Gefühlt hat sich in den letzten Jahrzehnten das Bild, wie ein Hund optimalerweise auszusehen hat, dramatisch verschoben. Und zwar nach oben. Das stelle ich im Alltag genauso fest, wie zum Beispiel auch regelmäßig in diversen Beaglegruppen in den sozialen Netzwerken.
Als Tierärztin, der die Folgen von Übergewicht bekannt sind, und als Halterin eines schlanken Beagles bin ich regelmäßig entsetzt, was alles an Gewichtsentgleisungen nach oben als normal oder gar »süß« angesehen wird. Mir wurde ja auch schon im Brustton der Überzeugung erzählt, dass ich gar keine Beagles haben kann, weil die beiden ja schließlich viel zu dünn für Beagles seien und es sich darum eindeutig um Beagle/Windhund-Mixe handeln müsse. Und mit dem Dönertier, das ja eine gegensätzliche Fresskultur an den Tag legte und in der Tat eher untergewichtig war (was in ihrem Fall auf jeden Fall der bessere Weg war), wurde mir regelmäßig mit dem Tierschutz gedroht, wohingegen neben ihr laufende Labradore, auf denen man zwei Maßkrüge nebeneinander abstellen kann, grundsätzlich als »süße Wonneproppen« wahrgenommen wurden.
Aber ein dicker Hund ist keineswegs ein »süßes Moppelchen«, sondern ein Hund mit einem deutlich erhöhten Risiko für verschiedene Krankheiten. Dazu gehören unter anderem Probleme mit dem Bewegungsapparat (Arthrosen, Kreuzbandrisse etc.), ein erhöhtes Diabetes-Risiko, ein höheres Risiko für Demenz im Alter, Tumorerkrankungen, Leberprobleme, Hautprobleme oder ein erhöhtes Narkoserisiko. Auch Verhaltensprobleme kann Übergewicht nach sich ziehen, denn ein Hund, der bei Bedrohung im Zweifelsfall nicht mehr flüchten kann, wird sich anders verhalten, als einer, der dazu in der Lage ist. Und nicht zuletzt hat eine aktuelle Studie bestätigt, was eigentlich sowieso klar sein sollte: Übergewicht verkürzt die Lebensspanne eines Hundes um bis zu zwei Jahre (Salt, C., Morris, P. J., Wilson, D., Lund, E. M., & German, A. J. (2019). Association between life span and body condition in neutered client-owned dogs. Journal of Veterinary Internal Medicine, 33(1), 89-99) oder um 20%!
Wir reden hier also nicht von einem rein ästhetischen Problem, sondern von gravierenden Auswirkungen auf die Gesundheit Ihres Tieres! Wer seinen Hund also liebt und gerne noch länger was von ihm haben möchte, sollte sich also spätestens jetzt Gedanken über eine Gewichtsreduktion machen!
Wann ist ein Hund zu dick?
Häufig scheinen Hundehalter den Ernährungszustand ihres Hundes nicht ausreichend beurteilen zu können, zumal sich beim eigenen Hund ja auch gerne eine gewisse »Betriebsblindheit« einstellt. Orientieren kann man sich zur Frage »Übergewicht ja oder nein?« am sogenannten Body Condition Score (BCS). Um den BCS zu ermitteln, wird der Körper des Hundes seitlich und von oben palpatorisch (fühlend) und adspektorisch (schauend) analysiert. Die Skala reicht von BCS 1 (stark untergewichtig) bis zu BCS 5 (stark übergewichtig). Erstrebenswert ist ein BCS von 3, denn dieser steht für einen idealen Ernährungszustand.
