Die Kolumne zum Thema „Alltagsprobleme mit dem Hund“. WUFF-Autorin Yvonne Adler, Tierpsychologin, akademisch geprüfte Kynologin und Hundetrainerin, beantwortet Ihre Fragen. Schicken Sie uns Ihr Alltagsproblem mit Ihrem Hund , kurz formuliert und mit 1 bis 2 Bildern. In dieser Ausgabe geht es darum, dass eine kleine Hündin unterwegs mit ihrem Frauchen ausschließlich in einer kleinen Tasche ruhig bleibt. Ohne Tasche jedoch kann sie nicht einmal kurz alleine bleiben, ohne sofort Stress zu machen.
Liebe Frau Adler!
Ich bin Besitzerin einer zweijährigen Papillon-Mix-Hündin namens Florence, genannt Floh! Sie hat gelernt in Ihrer Tragetasche immer und überall kurz alleine zu bleiben und macht dabei auch keine Probleme. Die Tasche ist recht groß und geräumig, was Floh schön findet. Für mich ist es jedoch schwierig, diese immer und überall mitzunehmen, da sie unhandlich und relativ schwer ist. Ohne diese Tasche ist es für Floh jedoch schwierig, kurze Zeiträume alleine zu bleiben. Wenn ich zum Beispiel in einem Restaurant kurz die Toilette besuchen möchte, lässt Floh sich von niemandem festhalten, weint, heult und versucht sich loszureißen. Warum kann sie nicht auch ohne Tasche kurz alleine auf mich warten? Haben Sie eine Lösung für mein Problem?
Vielen Dank und liebe Grüße,
Sabine Kurz
Liebe Frau Kurz,
Hunde bauen sich im Laufe ihres Lebens eine Garnitur an sogenannten „Geborgenheitsreizen“ auf. Dies sind Dinge, die im Hund ein Gefühl von Sicherheit erzeugen und ihn dadurch in positive Stimmung versetzen. Sie gehören zur emotionalen Grundausstattung des Hundes und werden mit positiven Emotionen verbunden. Dazu zählen unter anderem (wenn es mit positiven Erfahrungen gelernt wurde) das Zuhause, das Körbchen, das Bettchen, Spielsachen, Futterschüsseln, wichtige Bezugspersonen und vieles mehr. Alle diese Reize sind im Kopf des Hundes abgespeichert und werden mit einem positiven emotionalen Zustand verbunden. Wenn keines dieser Dinge bzw. keine dieser Personen anwesend ist, kommt es bei manchem Hund zum „Kontrollverlust“, er gerät aus dem emotionalen Gleichgewicht und fürchtet oder ängstigt sich.
Für Floh ist ihre Tasche scheinbar ein wichtiger „Geborgenheitsreiz“, da diese ihr vertraut ist, eine Rückzugsmöglichkeit bietet und vermutlich auch als eine Art „Zuhause“ angesehen wird. Sie fühlt sich darin wohl und geschützt, weshalb es auch kein Problem für sie ist ruhig darin zu bleiben, auch wenn Frauchen plötzlich fort ist. Wenn nun die vertraute Tasche nicht mit dabei ist, sind Sie vermutlich der einzig verbleibende „Geborgenheitsreiz“ für Floh.
Das Ziel sollte also sein, Floh anzutrainieren, dass es kein Problem ist, wenn man kurz alleine bleiben muss – auch wenn kein vertrauter Gegenstand bzw. keine vertraute Person anwesend ist. Dazu ist es essentiell, zuerst ein Kommando für das Verbleiben aufzubauen. Dieses Kommando signalisiert dann Floh, dass alles in Ordnung ist und Frauchen gleich wieder kommt. Dazu soll ein Ritual eingeübt werden und Sie sollten die Übung anfangs in Ihrem Zuhause trainieren, wo wenig Ablenkung stören kann.
