Abschied … … und die Zeit danach

Von Nina Folle

»Wenn Tiere in unser Leben kommen, treten wir eine Reise voller Abenteuer, Lernprozesse und Liebe an. Die Tiere erreichen unser tiefes Inneres und verändern uns auf eine kaum beschreibbare Weise. Unsere Liebe wächst. Und wenn sie dann von uns gehen, sind wir verloren und verzweifelt. Mit der Zeit untersuchen wir, was geschehen ist und erkennen die Bedeutung. Dann staunen wir über diese bewundernswerten Wesen. Was für eine Ehre erteilen sie uns, wenn sie ein Stück unseres Lebenswegs mit uns gehen.« (Barbara Janelle)

Ich habe immer wieder einen Kloß im Hals, wenn ich diese Worte lese – und ich habe sie schon sehr oft gelesen. Sie stehen im Buch »Tiere erzählen vom Tod. Wie Tiere ihr Sterben erleben und den Weg ins Licht finden.« von Penelope Smith. Jeder, der sein Leben mit einem Tier teilt, wird früher oder später mit dessen Sterben und Tod konfrontiert. Ein Thema, das genau wie der Tod eines Menschen in unserer Gesellschaft gerne weggeschoben, verdrängt, gar tabuisiert wird. Das Sterben gehört untrennbar zum Leben, der Tod ist nichts anderes als die Transformation in eine andere Daseinsform. Könnten wir nicht versuchen, das Thema aus diesem Blickwinkel zu betrachten? Es würde so viel verändern, es würde den Weg und den Abschied in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen.

Als Tierkommunikatorin habe ich bereits einige Erfahrungen mit dem Sterben und dem Tod von Tieren gemacht und auch aus diesem Grund spreche ich bewusst zum einen vom Sterben und zum anderen vom Tod. Beides gehört zusammen, geht unmittelbar ineinander über, meint aber nicht das Gleiche. Der Sterbeprozess beginnt bereits vor dem Tod – das kann je nach Situation Stunden, Tage, Wochen oder auch Monate vorher sein. Der Tod ist der Moment, in dem die Seele des Tieres seinen irdischen Körper endgültig verlässt. Durch verschiedene Gespräche mit sterbenden Tieren kann ich sagen, dass Tiere sehr genaue Vorstellungen darüber haben, wann und wie sie von dieser Welt gehen möchten. Und diese Vorstellungen beinhalten in den seltensten Fällen die Euthanasie durch einen Tierarzt.

Vorab sei gesagt, dass ich als examinierte Krankenschwester mehrere Jahre auf zwei verschiedenen Intensivstationen gearbeitet habe und dort sehr viele Menschen habe sterben sehen. Friedvoll, leise, »schön« – aber auch qualvoll, laut, lange und fürchterlich. Aus diesem Grund bin ich absoluter Befürworter von Sterbehilfe auch in der Humanmedizin. Dem freien Willen sollte gerade im allerletzten Lebensabschnitt besondere Beachtung geschenkt werden. Eine Legalisierung von aktiver Sterbehilfe würde jedoch in keinem Fall bedeuten, dass kein Mensch mehr auf natürlichem Wege sterben darf – und so sollte es auch bei Tieren sein. Dieser kleine Exkurs soll deutlich machen, dass ich keineswegs gegen Euthanasie beim Tier bin. Es ist gut, dass diese Möglichkeit besteht und es gibt Situationen und Krankheitsbilder, bei denen sie ein Segen und der absolut einzig richtige Weg ist. Dennoch dürfen auch Tiere auf natürlichem Weg sterben – leider viel zu selten. Angst, Unwissenheit, Verzweiflung auf Seiten der Tierhalter und das Befolgen »falscher«, gut gemeinter Ratschläge sind hierfür meist Gründe. Auch mit überforderten, verzweifelten Tierhaltern, die durch Tierärzte, Familie und Freunde/Bekannte zur Euthanasie ihres Tieres gedrängt, ja geradezu überredet werden und sich hinterher mit Zweifeln und Schuldgefühlen quälen, habe ich immer wieder Kontakt. Situationen, die in vielen Fällen vermieden werden können. Durch Aufklärung von Tierhaltern, ein besseres Bewusstsein über das Sterben und den Tod von Tieren und nicht zuletzt durch eine liebevolle Begleitung der Tiere und ihrer Menschen auf diesem so schwierigen Weg.

Auch Tiere haben einen Willen, sie haben Vorstellungen und Wünsche, die gerade auf dem letzten Weg viel zu selten berücksichtigt und in Entscheidungen mit einbezogen werden. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es bei einem Hund, einer Katze, einem Kaninchen – kurz bei den ­Tieren, die im Volksmund »Haustiere« genannt werden – um einiges einfacher ist, sie bei einem natürlichen Sterben zu begleiten als beispielsweise bei einem Pferd, welches seiner Natur gemäß ein Fluchttier ist, das unter Umständen Ängsten oder auch Gefahren ausgesetzt ist, wenn es sich nicht mehr schnell bewegen kann, sich nicht mehr hinlegen bzw. nur noch schwer aufstehen kann. Dazu kommt, dass man sein Pferd (wie andere Großtiere auch) nicht wie ein Haustier permanent um sich haben und zur Not überall mit hin nehmen kann. Die engmaschige Betreuung, die in vielen Fällen erforderlich ist, ist hier schwer möglich. Damit möchte ich aufzeigen, dass der Weg des Sterbens immer individuell und von verschiedenen äußeren und persönlichen Faktoren abhängig ist.