Dabei sollten die Rippen des Hundes gut tastbar sein (und damit meine ich nicht »wenn man lange genug bohrt, stößt man irgendwann auf Rippen«!), beim kurzhaarigen Hund darf man das letzte Rippenpaar auch sehen. Die Beckenknochen und die Wirbelfortsätze sollten keine vermehrten Fettabdeckungen aufweisen. Bei seitlicher Betrachtung sollte die Bauchlinie des Hundes vom Rippenbogen zur Leiste ansteigen, von oben sollte die Taille deutlich erkennbar sein. Und sicherheitshalber – weil ich auch das schon als Erklärung gehört habe: bei entsprechenden Hunden ist nicht der Kopf zu klein, sondern der Körper zu groß. Der erste Schritt zur Gewichtsreduktion ist die knallharte Wahrheit und damit die Einsicht, dass der Hund tatsächlich übergewichtig ist!
All das ist bei Ihrem Hund kein Problem? Dann gratuliere ich Ihnen, und Sie müssen ab hier gar nicht weiterlesen 🙂
Liegt aber das Gewicht 10 % über dem Idealzustand, spricht man bereits von einer beginnenden, bei 20 % von einer manifesten Fettleibigkeit (Adipositas). Stellen wir uns also vor, Ihr Hund sollte 15 kg auf die Waage bringen, in der Realität sind es aber 22 kg. Wenn wir das auf uns Menschen übertragen, würde ein Mensch mit einem Idealgewicht von 70 kg stattdessen 102 kg auf die Waage bringen. Gewichtig, oder? »Nur« sieben Kilo Übergewicht, das klingt beim Hund zunächst nicht dramatisch, ist es aber! Denn hier liegt mit der Adipositas eine Erkrankung vor, die dringend behandelt werden sollte! Wir erinnern uns an die deutlich verkürzte Lebenserwartung adipöser Tiere …
Auch hierzu nochmal »knallharte Fakten«: Eine Studie aus England zeigt, dass das Körpergewicht von Hunden ihre Vitalität und Lebensqualität deutlich beeinflusst. An der Studie nahmen 50 übergewichtige Hunde teil, eine Gruppe erhielt eine Diät, und die Pfunde purzelten. Diese Gruppe gewann deutlich(!) an Vitalität und Lebensfreude. Bei der Vergleichsgruppe hingegen, bei der eine Diät nicht anschlug, stellten die Forscher neben einer verringerten Vitalität auch eine höhere emotionale Unausgeglichenheit fest. (Quelle: German et al. 2012, Vet J.). Auch hier nochmal: Adipositas beim Hund ist keineswegs ein rein ästhetisches Problem!
Was man vorher abklären sollte
Natürlich gibt es auch Erkrankungen, die zu Übergewicht führen, aber darauf sollte man sich keinesfalls ausruhen, denn auch in diesen Fällen ist eine Gewichtsreduktion kein Problem bzw. sogar recht einfach, wenn die Erkrankung des Patienten gut eingestellt ist. So sollte man ggf. vor der Diät die Schilddrüsenwerte und andere hormonelle Entgleisungen (wie zum Beispiel M. Cushing) abklären und behandeln. Auch bestimmte Medikamente, wie zum Beispiel Cortison oder diverse Antiepileptika, können zu Übergewicht führen. Aber auch das ist keine Entschuldigung, denn gerade für Hunde mit einer bestehenden Grunderkrankung ist es umso wichtiger, sie in einem guten Ernährungszustand zu halten! In den meisten Fällen aber heißt die Erkrankung ehrlich gesagt schlicht »Oma oder Halter ohne Impulskontrolle«. Und die ist eigentlich einfach zu behandeln – wenn der Wille dazu da ist!
Auch eine Kastration steigert das Risiko für Übergewicht, weil die Sexualhormone eben auch maßgeblich an der Regulation des Stoffwechsels beteiligt sind und sich der Energiebedarf in der Regel nach einer Kastration ändert. Eine Faustregel lautet, dass ein Kastrat einen um ca. ein Drittel reduzierten Energiebedarf hat. Aber Achtung: natürlich gibt es auch kastrierte Hunde mit Normal- oder gar Untergewicht! Und dass hier dann keine Diät notwendig ist, versteht sich von selbst.
Wie Gewicht reduzieren?
