemwegs- und Hauterkrankungen. Auch Gelenksprobleme sind häufige Begleiterscheinungen der Fettleibigkeit. Eine Studie hat herausgefunden, dass fettleibige Hunde an erhöhtem oxidativen Stress leiden, was das Auftreten verschiedenster Erkrankungen und Tumore begünstigt (Cline 2009). Eine Übersicht der wichtigsten ernährungsbedingten Krankheiten des Hundes finden Sie in der Tabelle auf Seite 59.

Andererseits aber können bestimmte Erkrankungen, so etwa eine Schilddrüsenunterfunktion, zu Fettleibigkeit führen. Aus diesem Grund steht vor jeder Behandlung der Fettleibigkeit Ihres Hundes zunächst eine tierärztliche Untersuchung, die organische Ursachen ausschließt. Sollten solche vorhanden sein, werden diese natürlich behandelt.

Risiken für Übergewicht und Fettsucht
Viele Studien haben unterschiedliche Zusammenhänge zwischen Übergewicht und Fettsucht einerseits und Lebensbedingungen von Hund und Halter andererseits herausgefunden (siehe Kasten rechts). Demnach steigt die Neigung zu Übergewicht mit dem Alter des Hundes, aber interessanterweise auch mit dem Alter des Hunde­halters. Hündinnen werden gerne dicker als Rüden, vor allem wenn sie kastriert sind. Auch bestimmte ­Rassen wie u.a. Retrieverrassen, Beagle, Cocker Spaniel oder Dackel (Colliard 2006) neigen mehr zu Übergewicht als andere. Und schließlich sollen auch sozioökonomische Zusammenhänge bestehen, wonach sich übergewichtige Hunde häufiger bei Haltern aus einkommensschwächeren Gesellschaftsschichten finden (Kienzle 1998, Courcier 2010). Auf den Punkt gebracht: Sparen Frauchen oder Herrchen beim Hundefutter, dann sind ihre Vierbeiner meist dicker als dies bei Haltern der Fall ist, die mehr Geld für Hundenahrung ausgeben. Letztlich bedeutet dies: billiges Hundefutter macht dick …

Zusammensetzung des Futters
Eine schwedische Studie wies nach, dass Hunde, deren Halter das Futter selbst zubereiten, ein doppelt so hohes Risiko für Dickleibigkeit haben als bei Fütterung von Fertignahrung
(Hagberg 2006).

Eine Studie der Zusammensetzung von Fertignahrung und selbst zubereitetem Futter bei 79 Hunden in Wien kam zu dem Ergebnis, dass selbst ­zubereitete Nahrung häufig weniger Kalzium, Phosphor sowie fettlösliche Vitamine A, D und E aufweist als von der ­unabhängigen amerikanischen AAFCO (Association of American Feed ­Control Officials) empfohlen. Die AAFCO ist eine Non-Profit-Organisation zur Kontrolle von Sicherheit und Qualität von Heimtierfutter, der auch die FDA (U.S. Food and Drug Administration) angehört. Gemessen an den Kriterien der AAFCO findet sich bei selbst zubereitetem Hundefutter häufig auch ein zu hoher Fett- und Salzgehalt (Streiff 2002).

Wie oft füttern?
Australische Wissenschaftler untersuchten die Häufigkeit der Mahlzeiten pro Tag in Bezug auf Dickleibigkeit und kamen zu folgenden Ergebnissen: 60% der Hundehalter füttern ihre Hunde zweimal täglich, gefolgt von 33%, die dies einmal täglich tun. 2% füttern mindestens dreimal am Tag und 5% stellen ihrem Hund ständig Futter zur Verfügung, d.h. er frisst so oft und so viel er will. 99% der Hundehalter geben zusätzlich Leckerlis. Normalgewichtige Hunde fanden sich häufiger in der Gruppe der Hundehalter, die zweimal pro Tag fütterten, während ein- oder dreimal täglich gefütterte Hunde häufiger über­gewichtig waren (Bland 2009).

Wenn Menschen sich ihre eigene Nahrung zubereiten, sind häufig ihre vierbeinigen Gefährten vor Ort – und dies keineswegs erfolglos, wie eine deutsche Studie zeigt. Weil dadurch einiges für den Hund abfällt, neigen Hunde in solchen Haushalten ebenfalls eher zu Übergewicht (Kienzle 1998).

59% der Hunde werden zusätzlich zu ihren fixen Futterzeiten auch bei Tisch gefüttert. Wer kann schon dem bittenden oder gar fordernden Blick seines Hundes widerstehen? Je nach Ausmaß dieser Gewohnheit kann dies aber bis zu 21% seiner täglichen Kalorienzufuhr betragen ­(Heuberger 2010) und sollte daher in seiner Ernährung berücksichtigt werden.

Bei den vielen interessanten Zusammenhängen zwischen Übergewicht des Hundes und Lebensweise von Mensch und Hund gelten aber doch als die häufigsten Ursachen wohl zwei Aspekte: Ernährung und Bewegung, d.h. Zufuhr von Energie und ihr Verbrauch. Bei Überwiegen der Energiezufuhr kommt es zu vermehrter Ablagerung von Fettgewebe im Körper. 