Ich möchte nicht behaupten, dass es einfach ist, ein Tier beim Sterben zu begleiten. Zu erkennen, ob das Tier von selbst gehen kann oder doch der Zeitpunkt gekommen ist, an dem es tierärztliche Unterstützung benötigt, ist eine Herausforderung. Aber es ist eine Erfahrung, die uns wachsen lässt. Die unsere eigene Vorstellung über das Leben, das Sterben und den Tod in bedeutsamem Maße verändern wird. Ein Lebewesen – ob Tier oder Mensch – auf diesem letzten Stück seines Erdenwegs zu begleiten, dabei einzig und allein auf die Bedürfnisse und Wünsche des Sterbenden einzugehen, seine Ängste, Aufs und Abs mitzuerleben, mitzutragen und aufzufangen ist einer der größten Dienste, die wir denen, die wir lieben, erweisen können.

Wir tragen Verantwortung – nicht nur für uns selbst, sondern auch für unsere Mitgeschöpfe. Unsere Tiere sind in allen Belangen von uns abhängig. Ihr ganzes Leben lang umsorgen, verwöhnen, begleiten und lieben wir sie mit größter Hingabe. Diese Verantwortung, die wir für sie tragen, sollten wir uns gerade auf dem letzten Weg, bei der letzten Entscheidung, noch einmal sehr bewusst machen. Der Dank unseres Tieres ist uns gewiss. An dieser Stelle erscheint es mir wichtig zu erwähnen, dass es auch jene Tierhalter gibt, die so sehr an ihrem Tier hängen, dass sie nicht erkennen, dass es durch Krankheit oder Schmerzen kein lebenswertes Leben mehr führen kann, jedoch den Übergang alleine nicht schafft – sei es, weil der Körper an sich noch jung und vital ist oder weil das Tier den Schmerz seines Menschen spürt und deshalb einfach nicht loslassen kann. »So lange es mehr blaue Tage gibt als graue«, das habe ich immer zu unserem Duke gesagt. Vielleicht ist das ein gutes Kriterium. Natürlich dürfen auch alte oder kranke Tiere schlechte Tage haben, ohne dass sie deshalb gleich sterben müssen oder möchten – genau wie das bei alten, kranken Menschen auch der Fall ist. Es ist ein Auf und Ab, die grauen Tage auszuhalten ist oft nicht einfach. Manchmal ist der Blick auf das eigene geliebte Tier getrübt, verwischt. Durch den permanenten Kontakt kann man vielleicht nicht mehr mit klarem Blick erkennen, wie schlecht es dem Tier wirklich geht. Deshalb gilt es immer wieder, innezuhalten, zu versuchen, mit objektivem Blick sein Tier zu betrachten und immer das Wohl des Tieres an erste Stelle zu setzen. »Ich werde dich gehen lassen, auch wenn dabei mein Herz zerbricht« – nichts ist schwieriger, und dennoch ist genau das ein großer Teil der Verantwortung, die wir unserem Tier gegenüber tragen.

Weil man in der akuten Situation oft hilflos, überfordert und von Gefühlen überwältigt ist, ist es ratsam, sich über die Frage »und danach?« bereits lange im Voraus Gedanken zu machen. Ob das Tier beim Tierarzt eingeschläfert wurde oder zu Hause, ob es auf natürlichem Weg sterben durfte – immer stellt sich die Frage, was mit dem Körper des Tieres nach seinem Tod geschehen soll. Sich damit zu beschäftigen stellt für viele – auch für mich – eine große Herausforderung dar. Man möchte es am liebsten wegschieben, nicht darüber reden und nachdenken. Trotzdem ist es gut und hilfreich, die verschiedenen Möglichkeiten mit klarem Kopf kennenzulernen und gegeneinander abzuwägen. Ich finde es wichtig, sich die Zeit zu nehmen, die man braucht, um sich von seinem Tier zu verabschieden. Das tut jeder in seinem Tempo und nach seinen Bedürfnissen und Vorstellungen. Es gibt wunderschöne Rituale, um die Zeit des Abschiednehmens zu gestalten und niemand sollte es als unangemessen bezeichnen, das für ein Tier zu tun. Ein Aspekt, auf den ich gerne etwas später noch eingehen möchte.