Jede Gewichtsreduktion beim Hund beginnt mit der Einsicht und dem Bewusstsein des Halters! Viele Menschen nehmen über die Jahre tatsächlich gar nicht mehr wahr, dass aus dem einst athletischen Sportler nach und nach eine wabbelige Couchpotato wurde, genauso wenig, wie sie wahrnehmen, wie viel Bello ständig »rechts und links« der normalen Fütterung an Leckereien zugesteckt bekommt. Es bringt nichts, wenn man zwar die Ration kürzt, aber weiterhin fünf Schweineohren pro Tag füttert, außer der Tatsache, dass der Hund dann mit dem, was er an Nährstoffen tatsächlich benötigt, unterversorgt ist. Schreiben Sie also einfach mal eine Woche alles konkret auf, was tatsächlich im Hund landet! In der Regel ist das deutlich mehr als der Besitzer »meint«, und viele Halter sind selbst überrascht, wenn sie Realität schwarz auf weiß sehen.
Ein weiterer, häufig gemachter Fehler ist, sich strikt an die Fütterungsempfehlungen auf der Verpackung zu halten, unabhängig davon, wie sich die Gewichtskurve des Hundes entwickelt. Die Angaben sind nur Anhaltspunkte, der tatsächliche Bedarf variiert deutlich und ist natürlich auch von Faktoren wie Aktivität, Haltung oder Alter beeinflusst. Wenn Ihr Hund trotz der angegebenen Fütterungsempfehlungen zu- oder nicht abnimmt, bekommt er schlichtweg nach wie vor zu viel Energie – oder verbraucht zu wenig davon. Und damit sind wir bei einem ganz entscheidenden Punkt: Auch beim Hund ist bei der Gewichtsreduktion die Bewegung das A und O! Achten Sie also darauf, dass Ihr Hund sich (in einem für ihn und seinen Gesundheits- bzw. Gewichtszustand angemessenen Tempo!) ausreichend bewegt. Und verabschieden Sie sich ganz schnell von dem Gedanken, dass Sie mangelnde Aufmerksamkeit / Bewegung / Auslastung mit Futter kompensieren können!
Was Sie jetzt brauchen, ist also ein Diätplan, in dem Sie Ziele und Dauer der Diät festhalten. Als Faustregel gilt, dass ein Hund bei richtigem Management wöchentlich ungefähr 1 - 1,5% seines Körpergewichtes abnehmen kann – und sollte! Im Prinzip ist die Rechnung ganz einfach: Man sollte weniger in den Hund reinfüttern, als er benötigt! Wenn Sie jetzt aber einfach FdH (Friss die Hälfte) füttern, haben Sie das Problem, dass Sie nicht nur den Energiegehalt der Ration kürzen, sondern auch alles andere, also Vitamine, Spurenelemente, Mineralien etc. Für eine kurzfristige Gewichtsreduktion ist das sicher kein Problem, wenn Sie das aber auf Dauer so machen, wird der Hund unterversorgt sein. Besser ist es also, wenn Sie ein kalorienreduziertes Futter kaufen oder – wenn Sie die Ration selbst zusammenstellen, also barfen oder für den Hund kochen – sich eine vernünftige Ration zur Gewichtsreduktion berechnen lassen. Viele Tierärzte bieten das in ihrer Praxis an, lassen Sie sich beraten! Und nochmal: Seien Sie ehrlich zu sich selbst und lassen Sie »hier mal ein Leckerchen, dort mal was zum Kauen« einfach weg bzw. ziehen Sie es von seiner normalen Ration ab. Wenn Sie doch auch Kauartikel geben möchten, ist zum Beispiel getrocknete Lunge gut geeignet, weil sie sehr kalorienarm ist. Es spricht auch nichts dagegen einem Hund, der es mag, mal eine Karotte oder Ähnliches zwischendurch zu geben.
