Alltagsgeschichten – Sir Isaac Newton und das Tauschgeschäft

Von Dr. Lisa Klotz

„Sir Isaac Newton" – unser Hund – ist ein süßer Schlingel. Er hat immerzu Lust, ­Fangen zu spielen. Wenn ich gerade ­keine Zeit oder Muße habe, stibitzt er sich einfach kurzerhand eine Socke oder einen Hausschuh und macht sich unter einer Verbeugung damit aus dem Staub. Hat man seinen „Mundraub" nicht bemerkt, kommt er zurück und zeigt kurz seine ­Beute, um dann wie ein Derwisch große Kreise um seine Spielzeugkiste zu rennen …

Über dieses Verhalten gibt es, wie über nahezu jedes canide ­Verhalten, eine Vielzahl von zum Teil widersprüchlichen Interpre­ta­tionen. Die Angestellte einer Hunde­schule, die wir einmal ausprobiert ­hatten, als unser Hundetrainer im Urlaub war – mein Mann nennt die Frau auch gerne den „Drill-Sergeant" – ­wurde richtig wütend, als ich ihr davon er­zählte. „Der Hund will Dich ver­arschen!" sagte sie und blickte finster drein. Damals war Newton noch ein kleiner Welpe.

Unsere eigene Interpretation sagt uns da naturgemäß besser zu. Mein Mann und ich gehen davon aus, dass Newton einfach sehr gerne Fangen spielt. Er liebt es, verfolgt zu werden und an den Möbeln vorbeizurennen, sich unter dem Tisch durchzuducken und wieder und wieder Kreise um seine Spielzeugkiste zu drehen und um sich selbst. Er ähnelt eben eher einem canis ludens als einem despotischen Machthaber.

Wenn keine Zeit ist, machen ­Newton und ich einen Tausch. Wenn ich „Tausch" sage, lässt er meinen Hausschuh auf den Boden fallen und wartet darauf, bis ich ihm ein wirklich tolles Leckerli bringe. Bei Socken dauert die Angelegenheit leider etwas länger. Ich weiß nicht, welchen Reiz diese ­Dinger für ihn besitzen, aber Socken hält ­Newton fest zwischen seinen Zähnen. Wie ein Schraubstock. Ich muss dann seinen Mund öffnen, während er mich mit geschlossenen Zähnen anlächelt. Nein, wir hatten nicht bislang einfach nur Glück, nicht gebissen worden zu sein. Es ist tatsächlich ein Lächeln.

Neulich, als ich krank im Bett lag und Sir Isaac Newton zur Beschäftigung einen Rinderhautknochen bekommen hatte, initiierte diesmal er den Tausch. Der Hausschuh lag auf dem Bett und Newton legte ganz vorsichtig seinen Knochen neben mein Gesicht aufs Bett und nahm dann ebenso vorsichtig aber selbstverständlich meinen Hausschuh. Langsam schlenderte Newton dann ­hinaus auf den Gang – meinen Hausschuh im Mund. Eine kurze Überlegung, dann revidierte ich mein Vorhaben, ihm den Schuh wieder abzunehmen. Sir Isaac Newton hatte in meinen Augen damit gerade den Beweis erbracht, die ökonomische Bedeutung von Tausch im Allgemeinen verstanden zu haben.

Newton muss keinen Derrida lesen (Anm.: Derrida gilt als Begründer der Philosophie der Dekonstruktion), er versteht auch so den Unterschied zwischen einer Leckerli-Gabe, die er manchmal einfach so geschenkt bekommt, und einem Tausch von Gegenständen.
Hausschuhe habe ich mittlerweile ­übrigens neue …

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