Immer mehr Tierhalter entscheiden sich dazu, ihr Tier in einem der inzwischen zahlreichen Haustierkrematorien einäschern zu lassen. Das geht mittlerweile sogar für Großtiere wie Pferde oder Esel. Hier gibt es verschiedene Varianten, einige möchte ich kurz beschreiben: man kann einen Termin zur Einzeleinäscherung mit dem Krematorium vereinbaren, sein Tier dort selbst hinbringen und es direkt nach dem Kremierungsvorgang wieder mit nach Hause nehmen. So haben wir das mit unserem im Januar verstorbenen Hund Duke gemacht. Für uns die einzig denkbare Option. Es gibt jedoch auch Unternehmen, die Ihr verstorbenes Tier bei Ihnen zu Hause oder beim Tierarzt abholen und es für eine Einzel- oder Sammeleinäscherung in ein Tierkrematorium bringen. Die Asche Ihres Tieres erhalten Sie dann nach einigen Tagen und können sie in einer Urne oder einem anderen passenden Gefäß zu Hause an einem schönen Platz zusammen mit einer Kerze, einem Engel (oder was Ihnen gefällt und hilft) in Ihrer unmittelbaren Nähe aufstellen.

Eine weitere Möglichkeit ist die Bestattung auf eigenem Grund (hierzu bitte immer die Vorgaben der jeweiligen Gemeinde/des Landkreises beachten) oder auf einem Tierfriedhof. So haben Sie einen Ort, an dem Sie Ihr Tier besuchen können, ein Grab, das Sie schmücken und pflegen können. Für viele Menschen ist das eine hilfreiche Vorstellung und Aufgabe. Es ist auch möglich, das verstorbene Tier beim Tierarzt zu lassen oder es dorthin zu bringen, wenn es zu Hause verstorben ist. Von dort wird es dann abgeholt und sein Körper in eine Tierkörperbeseitigungsanstalt verbracht. Ehrlich gesagt denke ich, dass das heutzutage zumindest für Hunde, Katzen und alle anderen Kleintiere keine Option mehr sein sollte. Unsere Tiere leben so eng mit uns zusammen, gehören zur Familie. Daher sollte mit ihren Körpern auch nach dem Tod respektvoll und behutsam umgegangen werden. Das ist eine Frage der Einstellung und des Respekts, keine des Geldbeutels. Anders sieht es leider mit Großtieren aus – die Kremierung ist zwar seit einigen Jahren auch in Deutschland möglich, jedoch tatsächlich leider nicht für jedermann bezahlbar. Auch die Erdbestattung ist für Großtiere in der Regel keine Option, so dass vielfach nur die Möglichkeit der Abholung durch einen so genannten Abdecker besteht. Das ist ganz bestimmt nicht schön und für viele Pferdehalter ist der Gedanke oder gar der Anblick kaum zu ertragen. Es bleibt zu hoffen, dass sich auch hier mit der Zeit Alternativen auftun werden, um Großtieren und ihren Menschen einen Abschied und eine Bestattung in Würde zu ermöglichen.

Etwas, das mir beim Thema Sterben und Tod von Tieren besonders am Herzen liegt sind die dazugehörigen Menschen. Die Trauer um ein Tier scheint hierzulande nicht wirklich gesellschaftsfähig zu sein, für viele ist es nicht nachvollziehbar, wenn der Tod eines Tieres genauso oder gar intensiver betrauert wird als der eines Menschen. Deshalb scheuen sich viele Menschen, über ihre Trauer um ein Tier offen zu sprechen, sie auszuleben, sich die benötigte Zeit zu nehmen. Das ist meiner Meinung nach etwas, das sich unbedingt ändern muss. Und dafür braucht es Aufklärung, verständnisvolle Menschen im Umfeld der trauernden Person und Mut auf Seiten derer, die in Trauer sind. Schämen Sie sich Ihrer Tränen und Gefühle nicht! Sie haben ein Familienmitglied, einen engen Vertrauten, Ihren besten Freund, Ihren vielleicht loyalsten Begleiter verloren. Jemanden, der Sie so oft zum Lachen gebracht und Ihre Tränen getrocknet hat. Das Lebewesen, das immer an Ihrer Seite war, Ihnen bedingungslose Liebe entgegengebracht hat, unabhängig vom Aussehen, sozialen Status, Einkommen, der Hautfarbe und dem Kleidungsstil. Den, der trotz all Ihrer Macken und Fehler immer dankbar war für jedes freundliche Wort, jedes Lächeln und jede streichelnde Hand. Sie dürfen trauern, und zwar auf die Art und Weise und so lange, wie Sie das brauchen, wie Sie das müssen!

Ich wünsche mir, dass Sie mutig sind. Mutig, um sich mit dem Thema Sterben und Tod Ihres Tieres auseinanderzusetzen und mit ihm gemeinsam – nötigenfalls mit Unterstützung von Außen – das letzte Stück seines Lebenswegs bestmöglich zu beschreiten. Mutig, um sich Ihrer Tränen und der Trauer um Ihr geliebtes Tier nicht zu schämen, sondern sie anzunehmen, zu ihr zu stehen und sich vielleicht auch hierfür Hilfe und Beistand zu suchen. Das wünsche ich mir und ich wünsche es auch Ihnen und Ihrem Tier.

Sollten Sie sich gerade gemeinsam mit Ihrem Tier auf dem letzten Stück seines Erdenwegs befinden oder um Ihr geliebtes Tier trauern und sich dabei Unterstützung wünschen, kontaktieren Sie mich bitte gerne. Hierzu finden Sie Infos unter www.mit-tieren-leben.de

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