»Aber er schaut immer so hungrig!«
Ja, das wird er wohl tun – das tue ich auch, wenn ich auf Diät bin! Es liegt leider in der Natur von Kaniden, nie wirklich satt zu sein, denn im Gegensatz zu uns Menschen haben sie keine Dehnungsrezeptoren im Magen, die irgendwann Sättigung signalisieren. Das wäre für eine Tierart, die sich in der freien Wildbahn einmal in der Woche, wenn gerade Beute gemacht wurde, den Bauch so richtig vollschlägt, um bis zum nächsten Beutefang über die Runden zu kommen, auch ziemlich kontraproduktiv. Dennoch haben auch Kaniden verschiedene hormonelle Mechanismen, die irgendwann Sättigung signalisieren, und irgendwann ist der Magen auch schlichtweg voll und es passt nichts mehr rein. Sonst gäbe es vermutlich schon lange keine Beagles und Retriever mehr …
Apropos Beagle und Retriever: Beide Rassen sind für ihr »Fressgen« bekannt, und das kommt nicht von ungefähr. In der Arbeitsgeschichte dieser Hunde war es immer auch Zuchtziel, dass der Hund in der Lage ist, sich die Kalorien, die er bei einem Tag »auf Schicht« verloren hat, über Nacht wieder anzufressen. Mäkelige oder schlechte Fresser gingen nicht in die Zucht. Und damit kämpfen wir bis heute … Und dennoch ist es auch problemlos möglich, einen Labrador oder einen Beagle auf Idealfigur zu halten – und sollte es auch, wenn man wirklich an seinem Hund hängt und gerne noch länger etwas von ihm hätte! Dennoch glaube ich, dass Lebensqualität auch viel mit Sättigung und vor allem einer sicheren Ernährungslage zu tun hat. In diesem Fall oder z.B. bei Hunden, die aufgrund von Medikamenteneinnahmen mit Übergewicht zu kämpfen haben (siehe oben), kann es helfen, den Ballaststoffgehalt zu erhöhen, weil Ballaststoffe den Magen füllen, aber eben nicht die Fettdepots. Dies kann zum Beispiel Futterzellulose bewerkstelligen.
Ideal zum Abnehmen ist also ein kalorienarmes Futter mit hohem Rohfaser- und Proteingehalt und dabei reduziertem Fett- und Kohlenhydratanteil. So kann die Energiedichte des Hundefutters reduziert werden, der benötigte Anteil an Protein und anderen Nährstoffen bleibt jedoch erhalten. Das gilt natürlich auch für selbst zusammengestellte Rationen (Rationsberechnung!). Damit Ihr Vierbeiner trotzdem Freude am Fressen hat, zugleich ausgelastet wird und sich ausreichend bewegt, können Sie aus der Fütterung auch ein »Event« machen: Füttern Sie Ihren Hund nicht aus dem Napf, sondern lassen Sie ihn seine im Garten verstreute Ration suchen! Damit sind gleich mehrere Bedürfnisse eines Hundes befriedigt, und er ist zugleich länger mit der Nahrungsaufnahme beschäftigt. Sie werden sehen, Hunde lieben das! Hier läuft das übrigens folgendermaßen ab: Ich stehe oben auf der Terrasse, brülle »Kamelle!«, und die Meute flitzt erwartungsvoll runter in den Garten, um die »Kamelle« zu suchen. Und ich wundere mich, dass ich von meinen Nachbarn immer mit leichter Skepsis angeschaut werde … 😉
Last but not least
Überprüfen Sie den Erfolg der Gewichtsreduktion durch regelmäßige Gewichtskontrollen! Die Waage ist unerbittlich, wie wir alle wissen, wohingegen der prüfende Blick auf den eigenen Hund immer subjektiv gefärbt ist und wir alle gerne nur das sehen, was wir sehen wollen. Im Zweifelsfall lassen Sie sich von Ihrem Tierarzt unterstützen, beraten und begleiten. Ihr Hund wird es Ihnen mit einer gesteigerten Fitness, einer größeren Vitalität und einer gesteigerten Lebenserwartung danken! Und letztendlich wollen wir doch alle, dass unser Hund möglichst lange und mit größtmöglicher Gesundheit an unserer Seite ist, oder?!