Das Training wird folgendermaßen aufgebaut: lassen Sie Floh Sitz oder Platz machen und lehnen Sie Ihren Oberkörper nach hinten. Wenn Ihr Hund brav sitzen bleibt, sagen Sie freundlich das Kommando „Bleib“ dazu und belohnen Sie gleich danach mit einem Leckerchen. Diese Übung setzen Sie einige Tage so fort. Wenn es gut funktioniert, beginnen Sie damit sich einen Schritt zu entfernen und ebenfalls das Kommando „Bleib“ zu sagen. Bleibt Floh sitzen, erhält sie wieder ein Leckerchen. Diese Übung sollten Sie täglich ein paar Mal trainieren und dabei den Schwierigkeitsgrad stetig erhöhen, wenn Sie das Gefühl haben, dass Floh das Kommando verstanden hat. Sie können also entweder die Schrittanzahl stetig steigern oder den Zeitraum ausdehnen, den Sie von Floh entfernt bleiben. Bleibt sie brav an ihrem Platz sitzen, erhält sie als Belohnung immer ein Leckerchen. Sollte sie aufstehen und zu Ihnen kommen, setzen Sie Floh einfach wieder ruhig und entspannt an den Ausgangsplatz zurück und starten die Übung mit geringerem Schwierigkeitsgrad. Leckerchen gibt es jedoch nur fürs „Bleiben“.
Wenn dieses Training gut klappt und Sie sich schon einige Schritte entfernen können, können Sie mit der nächsten Schwierigkeitsstufe starten: setzen oder legen Sie Floh ab und gehen Sie außer Sichtweite (z.B. in ein angrenzendes Zimmer). Zu Beginn dieser Übung sollten Sie gleich wieder zu Floh zurückkommen und sie belohnen. Hier keinesfalls überschwänglich loben, da für Floh das kurze Warten ja etwas Normales bedeuten sollte. Und wenn Sie völlig aus dem Häuschen sind, wenn Floh kurz außer Sicht alleine bleiben konnte, kann Ihr Hund über Ihre Grundstimmung sehr schnell erkennen, dass dies anscheinend etwas ganz Besonderes ist. Doch dies ist es nicht. Das Ritual wird ganz normal, mit Ruhe und positiver Emotion aufgebaut. Daher sollten auch Sie auf Ihre Stimmung und Ihre Gefühle beim Training achten. Diese sollten ebenso ganz entspannt sein. Wenn alles gut funktioniert, kann der Zeitraum, den Sie außer Sicht bleiben, immer weiter ausgedehnt werden.
Ist das Training zu Hause erfolgreich, können Sie starten das „Bleib“-Kommando außerhalb der Wohnung zu üben. Da hier die Ablenkung viel höher ist, sollten Sie wieder mit der einfachen Übung starten und sich nur einige Schritte innerhalb des Sichtfeldes entfernen. Funktioniert auch dies gut, können Sie erneut starten und aus dem Sichtfeld des Hundes gehen. Wichtig ist nur, dass Floh gut gesichert ist (z.B. an einer Laterne, an einem Gartenzaun etc.) bzw. sich in einem eingezäunten Bereich befindet, damit Sie nicht auf die Straße laufen kann.
Wenn das Training erfolgreich war und Sie den Zeitraum auf ca. 5 Minuten ausgedehnt haben, können Sie das Erlernte auch im Restaurant etc. umsetzen. Wichtig ist auch hier, dass Sie Floh gut sichern, dass sie Ihnen nicht folgen kann, sollte sie doch mal aufstehen und Ihnen nachgehen wollen (z.B. am Tisch).
Ich wünsche Ihnen ein erfolgreiches Bleib-Training und dass für Floh das Kommando „Bleib“ bald Sicherheit und Geborgenheit bedeutet. Denn dies macht Floh zusätzlich viel entspannter, weil sie sich sicher sein kann, dass ihr Frauchen immer wieder zu ihr zurückkommt.
Herzlichst, Yvonne Adler