Ab wann ist ein Hund dick?
Ob der Hund nun fettleibig ist oder nicht, darüber besteht ein ­deutlicher Unterschied in der Sicht des Hunde­halters und der des Tierarztes. ­Frauchen und Herrchen sehen die „dicke Realität“ weniger deutlich als der Tierarzt, wie Studien zeigen (Colliard 2006). Doch ab wann ist ein Hund ein dicker Hund?

Während beim Menschen mit mehr oder weniger aufwändigen Methoden der Fettgehalt des Körpers gemessen und als Beurteilung herangezogen wird – der Body Mass Index –, erfolgt dies beim Hund durch eine subjektive Beurteilung. Der Brustkorb des Tieres spielt dabei eine zentrale Rolle: Demnach ist ein Hund dann normalgewichtig, wenn seine Rippen relativ leicht zu ertasten sind. Sind sie bereits mit bloßem Auge sehr deutlich erkennbar und hervortretend, ist von einem untergewichtigen Tier auszugehen. Bereitet es etwas Mühe, bei einer Fettschicht die Rippen zu ertasten, spricht man von Übergewicht. Und lassen sich die Rippen überhaupt nicht mehr ertasten, dann handelt es sich um Fettleibigkeit.

Problem erkannt ist halb gebannt
Die Hundehalter müssen für Übergewicht und Fettleibigkeit ihrer Tiere sensibilisiert werden, fordern ­Tierärzte. Und tatsächlich verschließen nicht wenige ihre Augen vor den Folgen der Fettleibigkeit oder nehmen sie sogar bewusst in Kauf. D.h. die Erkenntnis, dass es sich bei der Fettleibigkeit des Hundes um ein Gesundheitsproblem handelt, ist natürlich Voraussetzung für eine wirksame Behandlung. Handelt es sich zunächst nicht um eine krankhafte Fettleibigkeit, sondern „nur“ um Übergewicht, so ist nach Angaben des  deutschen Bundesverbandes für Tiergesundheit (BfT) der erste Schritt zum Ideal­gewicht die ausreichende Bewegung. An zweiter Stelle stehe  eine tiergerechte Fütterung, heißt es. Was aber ist eine tiergerechte Fütterung?
 
Gute und schlechte Futter­verwerter
Die Ernährung, so der BfT, sollte zunächst eine optimale Versorgung mit allen Nähr- und Vitalstoffen gewährleisten, egal, ob ein Hund über- oder untergewichtig ist. Die Futtermenge muss individuell festgelegt werden, da es bessere und schlechtere Futterverwerter gibt. Die Futterverwertung beim Hund ist beispielsweise niedrig, wenn er viel von dem Futter aufnehmen muss, um sein Gewicht zu halten. Bei guten Futterverwertern und guter Verdaulichkeit des Futters reicht hierzu eine geringere Futtermenge aus. Bei Übergewicht muss die Energieaufnahme über das Futter verringert werden. Aber Achtung: Einfach die Menge des Normalfutters zu reduzieren, würde zu einer schweren Unterversorgung an Vitaminen und Mineralstoffen mit daraus resultierenden Mangelerscheinungen führen. Nur entsprechende Spezialdiäten gewährleisten bei reduziertem Energiegehalt dennoch eine optimale Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen. Klare Zielvorstellungen über das vom Tierarzt empfohlene Wunschgewicht des Hundes, feste Fütterungszeiten und regelmäßige Gewichtsmessungen erleichtern die Kontrolle.

Tierärztliche Kontrolle ist wichtig
Zur Behandlung einer echten Fettleibigkeit reichen diese Maßnahmen allein meist nicht aus. Hier empfehlen Tierärzte spezielle Reduktions­diäten, die aber nur bei sonst gesunden Tieren und – bei langfristigem Einsatz – unter tierärztlicher Kontrolle angewendet werden. Eine weitere mögliche Maßnahme ist die Energieverdünnung des Futters. Dies wird über die Beimischung von Rohfaser­trägern (pflanzliche Produkte) erreicht. Besonderer Vorteil ist das verbesserte Sättigungsgefühl und dass eine größere Menge dieses Futters aufgenommen werden kann. Eine Adipositastherapie kann letztlich aber nur dann erfolgreich sein, wenn sich der Hund auch mehr bewegt.
 
Fazit: Gewichtsmanagement
Konsequente Futterreduktion bei ausreichender Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen, regelmäßige Bewegung sowie Gewichtskontrollen sind die drei wesentlichen Pfeiler eines erfolgreichen Gewichtsmanagements des Hundes. Auch Leckerlis sind in der Energiebilanz zu berücksichtigen. Da jedoch der Blick eines Hundes, der nun bei einer Diät plötzlich vor einer halbleeren Futterschüssel steht, nur schwer zu ertragen ist, greifen viele zu Spezialnahrung für übergewichtige Hunde. Dabei wird zwar der Energiegehalt des Futters (auf gut deutsch, die Kalorien) reduziert, nicht aber die Menge des Futters. So bleibt für den Hund die Futterschüssel weiterhin voll und Ihnen der traurige Hundeblick erspart.

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